Österreichische Uhren wurden schon immer etwas unterschätzt. Auf Auktionen und im Handel tauchen sie zwar regelmäßig auf, aber die Sammlerschaft rekrutiert sich hauptsächlich aus Österreich, weshalb sie preislich, verglichen mit ihrer handwerklichen Qualität, noch relativ erschwinglich sind. Ein
Grund ist sicherlich, dass die österreichische Uhrmacherei in der Forschung deutlich unterrepräsentiert…mehrÖsterreichische Uhren wurden schon immer etwas unterschätzt. Auf Auktionen und im Handel tauchen sie zwar regelmäßig auf, aber die Sammlerschaft rekrutiert sich hauptsächlich aus Österreich, weshalb sie preislich, verglichen mit ihrer handwerklichen Qualität, noch relativ erschwinglich sind. Ein Grund ist sicherlich, dass die österreichische Uhrmacherei in der Forschung deutlich unterrepräsentiert war und viele Aspekte noch nicht systematisch untersucht wurden. Einen wesentlicher Schritt in diese Richtung haben Stephan Andréewitch, Alexander Graef und Paul Archard mit ihrer Monografie zu den Wand- und Bodenstanduhren der Donaumonarchie gemacht. Es ist nicht nur ein exzellenter Bildband, mit Abbildungen bedeutender Uhren, die zum Teil der Öffentlichkeit auch nicht zugänglich sind, sondern er liefert die umfangreichste Zusammenstellung österreichischer Großuhrmachermeister und deren Mitarbeiter, ihrer biografischen Daten und Wirkungszeiträume, die es derzeit gibt. Anhand von alten Zunftbüchern ist es nach jahrelanger Arbeit gelungen, den publizierten Bestand um Tausende, bisher nicht erfasste Namen zu erweitern und auch bekannte Uhrmacher mit wesentlichen Informationen, wie z. B. Lebensdaten, Adressen, erteilten Privilegien und bedeutenden Einzelwerke in Verbindung zu bringen. Auf diese Weise wird erkennbar, dass ab dem Beginn des 19. Jahrhunderts Österreich ein wesentlicher Player in der internationalen Uhrenproduktion wurde und auch technologisch eigene Beiträge lieferte. Vor allem im Bereich der Gebrauchsuhren wurden Wien und Prag zu Hotspots der europäischen Uhrenproduktion, mit teilweise beeindruckendem Output.
Neben den wichtigsten Protagonisten und ihrer Biografie liegt ein weiterer Fokus auf dem Ausbildungsgang mit vergleichenden Auszügen aus den Zunftordnungen verschiedener Städte. Auch die merkantilen Aspekte wurden untersucht. Die regelmäßig stattfindenden Gewerbeausstellungen in Wien, Pest und Prag zeigten auch Produkte der österreichischen Uhrmacherkunst und auf den Weltausstellungen in London 1851 (die erste überhaupt) und Wien 1873 waren sie ebenfalls präsent.
Ein wichtiges Kapitel ist die Stilkunde, die insgesamt drei Perioden formal unterscheidet. Hier werden auch die typischen Stilelemente erkennbar, die österreichische Uhren grundsätzlich kennzeichnen, wie die typischen Dachkonstruktionen ab etwa 1800 („Laterndluhr“ und später die vereinfachte „Dachluhr“) und die absolut charakteristischen halbkreisförmigen bzw. sich verjüngenden unteren Abschlüsse bei Wanduhren, die dann im Regulatorstil ab 1850 im ganzen deutschsprachigen Raum große Verbreitung fanden. Der anschließende, sehr umfangreiche Katalog mit qualitätsvollen Beispielen aus allen Großuhrenkategorien, Technologien, mit und ohne Komplikationen, ergänzt die vorangegangenen Kapitel mit inhaltlich ausführlichen Steckbriefen und wirklich hervorragenden Aufnahmen, die oft auch Einblicke in die (ausgebauten) Uhrwerke zeigen.
Im wegen des Umfangs in einen zweiten Band ausgegliederten Lexikon sind über 14000 Uhrmacher erfasst, die sich nicht nur aus den Zunftbüchern der Hauptstadt Wien ableiten, sondern auch Ofen, Pest und Prag berücksichtigen. Zwar sind die originalen Wiener Zunftbücher irgendwann nach 1973 aus dem Uhrenmuseum verschwunden, aber es gab zum Glück noch Abschriften aus den Zwanzigerjahren, die entsprechend bearbeitet wurden. Auch wenn damit noch einige Zunftbücher der kleineren Produktionsorte auf ihre Auswertung warten, ist hiermit ein sehr wesentlicher Schritt vollzogen und vermehrt das publizierte Wissen enorm.
„Die Wand- und Bodenstanduhren der Habsburgermonarchie“ darf man mit Fug und Recht als die zukünftig maßgebliche Referenz ansehen, und das nicht nur für Großuhren, denn viele Betriebe stellten ebenfalls Kleinuhren her.
(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)