Da capo!
Ein vergnüglicher und lehrreicher Blick hinter die Kulissen des klassischen Konzertbetriebs - von einem Weltstar unter den Violinisten.
Aus dem Inhalt:
Wozu Konzerte?
Einladung ins Konzert
Schnellkurs in Musikgeschichte
An der Abendkasse
Der Countdown läuft
Das Orchester kommt
Der Dirigent tritt auf
Der Solist macht sich bereit
Mit und ohne Noten
Spiel, Satz und Sieg
Es darf geklatscht werden
Ein vergnüglicher und lehrreicher Blick hinter die Kulissen des klassischen Konzertbetriebs - von einem Weltstar unter den Violinisten.
Aus dem Inhalt:
Wozu Konzerte?
Einladung ins Konzert
Schnellkurs in Musikgeschichte
An der Abendkasse
Der Countdown läuft
Das Orchester kommt
Der Dirigent tritt auf
Der Solist macht sich bereit
Mit und ohne Noten
Spiel, Satz und Sieg
Es darf geklatscht werden
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.10.2009Wer zu früh klatscht, den bestraft der Dirigent
Wie nutzt man die Pause? Was ist ein "Konzert ohne Frack"? Wann setzt der Beifall ein? Daniel Hope hat einen Wegweiser für Konzertgänger geschrieben.
Der Geiger Daniel Hope hat zusammen mit Wolfgang Knauer ein Buch geschrieben, in dem Moritz und Lena (ein junges Ehepaar, beide Banker) und Larry, ein Taxifahrer aus San Francisco, eine zentrale Rolle spielen. Sie sind, als Widerpart und Gesprächspartner Hopes, aufgeweckte Leute und stellen die richtigen Fragen zur richtigen Zeit.
Allein, sie haben bislang keinen Zugang zur klassischen Musik. Das wird sich im Verlaufe des Buches naturgemäß ändern. "Wann darf ich klatschen?": Der "Wegweiser für Konzertgänger" soll vor allem solchen, die es werden wollen, Orientierung bieten. Das tut er auf eine durchaus sympathische Weise in schlichten Worten und mit einigem Humor. Daniel Hope ist es gelungen, zusammen mit seinem Koautor eine denkbar geradlinige Einführung in das Wesen und die Riten des klassischen Musikbetriebs zu geben. Auf eine kurze Erörterung der wichtigsten musikgeschichtlichen Epochen folgen Informationen zur Kleiderordnung auf der Bühne und im Saal, zum Seelenleben eines Orchesters, zum Verhältnis von Dirigent und Solist, zur Frage des Lampenfiebers, zur seelischen Befindlichkeit des Solisten, zu den Bräuchen des Verbeugens und Beklatschens und zur Frage angemessener Eintrittspreise. Kleine Übersichten - von kurzen Porträts der berühmtesten Dirigenten bis hin zu den besten Orchesterwitzen - runden das insgesamt schlüssige Konzept ab. Wer nichts wusste über das, was sich in einem Konzertsaal vor, auf und hinter der Bühne abspielt, wird dieses Buch mit Gewinn lesen; und man möchte hoffen, dass es nicht bloß als "Geschenkbuch" verbreitet wird, sondern just jene Leser erreicht, an die es sich richtet.
Freilich fußt "Wann darf ich klatschen?" auf Prämissen, die man durchaus in Zweifel ziehen kann. Hope hat sie gleich zu Beginn in dem Kapitel "Warum dieses Buch?" zusammengefasst. Zu den Prämissen gehört, das Interesse an Klassik habe spürbar nachgelassen; es gebe allenthalben einen Besucherschwund bei den Konzerten, die Schallplattenindustrie verzeichne dramatische Einbrüche. Die Zukunft des klassischen Konzerts sei keineswegs gesichert. In dieser krisenhaften Lage bietet nun Hope seine Dienste als "Fremdenführer" an.
Die Rede von der Krise des klassischen Konzertbetriebs ist nicht eben neu, und sie fußt trotz vielfacher Wiederholung auf schwacher empirischer Grundlage. Angeblich ist das Klassikpublikum überaltert. Aber wann je haben in der Geschichte des bürgerlichen Konzerts die Fünfzehn- bis Dreißigjährigen die Säle gefüllt? Wer zwei Stunden ruhig zuhören kann, hat meist bereits ein bestimmtes Alter erreicht - und die Leute werden ja auch immer älter. In Deutschland werden heutzutage mehr klassische Konzerte veranstaltet als je zuvor in der Geschichte. Hunderte von Festivals überziehen das Land mit ihren teils hochattraktiven Angeboten: Staatliche, städtische und freie Spitzenensembles sowie eine oftmals blühende Kirchenmusik buhlen um Zuhörer. Um jedes Konzert zu füllen, müsste Deutschland eine Bevölkerungsexplosion erlebt haben. So aber wächst vor allem der Konkurrenzdruck. Würde man die absolute Zahl aller Besucher klassischer Konzerte von 1960 und heute vergleichen, würde man wohl herausfinden, dass sie stark gestiegen ist.
Die großen CD-Firmen kriseln zwar in der Tat; dafür aber schießen kleine Labels wie Pilze aus dem Boden. Die Branche erlebt einen tiefgreifenden Strukturwandel, der mit dem sich verändernden Repertoire der Musiker zu erklären ist: Nicht mehr die großen Werke des klassischen Kanons bestimmen heute allein die Konzertprogramme, sondern hochspezialisierte Ensembles werben mit teils entlegenen und dennoch hochinteressanten Werken um Aufmerksamkeit. Sie sind bei den kleinen Plattenproduzenten viel besser aufgehoben als bei den großen Konzernen.
Richtig ist gewiss Daniel Hopes Bemerkung, manch einem käme das klassische Konzert mit seiner stereotypen Programmfolge und seinen Riten "altmodisch und verstaubt" vor. Aber auch hier ändert sich vieles mit atemberaubender Geschwindigkeit. Große Orchester laden zu "Konzerten ohne Frack" oder "After Work Lounges" ein, Musikfeste veranstalten "Sonnenaufgangskonzerte" morgens um sieben; Familienkonzerte am Sonntagvormittag werden überrannt; Gesprächskonzerte sind ungeheuer populär, Konzerteinführungen erleben einen ungeahnten Boom. Die Angebote der Chöre und Orchester an die Schulen sind inzwischen so reichhaltig, dass manch ein Lehrer erschöpft aufseufzt. Der Frack freilich ist immer seltener zu sehen; in die Konzerte der Ensembles für Alte und Neue Musik (auch sie Kinder von Achtundsechzig) hatte er ohnehin nie Einzug gehalten.
Was die Ordnung des Konzertprogramms betrifft, so ist die Pause nach dem Solokonzert und vor der Symphonie schon lange nicht mehr sakrosankt. Die überraschendsten Programmkonstellationen sind inzwischen denkbar, Crossover inbegriffen. Was verlorengeht, ist das klassische Konzert als Gottesdienst der Kunstreligion. Man muss diesen Verlust nicht beklagen, und fromme Menschen mögen sich freuen, dass das religiöse Empfinden nun wieder dorthin zurückkehren kann, wo es hingehört: in die Kirche. Alles zusammengenommen, besteht zum Runzeln der Stirn kein Anlass.
Inmitten dieses von Vitalität zeugenden Umbruchs wirkt Daniel Hopes freundliches kleines Buch weniger wie eine dringend benötigte Medizin, sondern eher wie ein Indiz für den sich quasi von selbst vollziehenden Wandel des klassischen Musikbetriebs.
MICHAEL GASSMANN
Daniel Hope: "Wann darf ich klatschen?". Ein Wegweiser für Konzertgänger. Mit Zeichnungen von Christina Thrän. Rowohlt Verlag, Reinbek 2009. 256 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie nutzt man die Pause? Was ist ein "Konzert ohne Frack"? Wann setzt der Beifall ein? Daniel Hope hat einen Wegweiser für Konzertgänger geschrieben.
Der Geiger Daniel Hope hat zusammen mit Wolfgang Knauer ein Buch geschrieben, in dem Moritz und Lena (ein junges Ehepaar, beide Banker) und Larry, ein Taxifahrer aus San Francisco, eine zentrale Rolle spielen. Sie sind, als Widerpart und Gesprächspartner Hopes, aufgeweckte Leute und stellen die richtigen Fragen zur richtigen Zeit.
Allein, sie haben bislang keinen Zugang zur klassischen Musik. Das wird sich im Verlaufe des Buches naturgemäß ändern. "Wann darf ich klatschen?": Der "Wegweiser für Konzertgänger" soll vor allem solchen, die es werden wollen, Orientierung bieten. Das tut er auf eine durchaus sympathische Weise in schlichten Worten und mit einigem Humor. Daniel Hope ist es gelungen, zusammen mit seinem Koautor eine denkbar geradlinige Einführung in das Wesen und die Riten des klassischen Musikbetriebs zu geben. Auf eine kurze Erörterung der wichtigsten musikgeschichtlichen Epochen folgen Informationen zur Kleiderordnung auf der Bühne und im Saal, zum Seelenleben eines Orchesters, zum Verhältnis von Dirigent und Solist, zur Frage des Lampenfiebers, zur seelischen Befindlichkeit des Solisten, zu den Bräuchen des Verbeugens und Beklatschens und zur Frage angemessener Eintrittspreise. Kleine Übersichten - von kurzen Porträts der berühmtesten Dirigenten bis hin zu den besten Orchesterwitzen - runden das insgesamt schlüssige Konzept ab. Wer nichts wusste über das, was sich in einem Konzertsaal vor, auf und hinter der Bühne abspielt, wird dieses Buch mit Gewinn lesen; und man möchte hoffen, dass es nicht bloß als "Geschenkbuch" verbreitet wird, sondern just jene Leser erreicht, an die es sich richtet.
Freilich fußt "Wann darf ich klatschen?" auf Prämissen, die man durchaus in Zweifel ziehen kann. Hope hat sie gleich zu Beginn in dem Kapitel "Warum dieses Buch?" zusammengefasst. Zu den Prämissen gehört, das Interesse an Klassik habe spürbar nachgelassen; es gebe allenthalben einen Besucherschwund bei den Konzerten, die Schallplattenindustrie verzeichne dramatische Einbrüche. Die Zukunft des klassischen Konzerts sei keineswegs gesichert. In dieser krisenhaften Lage bietet nun Hope seine Dienste als "Fremdenführer" an.
Die Rede von der Krise des klassischen Konzertbetriebs ist nicht eben neu, und sie fußt trotz vielfacher Wiederholung auf schwacher empirischer Grundlage. Angeblich ist das Klassikpublikum überaltert. Aber wann je haben in der Geschichte des bürgerlichen Konzerts die Fünfzehn- bis Dreißigjährigen die Säle gefüllt? Wer zwei Stunden ruhig zuhören kann, hat meist bereits ein bestimmtes Alter erreicht - und die Leute werden ja auch immer älter. In Deutschland werden heutzutage mehr klassische Konzerte veranstaltet als je zuvor in der Geschichte. Hunderte von Festivals überziehen das Land mit ihren teils hochattraktiven Angeboten: Staatliche, städtische und freie Spitzenensembles sowie eine oftmals blühende Kirchenmusik buhlen um Zuhörer. Um jedes Konzert zu füllen, müsste Deutschland eine Bevölkerungsexplosion erlebt haben. So aber wächst vor allem der Konkurrenzdruck. Würde man die absolute Zahl aller Besucher klassischer Konzerte von 1960 und heute vergleichen, würde man wohl herausfinden, dass sie stark gestiegen ist.
Die großen CD-Firmen kriseln zwar in der Tat; dafür aber schießen kleine Labels wie Pilze aus dem Boden. Die Branche erlebt einen tiefgreifenden Strukturwandel, der mit dem sich verändernden Repertoire der Musiker zu erklären ist: Nicht mehr die großen Werke des klassischen Kanons bestimmen heute allein die Konzertprogramme, sondern hochspezialisierte Ensembles werben mit teils entlegenen und dennoch hochinteressanten Werken um Aufmerksamkeit. Sie sind bei den kleinen Plattenproduzenten viel besser aufgehoben als bei den großen Konzernen.
Richtig ist gewiss Daniel Hopes Bemerkung, manch einem käme das klassische Konzert mit seiner stereotypen Programmfolge und seinen Riten "altmodisch und verstaubt" vor. Aber auch hier ändert sich vieles mit atemberaubender Geschwindigkeit. Große Orchester laden zu "Konzerten ohne Frack" oder "After Work Lounges" ein, Musikfeste veranstalten "Sonnenaufgangskonzerte" morgens um sieben; Familienkonzerte am Sonntagvormittag werden überrannt; Gesprächskonzerte sind ungeheuer populär, Konzerteinführungen erleben einen ungeahnten Boom. Die Angebote der Chöre und Orchester an die Schulen sind inzwischen so reichhaltig, dass manch ein Lehrer erschöpft aufseufzt. Der Frack freilich ist immer seltener zu sehen; in die Konzerte der Ensembles für Alte und Neue Musik (auch sie Kinder von Achtundsechzig) hatte er ohnehin nie Einzug gehalten.
Was die Ordnung des Konzertprogramms betrifft, so ist die Pause nach dem Solokonzert und vor der Symphonie schon lange nicht mehr sakrosankt. Die überraschendsten Programmkonstellationen sind inzwischen denkbar, Crossover inbegriffen. Was verlorengeht, ist das klassische Konzert als Gottesdienst der Kunstreligion. Man muss diesen Verlust nicht beklagen, und fromme Menschen mögen sich freuen, dass das religiöse Empfinden nun wieder dorthin zurückkehren kann, wo es hingehört: in die Kirche. Alles zusammengenommen, besteht zum Runzeln der Stirn kein Anlass.
Inmitten dieses von Vitalität zeugenden Umbruchs wirkt Daniel Hopes freundliches kleines Buch weniger wie eine dringend benötigte Medizin, sondern eher wie ein Indiz für den sich quasi von selbst vollziehenden Wandel des klassischen Musikbetriebs.
MICHAEL GASSMANN
Daniel Hope: "Wann darf ich klatschen?". Ein Wegweiser für Konzertgänger. Mit Zeichnungen von Christina Thrän. Rowohlt Verlag, Reinbek 2009. 256 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Michael Gassmann nimmt Daniel Hopes "Wegweiser für Konzertgänger" freundlich auf. Er würdigt das Buch als "geradlinige Einführung in das Wesen und die Riten des klassischen Konzertbetriebs". Auf sympathische und humorvolle Art erfährt der Leser in seinen Augen das Wichtigste zu musikgeschichtlichen Epochen, zur Kleiderordnung auf der Bühne und im Saal, zum Seelenleben eines Orchesters, zum Verhältnis von Dirigent und Solist, zur Frage des Lampenfiebers oder zu den Bräuchen des Verbeugens und Beklatschens. Der Prämisse des Buchs, das Interesse an Klassik habe spürbar nachgelassen, kann der Rezensent allerdings nicht zustimmen. Nichtsdestoweniger attestiert er dem Buch, einen guten Zugang zur klassischen Musik zu bieten, und hofft, es möge jene Leser erreichen, an die es sich richtet.
© Perlentaucher Medien GmbH
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