Die atemberaubende Schlucht der Viamala, die sanfte Weite der Lenzerheide, die unverwechselbaren Farben des Engadins oder die den Süden verheißenden Gipfel des Bergells - die Landschaft Graubündens ist so vielfältig wie die Kunst, die von ihr inspiriert ist. Die 14 Wanderungen in diesem Buch führen durch die unterschiedlichsten Regionen, hin zu 22 Standorten bekannter Gemälde, Skizzen, Stiche und eingängiger Tourismusplakate. Die Autoren laden ein zu intensiven Begegnungen mit Giovanni Segantini, den drei Giacometti, Ernst Ludwig Kirchner, Alois Carigiet - aber auch zu überraschenden Entdeckungen: ein Landschaftsbild des deutschen Malers Otto Dix oder Ansichten des Unterengadins des in Vergessenheit geratenen Malers Edgar Vital aus Ftan.
Entlang abwechslungsreicher Wanderrouten - auch für den Winter - stellt Ruth Michel Richter die Künstler, ihre Beziehung zur Region und ihre Bedeutung in der Kunstentwicklung ihrer Zeit vor. Den Abbildungen aus einer Zeitspanne von zweihundertJahren stehen Konrad Richters aktuelle Fotografien gegenüber, was zu faszinierenden und überraschenden Einsichten führt.
Entlang abwechslungsreicher Wanderrouten - auch für den Winter - stellt Ruth Michel Richter die Künstler, ihre Beziehung zur Region und ihre Bedeutung in der Kunstentwicklung ihrer Zeit vor. Den Abbildungen aus einer Zeitspanne von zweihundertJahren stehen Konrad Richters aktuelle Fotografien gegenüber, was zu faszinierenden und überraschenden Einsichten führt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.02.2021Hier genau hat er gestanden
Es hat lange gedauert, bis Landschaft in der Malerei nicht mehr nur den dekorativen Hintergrund spielen, sondern als eigenes großes Thema brillieren durfte. Dann aber zogen die Künstler mit Zeichen- und Malzeug ins Freie, hielten fest, was sie sahen und manchmal noch ein bisschen mehr. Sehr gefragt waren Gebirgsdarstellungen, insbesondere bevor bequeme Seilbahnen es fast jedem selbst erlaubten, die Grandezza der Gipfelwelt in der Höhe zu bewundern. Um herauszufinden, wie ehrlich die Maler waren und wie ihre Motive heute aussehen, erwanderten Ruth Michel Richter und Konrad Richter - nach dem Berner Oberland und Graubünden - wiederum ein Stück der Schweiz, diesmal deren Herz: die Gotthardregion. Gleich auf der ersten von vierzehn Touren erwischen sie einen Künstler beim Tricksen; Charles Girons "Wiege der Eidgenossenschaft", das große Wandpanorama im Berner Nationalratssaal, blickt hinab auf den Vierwaldstättersee, an dem Wilhelm Tells Rütliwiese liegt. Nicht nur lässt der Künstler damals, 1900, die bereits existierende Bahnlinie und sowie die Hotels idealisierend fort, er verquickt auch zwei unterschiedliche Aussichten, um seine Komposition zu optimieren. Überhaupt spitzt künstlerische Freiheit manche der mehrheitlich aus dem neunzehnten Jahrhundert stammenden Ansichten gern dramatisch zu, wie Fotovergleiche der Motive von heute zeigen: Da erscheinen Berge höher, Abhänge steiler und Bäche reißender. Caspar Wolf hingegen übertrieb nicht, als er 1778 die mächtige, weit ins Tal reichende weiße Zunge des gewaltigen Rhone-Gletschers malte, doch hat man seinen Platz von damals erreicht, zeigt sich heute alles grün und felsig, denn vom Eis hat der Klimawandel nichts übrig gelassen. Mit präzisen Beschreibungen zu den einstigen Aufstellungsorten der Staffeleien unterwegs, bekommt man viele Hinweise auf Sehenswertes am Wegesrand und erfährt manches über Geschichte und Geographie der Region, nicht zu vergessen alte Mythen. Auch aus Schillers "Wilhelm Tell" zitieren die Autoren, nur anders als die Maler war der Dichter niemals hier.
bsa
"Wandern wie gemalt. Gotthardregion. Auf den Spuren bekannter Gemälde" von Ruth Michel Richter und Konrad Richter. Rotpunktverlag , Zürich 2020. 384 Seiten, 350 Abbildungen, einige Karten. Broschiert, 38 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Es hat lange gedauert, bis Landschaft in der Malerei nicht mehr nur den dekorativen Hintergrund spielen, sondern als eigenes großes Thema brillieren durfte. Dann aber zogen die Künstler mit Zeichen- und Malzeug ins Freie, hielten fest, was sie sahen und manchmal noch ein bisschen mehr. Sehr gefragt waren Gebirgsdarstellungen, insbesondere bevor bequeme Seilbahnen es fast jedem selbst erlaubten, die Grandezza der Gipfelwelt in der Höhe zu bewundern. Um herauszufinden, wie ehrlich die Maler waren und wie ihre Motive heute aussehen, erwanderten Ruth Michel Richter und Konrad Richter - nach dem Berner Oberland und Graubünden - wiederum ein Stück der Schweiz, diesmal deren Herz: die Gotthardregion. Gleich auf der ersten von vierzehn Touren erwischen sie einen Künstler beim Tricksen; Charles Girons "Wiege der Eidgenossenschaft", das große Wandpanorama im Berner Nationalratssaal, blickt hinab auf den Vierwaldstättersee, an dem Wilhelm Tells Rütliwiese liegt. Nicht nur lässt der Künstler damals, 1900, die bereits existierende Bahnlinie und sowie die Hotels idealisierend fort, er verquickt auch zwei unterschiedliche Aussichten, um seine Komposition zu optimieren. Überhaupt spitzt künstlerische Freiheit manche der mehrheitlich aus dem neunzehnten Jahrhundert stammenden Ansichten gern dramatisch zu, wie Fotovergleiche der Motive von heute zeigen: Da erscheinen Berge höher, Abhänge steiler und Bäche reißender. Caspar Wolf hingegen übertrieb nicht, als er 1778 die mächtige, weit ins Tal reichende weiße Zunge des gewaltigen Rhone-Gletschers malte, doch hat man seinen Platz von damals erreicht, zeigt sich heute alles grün und felsig, denn vom Eis hat der Klimawandel nichts übrig gelassen. Mit präzisen Beschreibungen zu den einstigen Aufstellungsorten der Staffeleien unterwegs, bekommt man viele Hinweise auf Sehenswertes am Wegesrand und erfährt manches über Geschichte und Geographie der Region, nicht zu vergessen alte Mythen. Auch aus Schillers "Wilhelm Tell" zitieren die Autoren, nur anders als die Maler war der Dichter niemals hier.
bsa
"Wandern wie gemalt. Gotthardregion. Auf den Spuren bekannter Gemälde" von Ruth Michel Richter und Konrad Richter. Rotpunktverlag , Zürich 2020. 384 Seiten, 350 Abbildungen, einige Karten. Broschiert, 38 Euro.
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