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Unemployment, monetary and fiscal policy, and the merits and drawbacks of free markets were a few of the issues the journalist and public philosopher Walter Lippmann explained to the public during the Depression, when professional economists skilled at translating concepts for a lay audience were not yet on the scene, as Craufurd Goodwin shows.

Produktbeschreibung
Unemployment, monetary and fiscal policy, and the merits and drawbacks of free markets were a few of the issues the journalist and public philosopher Walter Lippmann explained to the public during the Depression, when professional economists skilled at translating concepts for a lay audience were not yet on the scene, as Craufurd Goodwin shows.
Autorenporträt
Craufurd D. Goodwin was James B. Duke Professor of Economics, Emeritus, at Duke University.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.09.2015

Wider die Stummheit
Walter Lippmann als ökonomischer Meinungsmacher

Vielen Liberalen ist Walter Lippmann (1889 bis 1974) vor allem durch das Pariser Kolloquium von 1938 bekannt, das als Geburtsstunde des Neoliberalismus gilt. Mit seinem Klassiker "The Good Society" von 1937 hatte er den Anstoß dazu gegeben. Dabei reicht diese Episode im bewegten Leben Lippmanns, eines der großen Intellektuellen Amerikas zur Zeit der Weltwirtschaftskrise, zu nicht mehr als einer Randnotiz. Craufurd Goodwin, Professor an der Duke University und Doyen der Geschichte des ökonomischen Denkens in den Vereinigten Staaten, zeichnet in seinem Buch die intellektuellen Entwicklungen Lippmanns nach, den seine Zeitgenossen als Ausnahmetalent bewunderten, wegen seines Einflusses auf die Politik umwarben und ob seiner Meinungsmacht auch fürchteten.

Schon im Jahr 1922 entstand ein Klassiker, "Public Opinion", das als Gründungsdokument der modernen Kommunikationsforschung gelten kann, wie Thomas Petersen vom Institut für Demoskopie Allensbach am 18. März 2015 in dieser Zeitung schrieb. Nach Goodwin waren es Lippmanns prägende Erfahrungen während des Ersten Weltkriegs in Abteilungen des Kriegsministeriums, welche mit psychologischer Kriegführung betraut waren, die ihn zum Buch bewegten: Dort sei ihm klargeworden, mit wie viel Macht - und Machtmissbrauch - die Gestaltbarkeit der öffentlichen Meinung einhergehe.

Mit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise wandte sich Lippmann ökonomischen Themen zu, von 1931 an verfasste er mehrmals wöchentlich erscheinende Zeitungskolumnen. Er war zwar ökonomischer Autodidakt, jedoch einer mit enormem Lesefleiß und beeindruckender Auffassungsgabe. Dabei profitierte er wesentlich davon, dass prominente Ökonomen seine Anfragen zügig beantworteten - mit Blick auf das über Lippmann zu erreichende Millionenpublikum. Einem "unsichtbaren Seminar" gleich habe er mit Wissenschaftlern auf Augenhöhe korrespondiert, wobei Keynes eine besondere Rolle einnimmt. Die beiden kannten einander seit den Versailler Friedensverhandlungen, an denen Lippmann als Berater von Präsident Wilson und Keynes als Berater der britischen Regierung teilgenommen hatten.

Goodwin führt die frühe Popularisierung der Keynesschen Theorie in Amerika maßgeblich auf Lippmann zurück. Er verdeutlicht dessen "Bekehrung" daran, wie dieser in den ersten Jahren der Weltwirtschaftskrise etliche heilige Kühe der klassischen Lehre publizistisch schlachtete, vom ausgeglichenen Haushalt bis zum Goldstandard - obwohl er die Präferenz des Chicago-Ökonomen Henry Simons für eine regelbasierte Wirtschaftspolitik teilte.

Lippmanns Glaube an die makroökonomische Gestaltbarkeit des Marktsystems blieb bis zu seinem Lebensende unerschütterlich. Die Zähigkeit der Depression habe er einer Mischung aus Markt- und Staatsversagen zugeschrieben. Die Kritik am Markt habe er mit einer Auseinandersetzung mit dem naiven Menschenbild der Ökonomen verknüpft und der Frage nach dem Ausmaß an Rationalität, das man den Akteuren auf dem Finanzmarkt realistischerweise zurechnen darf. Dass auch der Staat systematisch zu Fehlern neige, habe er mit Argumenten herausgearbeitet, mit denen er Bausteine der späteren Public-Choice-Theorie vorweggenommen habe.

Von der Roosevelt-Administration sei Lippmann zunehmend desillusioniert gewesen - nicht nur wegen deren Unfähigkeit, ihre makroökonomischen Aufgaben zu erfüllen, sondern auch wegen der mit dem "New Deal" einhergehenden Verachtung gegenüber dem Markt, mit dem Ergebnis einer permanenten Strangulierung der Selbstheilungskräfte. Dies sei oft mit Lippmanns Faszination für die Dynamik des Marktsystems und die unerschöpfliche Kreativität des Einzelnen kollidiert. In der Folge habe er viele Kolumnen auch mikroökonomischen Themen gewidmet, vor allem den Gefahren, die von geschlossenen und monopolistischen Märkten ausgingen.

Lippmanns "The Good Society" von 1937 rüttelte die wenigen nach der Weltwirtschaftskrise noch verbliebenen Liberalen auf. Schon während seines geisteswissenschaftlichen Studiums in Harvard hatte ihn die Scheu vieler theoretischer Ökonomen enttäuscht, sich mit den drängenden wirtschaftspolitischen Problemen der Zeit zu befassen, die ihren Denkansatz zu sprengen schienen. Nun klagte er an, verkündete das Scheitern des Laissez-faire-Dogmas und rief zu einer Erneuerung des Liberalismus auf.

Trotz makroökonomischer Differenzen zeigten sich die meisten Teilnehmer des Pariser Kolloquiums begeistert von dem Buch. In der Tat enthält es viele der späteren Markenzeichen des Ordoliberalismus: Neben flammenden Plädoyers für die Interdependenz von politischer und ökonomischer Freiheit, für Markt und Wettbewerb sowie gegen Planung und Zwang finden sich Begründungen für eine regelbasierte Wirtschaftspolitik, welche die Macht von Politikern und Bürokraten beschränken soll. Goodwin unterschlägt dabei nicht, wie sprunghaft Lippmann sein konnte: Während des Zweiten Weltkrieges zögerte dieser nicht, politische und ökonomische Freiheit für die Mobilisierung zu opfern.

So lernt man einen einflussreichen Grenzgänger zwischen Politik, Wissenschaft und Medien kennen, der sich vor allem als Geisteswissenschaftler verstand und die Geisteswissenschaften als generalistisches Gegengewicht zum Spezialistentum der Sozialwissenschaftler. Auch wenn sich die Szene der Intellektuellen stark ausdifferenziert hat und die Digitalisierung vor der Machtakkumulation in der Feder eines Einzelnen schützt, ist Lippmanns Weg für die Gegenwart lehrreich. Manche Ökonomen sind heute wegen (Über-)Spezialisierung im Dialog mit dem Bürger kaum mehr anschlussfähig; andere meinen sich à la Krugman als (Über-)Generalisten zu jedem Thema der Ökonomik äußern zu können. Eine Arbeitsteilung mit so begnadeten Kommunikatoren wie einst Lippmann könnte sowohl gegen die Stummheit der Spezialisten als auch gegen die Anmaßung der Generalisten Abhilfe schaffen.

STEFAN KOLEV

Craufurd D. Goodwin: Walter Lippmann. Public Economist. Harvard University Press, Cambridge (MA) 2014, 424 Seiten, 35 Dollar

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