14 Ausflüge führen zu Landschaftsdarstellungen des Berner Oberlands, zu Bildern von Caspar Wolf, François Diday, Alexandre Calame, Barthélémy Menn, Ferdinand Hodler, Cuno Amiet, Paul Klee und Jean-Frédéric Schnyder. Die Autoren schildern die Geschichte dieser Bilder, stellen sie auf den Wanderungen der aktuellen Landschaft gegenüber und gehen der Frage nach, warum der Maler damals genau diesen Standort, diesen Ausschnitt gewählt hat. Zu jedem Kapitel gehören biografische Informationen über den jeweiligen Künstler, kultur- und kunsthistorische Überlegungen und Standortbestimmungen, Hinweise auf die Museen, wo die Bilder hängen, und genaue Informationen (Karten, Routenangaben, Erreichbarkeit) zu den Wanderungen.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Viel Vergnügen hat Jochen Temsch die Lektüre des kunsthistorischen Wanderführers mit Touren durch das Berner Oberland bereitet. Die 14 sorgfältig zusammengestellten Ausflüge auf den Spuren von Klee, Hodler, Alexander Calame und anderen Künstlern setzen Gemälde und Landschaft (Berge, Seen, usw.), "Dargestelltes und Darstellung", auf reizvolle Weise miteinander in Beziehung, so der Rezensent. Die Kombination aus Text, Abbildung des Gemäldes und fotorealistischem Vergleich schärft die Wahrnehmung sowohl für das Kunstwerk wie für die Landschaft. Das lässt sich beispielsweise gut am Berg Niesen studieren, der über dem Thunersee gelegen in seiner gleichmäßig dreiseitigen Beschaffenheit gewissermaßen das Idealbild eines Berges darstellt und die Maler seit dem 16. Jahrhundert bis in die Moderne immer wieder herausgefordert hat.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.02.2021Hier genau hat er gestanden
Es hat lange gedauert, bis Landschaft in der Malerei nicht mehr nur den dekorativen Hintergrund spielen, sondern als eigenes großes Thema brillieren durfte. Dann aber zogen die Künstler mit Zeichen- und Malzeug ins Freie, hielten fest, was sie sahen und manchmal noch ein bisschen mehr. Sehr gefragt waren Gebirgsdarstellungen, insbesondere bevor bequeme Seilbahnen es fast jedem selbst erlaubten, die Grandezza der Gipfelwelt in der Höhe zu bewundern. Um herauszufinden, wie ehrlich die Maler waren und wie ihre Motive heute aussehen, erwanderten Ruth Michel Richter und Konrad Richter - nach dem Berner Oberland und Graubünden - wiederum ein Stück der Schweiz, diesmal deren Herz: die Gotthardregion. Gleich auf der ersten von vierzehn Touren erwischen sie einen Künstler beim Tricksen; Charles Girons "Wiege der Eidgenossenschaft", das große Wandpanorama im Berner Nationalratssaal, blickt hinab auf den Vierwaldstättersee, an dem Wilhelm Tells Rütliwiese liegt. Nicht nur lässt der Künstler damals, 1900, die bereits existierende Bahnlinie und sowie die Hotels idealisierend fort, er verquickt auch zwei unterschiedliche Aussichten, um seine Komposition zu optimieren. Überhaupt spitzt künstlerische Freiheit manche der mehrheitlich aus dem neunzehnten Jahrhundert stammenden Ansichten gern dramatisch zu, wie Fotovergleiche der Motive von heute zeigen: Da erscheinen Berge höher, Abhänge steiler und Bäche reißender. Caspar Wolf hingegen übertrieb nicht, als er 1778 die mächtige, weit ins Tal reichende weiße Zunge des gewaltigen Rhone-Gletschers malte, doch hat man seinen Platz von damals erreicht, zeigt sich heute alles grün und felsig, denn vom Eis hat der Klimawandel nichts übrig gelassen. Mit präzisen Beschreibungen zu den einstigen Aufstellungsorten der Staffeleien unterwegs, bekommt man viele Hinweise auf Sehenswertes am Wegesrand und erfährt manches über Geschichte und Geographie der Region, nicht zu vergessen alte Mythen. Auch aus Schillers "Wilhelm Tell" zitieren die Autoren, nur anders als die Maler war der Dichter niemals hier.
bsa
"Wandern wie gemalt. Gotthardregion. Auf den Spuren bekannter Gemälde" von Ruth Michel Richter und Konrad Richter. Rotpunktverlag , Zürich 2020. 384 Seiten, 350 Abbildungen, einige Karten. Broschiert, 38 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Es hat lange gedauert, bis Landschaft in der Malerei nicht mehr nur den dekorativen Hintergrund spielen, sondern als eigenes großes Thema brillieren durfte. Dann aber zogen die Künstler mit Zeichen- und Malzeug ins Freie, hielten fest, was sie sahen und manchmal noch ein bisschen mehr. Sehr gefragt waren Gebirgsdarstellungen, insbesondere bevor bequeme Seilbahnen es fast jedem selbst erlaubten, die Grandezza der Gipfelwelt in der Höhe zu bewundern. Um herauszufinden, wie ehrlich die Maler waren und wie ihre Motive heute aussehen, erwanderten Ruth Michel Richter und Konrad Richter - nach dem Berner Oberland und Graubünden - wiederum ein Stück der Schweiz, diesmal deren Herz: die Gotthardregion. Gleich auf der ersten von vierzehn Touren erwischen sie einen Künstler beim Tricksen; Charles Girons "Wiege der Eidgenossenschaft", das große Wandpanorama im Berner Nationalratssaal, blickt hinab auf den Vierwaldstättersee, an dem Wilhelm Tells Rütliwiese liegt. Nicht nur lässt der Künstler damals, 1900, die bereits existierende Bahnlinie und sowie die Hotels idealisierend fort, er verquickt auch zwei unterschiedliche Aussichten, um seine Komposition zu optimieren. Überhaupt spitzt künstlerische Freiheit manche der mehrheitlich aus dem neunzehnten Jahrhundert stammenden Ansichten gern dramatisch zu, wie Fotovergleiche der Motive von heute zeigen: Da erscheinen Berge höher, Abhänge steiler und Bäche reißender. Caspar Wolf hingegen übertrieb nicht, als er 1778 die mächtige, weit ins Tal reichende weiße Zunge des gewaltigen Rhone-Gletschers malte, doch hat man seinen Platz von damals erreicht, zeigt sich heute alles grün und felsig, denn vom Eis hat der Klimawandel nichts übrig gelassen. Mit präzisen Beschreibungen zu den einstigen Aufstellungsorten der Staffeleien unterwegs, bekommt man viele Hinweise auf Sehenswertes am Wegesrand und erfährt manches über Geschichte und Geographie der Region, nicht zu vergessen alte Mythen. Auch aus Schillers "Wilhelm Tell" zitieren die Autoren, nur anders als die Maler war der Dichter niemals hier.
bsa
"Wandern wie gemalt. Gotthardregion. Auf den Spuren bekannter Gemälde" von Ruth Michel Richter und Konrad Richter. Rotpunktverlag , Zürich 2020. 384 Seiten, 350 Abbildungen, einige Karten. Broschiert, 38 Euro.
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