Es ist mehr als ein Jugendtraum, der sich für den Schriftsteller Thor Kunkel erfüllt, als er der Großstadt den Rücken kehrt und auf eine autofreie Alp auf zweitausend Meter Höhe zieht. Er beginnt ein Leben fernab jeglicher Normalität in
einer Umgebung, deren Ruhe und Schönheit von der Hektik der Zivilisation noch weitgehend unberührt sind. Hier sucht er sinnvolle und nachhaltige Lebensbedingungen. Doch mit dem Wüten der Natur, mit unbändigen Schneefällen - und mit der
Einsamkeit - hat er so nicht gerechnet... Ein autobiografisches Buch über ein gelungenes Abenteuer, und Stoff für alle, die schon einmal mit dem Gedanken gespielt haben, ein neues Leben zu beginnen.
einer Umgebung, deren Ruhe und Schönheit von der Hektik der Zivilisation noch weitgehend unberührt sind. Hier sucht er sinnvolle und nachhaltige Lebensbedingungen. Doch mit dem Wüten der Natur, mit unbändigen Schneefällen - und mit der
Einsamkeit - hat er so nicht gerechnet... Ein autobiografisches Buch über ein gelungenes Abenteuer, und Stoff für alle, die schon einmal mit dem Gedanken gespielt haben, ein neues Leben zu beginnen.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Nicht ganz ohne Spott vollzieht Burkhard Müller Thor Kunkels Wendung ins Hochalpine nach. In der Schweiz hat er sich ein Haus gebaut, nicht ohne Klempner und Monteure und auch nicht ohne jene Kulturkritik, die bei derart dünner Luft offenbar dann automatisch kommt. Kunkel schimpft von dort aus auf den städtischen Kulturbetrieb, der "die redliche Arbeit alpiner Landschaftsmaler" verhöhne und liefert alles weitere an Naturverklärung und Modernekritik zu Erwartende. Aber manchmal, wenn Kunkel dabei ordentlich schlechte Laune kriegt, ist das durchaus auch spaßig zu lesen, so Müller.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.06.2015Mach es wie die Pusteblume
Es ist eine schöne Geschichte: Da lässt einer die großen Städte hinter sich, baut sich ein Haus in den Bergen, zusammen mit seiner Frau. Und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie dort glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Thor Kunkel hat sich diesen Traum erfüllt. Nur: Es ist ein Kotzbrocken-Buch geworden. Denn er schüttet Verachtung aus über alle, die anders leben als er. Es beginnt mit einer Abrechnung seines alten Lebens. Kunkel arbeitete in der Werbebranche und als Regisseur. Sein Nazi-Porno-Roman "Endstufe" wurde 2004 furios verrissen. Nun also hat er sich von dieser Welt verabschiedet. Vor allem aus der Welt der Smartphones, der "Denkprothese" - seines hat er unter Kiesel im Bach vergraben. Seine Häme ist grenzenlos, einen klein gewachsenen Kollegen nennt er Vorzwerg und Hobbitdarsteller. Jene, die nicht wie er in die Berge umzogen, suchen "das Glück ihres Daseins auf den großstädtischen Einkaufsmeilen", und die Menschen in der U-Bahn "waren Lichtjahre von ihrem eigenen Willen entfernt". Kunkel hat ja nun: "Alpen statt Apps". Erst mal baut er ein Haus. Seitenlang wird das Bauvorhaben ausgebreitet - und wie jeder Bauherr denkt auch Kunkel, das interessiere andere. Schließlich steht das Haus, und der erste Blick aus dem Fenster "sagte uns, hier oben war die Welt noch nicht in die Hände des Menschen gefallen". Sieht man von dem Aussteiger-Ehepaar ab, dass hier gerade ein Haus auf eine Almwisse gewummt hat. Alles Elend des modernen Lebens komme nur davon, wie Kunkel weiß: "Die Leute haben keine Lust mehr, um etwas zu kämpfen." Man müsse den Segen der Anstrengung erfahren, aber das finde nur der heraus, der geht. In seiner neuen, calvinistischen Heimat fühlt er sich also pudelwohl. Und lobt gleich noch die Politik der Schweizer, die seien noch plebiszitär demokratisch, föderalistisch liberal und würden es schaffen, sich gegen die realitätsfernen Träume der Politiker durchzusetzen. So lobt er das Minarett-Verbot. Vielleicht sollte Kunkel mal in Dresden lesen? Und weil es ihm gerade in den Kram passt, behauptet er, das habe schon Leslie Stephen erkannt, der die Schweiz den "Tummelplatz Europas" genannt habe. Aber Stephen bezeichnete nicht das Land als "Playground of Europe", sondern die Alpen aus der Sicht des Bergsteigers. Kunkel hingegen schreibt lieber, die Schweiz habe es nicht nötig, sich als touristischer Funpark zu verkaufen. Ein Urteil wider besseren Wissens. Berge seien ein "Inbild der Güte, ein wahres Herzensbild", schwadroniert er weiter und will nicht sehen, dass Berge für Menschen fast ausschließlich Inbegriff des Schreckens von Hungersnot und Müh und Plag waren. Natürlich verachtet der Autor moderne Bergsportler, "schlimm aufgemachtes Publikum". Wenn er wandert, dann am liebsten einsam und gerne auch nackt. Mit Bergführern geht er nur, wenn sie ihm "freundlich gesinnt" sind, sprich: Er nichts dafür zahlen muss. Und so segelt er umflort in seine Landlust-Seligkeit, ein Eskapist, der von Alpenrosen schwärmt und sich zu Blümchen-Poesie im Geist einer Kristiane Allert-Wybranietz versteigt: "Der Mensch hat Flügel und Wurzeln, die er am besten von Zeit zu Zeit kombiniert. Selbst die Pusteblume weiß darüber Bescheid, sonst wäre der gelbe Löwenzahn nicht überall auf den Matten zu finden." Über seine neue Heimat postuliert er: "Es ist de facto eine andere Welt." Nein, es ist die eine Welt. Nur hat sich Kunkel entschlossen, weit weg in den Bergen, wo man "verwirrten Seelen erst gar nicht begegnet", nur noch einen winzigen Ausschnitt davon wahrzunehmen. Einen kritischen Blick hat er nur auf die moderne Vermarktung. Aus den vielen Freien - damit meint er die hart arbeitende Bergbevölkerung - wurden "Tourismuslakaien". Vielleicht hätte er mal einen von diesen fragen sollen, ob sie sich zurücksehnten nach dem Leben früherer Tage. Er aber hat seinen Ort gefunden, wo er hingehöre, wo er auch noch mit "70, 80 sein will". Glückwunsch. Es liege, schreibt Kunkel, im Ermessen jedes Einzelnen, wann er "seine Entwürdigung als denkendes Wesen nicht länger hinnehmen will". Ach Kunkel.
bär
"Wanderful. Mein neues Leben in den Bergen" von Thor Kunkel. Eichborn Verlag. Köln 2014. 236 Seiten. Einige Fotos. Gebunden, 19,99[Euro]
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Es ist eine schöne Geschichte: Da lässt einer die großen Städte hinter sich, baut sich ein Haus in den Bergen, zusammen mit seiner Frau. Und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie dort glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Thor Kunkel hat sich diesen Traum erfüllt. Nur: Es ist ein Kotzbrocken-Buch geworden. Denn er schüttet Verachtung aus über alle, die anders leben als er. Es beginnt mit einer Abrechnung seines alten Lebens. Kunkel arbeitete in der Werbebranche und als Regisseur. Sein Nazi-Porno-Roman "Endstufe" wurde 2004 furios verrissen. Nun also hat er sich von dieser Welt verabschiedet. Vor allem aus der Welt der Smartphones, der "Denkprothese" - seines hat er unter Kiesel im Bach vergraben. Seine Häme ist grenzenlos, einen klein gewachsenen Kollegen nennt er Vorzwerg und Hobbitdarsteller. Jene, die nicht wie er in die Berge umzogen, suchen "das Glück ihres Daseins auf den großstädtischen Einkaufsmeilen", und die Menschen in der U-Bahn "waren Lichtjahre von ihrem eigenen Willen entfernt". Kunkel hat ja nun: "Alpen statt Apps". Erst mal baut er ein Haus. Seitenlang wird das Bauvorhaben ausgebreitet - und wie jeder Bauherr denkt auch Kunkel, das interessiere andere. Schließlich steht das Haus, und der erste Blick aus dem Fenster "sagte uns, hier oben war die Welt noch nicht in die Hände des Menschen gefallen". Sieht man von dem Aussteiger-Ehepaar ab, dass hier gerade ein Haus auf eine Almwisse gewummt hat. Alles Elend des modernen Lebens komme nur davon, wie Kunkel weiß: "Die Leute haben keine Lust mehr, um etwas zu kämpfen." Man müsse den Segen der Anstrengung erfahren, aber das finde nur der heraus, der geht. In seiner neuen, calvinistischen Heimat fühlt er sich also pudelwohl. Und lobt gleich noch die Politik der Schweizer, die seien noch plebiszitär demokratisch, föderalistisch liberal und würden es schaffen, sich gegen die realitätsfernen Träume der Politiker durchzusetzen. So lobt er das Minarett-Verbot. Vielleicht sollte Kunkel mal in Dresden lesen? Und weil es ihm gerade in den Kram passt, behauptet er, das habe schon Leslie Stephen erkannt, der die Schweiz den "Tummelplatz Europas" genannt habe. Aber Stephen bezeichnete nicht das Land als "Playground of Europe", sondern die Alpen aus der Sicht des Bergsteigers. Kunkel hingegen schreibt lieber, die Schweiz habe es nicht nötig, sich als touristischer Funpark zu verkaufen. Ein Urteil wider besseren Wissens. Berge seien ein "Inbild der Güte, ein wahres Herzensbild", schwadroniert er weiter und will nicht sehen, dass Berge für Menschen fast ausschließlich Inbegriff des Schreckens von Hungersnot und Müh und Plag waren. Natürlich verachtet der Autor moderne Bergsportler, "schlimm aufgemachtes Publikum". Wenn er wandert, dann am liebsten einsam und gerne auch nackt. Mit Bergführern geht er nur, wenn sie ihm "freundlich gesinnt" sind, sprich: Er nichts dafür zahlen muss. Und so segelt er umflort in seine Landlust-Seligkeit, ein Eskapist, der von Alpenrosen schwärmt und sich zu Blümchen-Poesie im Geist einer Kristiane Allert-Wybranietz versteigt: "Der Mensch hat Flügel und Wurzeln, die er am besten von Zeit zu Zeit kombiniert. Selbst die Pusteblume weiß darüber Bescheid, sonst wäre der gelbe Löwenzahn nicht überall auf den Matten zu finden." Über seine neue Heimat postuliert er: "Es ist de facto eine andere Welt." Nein, es ist die eine Welt. Nur hat sich Kunkel entschlossen, weit weg in den Bergen, wo man "verwirrten Seelen erst gar nicht begegnet", nur noch einen winzigen Ausschnitt davon wahrzunehmen. Einen kritischen Blick hat er nur auf die moderne Vermarktung. Aus den vielen Freien - damit meint er die hart arbeitende Bergbevölkerung - wurden "Tourismuslakaien". Vielleicht hätte er mal einen von diesen fragen sollen, ob sie sich zurücksehnten nach dem Leben früherer Tage. Er aber hat seinen Ort gefunden, wo er hingehöre, wo er auch noch mit "70, 80 sein will". Glückwunsch. Es liege, schreibt Kunkel, im Ermessen jedes Einzelnen, wann er "seine Entwürdigung als denkendes Wesen nicht länger hinnehmen will". Ach Kunkel.
bär
"Wanderful. Mein neues Leben in den Bergen" von Thor Kunkel. Eichborn Verlag. Köln 2014. 236 Seiten. Einige Fotos. Gebunden, 19,99[Euro]
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