»Schröders imposantes Pionierwerk lässt hoffen, dass uns die Wissenschaft helfen kann, die Lebenskunst der Zufriedenheit besser zu meistern.« Psychologie heute über »Wann sind wir wirklich zufrieden?«
Überraschenderweise arbeiten viele Frauen gerne in Teilzeit und möchten sich stärker für ihre Familie engagieren. Sie fühlen sich dabei jedoch nicht benachteiligt, sondern ganz im Gegenteil anerkannt und zufrieden. Beruflich können Frauen genauso erfolgreich sein wie Männer. Sie wollen aber oft etwas anderes. Diese klare Sprache sprechen die Zahlen des Sozio-oekonomischen Panels und der Beziehungsstudie pairfam, die Martin Schröder ausgewertet hat. Im Gegensatz dazu proklamiert der Feminismus - der zweifellos viel für weibliche Lebensentwürfe errungen hat - Ungerechtigkeiten und Benachteiligungen auch dort, wo die Daten eindeutig etwas anderes zeigen: Frauen leben längst, wie es ihnen gefällt. Sie wählen ihre Lebensentwürfe selbst und müssen sich dafür vor niemandem rechtfertigen.
Überraschenderweise arbeiten viele Frauen gerne in Teilzeit und möchten sich stärker für ihre Familie engagieren. Sie fühlen sich dabei jedoch nicht benachteiligt, sondern ganz im Gegenteil anerkannt und zufrieden. Beruflich können Frauen genauso erfolgreich sein wie Männer. Sie wollen aber oft etwas anderes. Diese klare Sprache sprechen die Zahlen des Sozio-oekonomischen Panels und der Beziehungsstudie pairfam, die Martin Schröder ausgewertet hat. Im Gegensatz dazu proklamiert der Feminismus - der zweifellos viel für weibliche Lebensentwürfe errungen hat - Ungerechtigkeiten und Benachteiligungen auch dort, wo die Daten eindeutig etwas anderes zeigen: Frauen leben längst, wie es ihnen gefällt. Sie wählen ihre Lebensentwürfe selbst und müssen sich dafür vor niemandem rechtfertigen.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Aurelie von Blazekovic ist schwer enttäuscht vom Buch des Soziologen Martin Schröder. Über die Zufriedenheit der Frauen scheint der Mann alles zu wissen, stellt die Rezensentin verärgert fest. Unverschämt findet sie nicht nur, wie unkritisch sich Schröder auf Statistiken verlässt, um zu beweisen, dass es Frauen super geht, auch Prämissen wie: Der moderne Feminismus stelle Frauen als "chronische Opfer" dar, bringen Blazekovic auf die Palme. Der Autor klärt nicht auf, sondern zeigt sich eher desinteressiert an der komplexen Thematik und manchmal sogar offen misogyn, schimpft die Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.03.2023Ihr wollt es
doch auch
Der Soziologieprofessor Martin Schröder
hat ein infames Buch geschrieben,
das nur angeblich von der Zufriedenheit
der Frauen handelt
VON AURELIE VON BLAZEKOVIC
Früher nannte man es: Sich dumm stellen. Jetzt kursiert im feministischen Diskurs der sozialen Medien das Schlagwort „weaponized incompetence“, strategische Inkompetenz. Gemeint sind Situationen einer Paarbeziehung, in denen ein Mann, so die Unterstellung, so tut, als wisse er nicht, wie man die Teller richtig abspült oder wo die Staubsaugerbeutel sind. Gezielte Hilflosigkeit, um ungeliebte Tätigkeiten auf die Partnerin abzuwälzen. Nun scheint dieses Verhalten vielen Menschen bekannt vorzukommen, der entsprechende Hashtag auf Tiktok wurde knapp 70 Millionen mal aufgerufen.
Sich dumm stellen ist auch im medialen Diskurs erfolgversprechend. Wer in Talkshows eingeladen werden möchte oder einen Vorabdruck seines Buchs in einem Leitmedium platziert sehen will, der hat einen klaren Vorteil, wenn er – am besten zu einem Thema, das die Gemüter draußen erhitzt – möglichst markig daherkommt, also ausschließlich auf die dümmsten Argumente der Gegenseite abzielt, egal wie uralt und abseitig sie sind. Und einen weiteren Medienmarktwertschub erhält, wer über seine Meinung noch das Deckmäntelchen der Sachlichkeit legt.
Der Soziologie-Professor Martin Schröder versteht sich darauf gerade sehr gut. Beim Bertelsmann-Verlag erscheint sein Buch „Wann sind Frauen wirklich zufrieden?“. Es ist, man muss es so hart sagen, von beeindruckender Schamlosigkeit.
Zunächst verspricht Schröder, Professor an der Universität des Saarlandes, „überraschende Erkenntnisse zu Partnerschaft, Karriere, Kindern, Haushalt“, „basierend auf der größten Langzeitstudie mit über 700 000 Befragungen“. Er bezieht sich auf die quantitativen Zahlen des Sozio-oekonomischen Panels des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und der Beziehungsstudie Pairfam, eines Kooperationsprojekts der Universität Bremen, der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der Universität zu Köln und der LMU München. Echte Fakten also. Und die Fragen, die Schröder aufwirft, sind tatsächlich hochspannend.
Wollen Frauen, was sie sich wünschen? Verbringen sie mehr Zeit mit ihren Kindern? Arbeiten sie in Jobs mit geringeren Löhnen? Kümmern sich mehr um den Haushalt, weil es bei aller Emanzipation ihren tiefsten Wünschen entspricht? Weil es erlernt ist? Weil es sonst keiner tut? In welchen Lebensverhältnissen sind sie zufrieden? Macht Gleichberechtigung glücklich?
Mit der quantitativen Forschung ist es so: Sie kann repräsentativ messen, aber sie misst genau, was sie misst, nichts anderes. Im Fall der Beziehungsstudie Pairfam wird beispielsweise ermittelt, wie sehr Frauen und Männer der Aussage zustimmen: „In unserer Partnerschaft kann ich ohne größere Einschränkungen machen, was ich will.“ Da stimmen dann 28 Prozent der Frauen „voll und ganz“ zu und zwölf Prozent der Männer.
In jedem sozialwissenschaftlichen Bachelorstudium wird man davor gewarnt, aus solchen Zahlen zu viel abzuleiten – etwa darüber, wie das Leben oder der Mensch wirklich ist. Keine seriöse Studie verschweigt deshalb die Grenzen ihrer Aussagekraft. Schröder dagegen scheut sich nicht, vorgeblich aus den Daten, zu schließen: „dass die Emanzipation im Wesentlichen abgeschlossen ist, da es Frauen und Männern gleich gut geht“.
Schröder treibt in Wirklichkeit, das merkt man bald, der Feminismus um, beziehungsweise sein Zerrbild davon: „Zuletzt bewerten wir das Leben von Frauen auch deswegen zu trübselig“, schreibt er, „weil ein ,illiberaler Feminismus‘ Frauen als chronische Opfer präsentiert“. Es mache jedoch in Deutschland „keinen Sinn mehr“, „Frauen weiterhin einen gesonderten Opferstatus einzuräumen“. Abhilfe möchte er schaffen, indem er zu beweisen versucht, dass es den Frauen eigentlich bestens geht. Dass die grundsätzliche Zufriedenheit von Frauen bislang überhaupt nicht das Thema war, an dem der Feminismus laborierte, eher schlechtere Löhne und Renten und die erhöhte Gefahr, von seinem Partner ermordet zu werden – das kümmert Schröder nicht.
Er behauptet, kühl zu messen, und nicht bloß zu moralisieren: „Also for the record: Die Welt sollte besser werden. Bin ich auch dafür. Finde ich sogar richtig gut. So, ist das erledigt.“ Einverstanden. Aber ebenso ungeduldig hat er sich offensichtlich auch mit seiner Frage nach der Zufriedenheit von Frauen beschäftigt.
Allzu vieles ist in diesem Buch verdächtig unstimmig. Ein Beispiel: Studien zeigen tatsächlich, dass Frauen und Männer sagen, sie seien ungefähr gleich zufrieden. Die Lebenszufriedenheit unterscheidet sich zwischen Ländern, aber wenig zwischen Geschlechtern.
In Mexiko etwa ist sie höher als in Deutschland – wäre Schröders Rat an die mexikanische Regierung, sie solle das Problem mit den rund 30 000 Tötungsdelikten pro Jahr ignorieren? Gar keine Daten und auch keine ernsthafte theoretische Auseinandersetzung finden sich dann zu den offenbaren Gegnern des Autors: den Feministinnen und den Gender Studies.
Bewertet denn wirklich eine Mehrheit das Leben von Frauen als trübselig? Präsentiert der moderne Feminismus Frauen wirklich „als chronische Opfer“? Oder kann sich hier jemand schlicht nicht vorstellen, dass man wissen kann, dass einem das Dasein als Frau gewisse Nachteile einbringt – und man es gleichzeitig für nichts auf der Welt eintauschen würde?
Schröder zeigt mit Daten, dass es stimmt, dass Frauen mit dem Übermaß an Haushaltsarbeit, das sie verrichten, unzufrieden sind – und setzt dem freihändig entgegen, sie würden dafür aber auch den Ton in Beziehungen angeben und etwa überwiegend die Finanzen kontrollieren. Das kann man für überraschend halten, wenn man noch nie gehört hat, wie ein Mann seine Frau in Wirtshausumgebung „die Regierung“ nennt. Aber was bringt der Regierung ihre Finanzkontrolle nach der Scheidung, in der Rente?
Und wie kommt Schröder, unter weitgehender Ignoranz relevanter Literatur, auf die Idee, mit seinem Ziel einer „Gleichberechtigung, die Menschen wirklich hilft“, würde er etwas Neues beitragen? Das Menschenbild der Gender Studies sei „schwierig“, schreibt er, ohne zu erläutern, wie dieses Menschenbild genau aussieht, und seit wann sich ein ganzes wissenschaftliches Feld auf ein Menschenbild einigt. Stattdessen feixt er über Alice-Schwarzer-Sätze aus den Siebzigern und stellt fest, der Feminismus sei „nun“ illiberal geworden. Schröder hinkt dem Stand der Feminismus-Kritik mehrere Jahrzehnte hinterher.
Von der „in feministischen Kreisen bekannten Leeds Revolutionary Feminist Group“ berichtet er, ohne zu erwähnen, dass diese radikale lesbische Gruppierung in den späten Siebzigern in Erscheinung trat und nie auch nur irgendeine Mehrheit vertrat. Er braucht die Gruppe natürlich bloß als Steilvorlage: Sex zwischen Mann und Frau beschrieben die Radikalfeministinnen einst als System der Unterdrückung, als Kolonisieren des Inneren des Körpers.
Schröder resümiert dazu unverhohlen misogyn: „Ich weiß zum Glück nicht, was für Sex die Verfasserinnen dieser Zeilen bisher so hatten. Doch wem Sex Selbstvertrauen und Kraft entzieht, sollte vielleicht keiner feministischen Gruppe beitreten, sondern sich einen besseren Sexpartner oder gleich eine Therapeutin suchen.“
„Verrückt daran ist“, schreibt Schröder, „dass früher die Kirche den Frauen Angst vor Sex machte“, heute hätten Feministinnen diese Rolle übernommen. „Warum? Fragen Sie die Feministinnen. Ich verstehe es ja auch nicht.“ Zur Frage, woher „dieser Drang“ komme, „Frauen als Opfer darzustellen“, das will Schröder ebenso nur scheinbar wissen: „Ich weiß es nicht. Ich finde es nur merkwürdig.“ Dabei wäre hier ja wieder eine wichtige Frage, der man nachgehen könnte: Was löst das Bewusstsein realer Benachteiligungen in der Psyche von Frauen aus? Ist es produktiv?
Am Ende ist es vor allem das Desinteresse des Autors an den Komplexitäten seines Themas, das dieses Buch so unverschämt macht – und so enttäuschend.
„Die Welt sollte besser werden.
Bin ich auch dafür. Finde ich sogar
richtig gut. So, ist das erledigt.“
Altersarmut? Lohnungleichheit?
Eigentlich, schreibt er,
gehe es Frauen doch bestens
Foto von lachender Frau entdeckt. Der Beweis: Alle Frauen sind glücklich. Foto: imago
Martin Schröder: Wann sind Frauen wirklich
zufrieden? Bertelsmann-Verlag, München 2023.
326 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
doch auch
Der Soziologieprofessor Martin Schröder
hat ein infames Buch geschrieben,
das nur angeblich von der Zufriedenheit
der Frauen handelt
VON AURELIE VON BLAZEKOVIC
Früher nannte man es: Sich dumm stellen. Jetzt kursiert im feministischen Diskurs der sozialen Medien das Schlagwort „weaponized incompetence“, strategische Inkompetenz. Gemeint sind Situationen einer Paarbeziehung, in denen ein Mann, so die Unterstellung, so tut, als wisse er nicht, wie man die Teller richtig abspült oder wo die Staubsaugerbeutel sind. Gezielte Hilflosigkeit, um ungeliebte Tätigkeiten auf die Partnerin abzuwälzen. Nun scheint dieses Verhalten vielen Menschen bekannt vorzukommen, der entsprechende Hashtag auf Tiktok wurde knapp 70 Millionen mal aufgerufen.
Sich dumm stellen ist auch im medialen Diskurs erfolgversprechend. Wer in Talkshows eingeladen werden möchte oder einen Vorabdruck seines Buchs in einem Leitmedium platziert sehen will, der hat einen klaren Vorteil, wenn er – am besten zu einem Thema, das die Gemüter draußen erhitzt – möglichst markig daherkommt, also ausschließlich auf die dümmsten Argumente der Gegenseite abzielt, egal wie uralt und abseitig sie sind. Und einen weiteren Medienmarktwertschub erhält, wer über seine Meinung noch das Deckmäntelchen der Sachlichkeit legt.
Der Soziologie-Professor Martin Schröder versteht sich darauf gerade sehr gut. Beim Bertelsmann-Verlag erscheint sein Buch „Wann sind Frauen wirklich zufrieden?“. Es ist, man muss es so hart sagen, von beeindruckender Schamlosigkeit.
Zunächst verspricht Schröder, Professor an der Universität des Saarlandes, „überraschende Erkenntnisse zu Partnerschaft, Karriere, Kindern, Haushalt“, „basierend auf der größten Langzeitstudie mit über 700 000 Befragungen“. Er bezieht sich auf die quantitativen Zahlen des Sozio-oekonomischen Panels des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und der Beziehungsstudie Pairfam, eines Kooperationsprojekts der Universität Bremen, der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der Universität zu Köln und der LMU München. Echte Fakten also. Und die Fragen, die Schröder aufwirft, sind tatsächlich hochspannend.
Wollen Frauen, was sie sich wünschen? Verbringen sie mehr Zeit mit ihren Kindern? Arbeiten sie in Jobs mit geringeren Löhnen? Kümmern sich mehr um den Haushalt, weil es bei aller Emanzipation ihren tiefsten Wünschen entspricht? Weil es erlernt ist? Weil es sonst keiner tut? In welchen Lebensverhältnissen sind sie zufrieden? Macht Gleichberechtigung glücklich?
Mit der quantitativen Forschung ist es so: Sie kann repräsentativ messen, aber sie misst genau, was sie misst, nichts anderes. Im Fall der Beziehungsstudie Pairfam wird beispielsweise ermittelt, wie sehr Frauen und Männer der Aussage zustimmen: „In unserer Partnerschaft kann ich ohne größere Einschränkungen machen, was ich will.“ Da stimmen dann 28 Prozent der Frauen „voll und ganz“ zu und zwölf Prozent der Männer.
In jedem sozialwissenschaftlichen Bachelorstudium wird man davor gewarnt, aus solchen Zahlen zu viel abzuleiten – etwa darüber, wie das Leben oder der Mensch wirklich ist. Keine seriöse Studie verschweigt deshalb die Grenzen ihrer Aussagekraft. Schröder dagegen scheut sich nicht, vorgeblich aus den Daten, zu schließen: „dass die Emanzipation im Wesentlichen abgeschlossen ist, da es Frauen und Männern gleich gut geht“.
Schröder treibt in Wirklichkeit, das merkt man bald, der Feminismus um, beziehungsweise sein Zerrbild davon: „Zuletzt bewerten wir das Leben von Frauen auch deswegen zu trübselig“, schreibt er, „weil ein ,illiberaler Feminismus‘ Frauen als chronische Opfer präsentiert“. Es mache jedoch in Deutschland „keinen Sinn mehr“, „Frauen weiterhin einen gesonderten Opferstatus einzuräumen“. Abhilfe möchte er schaffen, indem er zu beweisen versucht, dass es den Frauen eigentlich bestens geht. Dass die grundsätzliche Zufriedenheit von Frauen bislang überhaupt nicht das Thema war, an dem der Feminismus laborierte, eher schlechtere Löhne und Renten und die erhöhte Gefahr, von seinem Partner ermordet zu werden – das kümmert Schröder nicht.
Er behauptet, kühl zu messen, und nicht bloß zu moralisieren: „Also for the record: Die Welt sollte besser werden. Bin ich auch dafür. Finde ich sogar richtig gut. So, ist das erledigt.“ Einverstanden. Aber ebenso ungeduldig hat er sich offensichtlich auch mit seiner Frage nach der Zufriedenheit von Frauen beschäftigt.
Allzu vieles ist in diesem Buch verdächtig unstimmig. Ein Beispiel: Studien zeigen tatsächlich, dass Frauen und Männer sagen, sie seien ungefähr gleich zufrieden. Die Lebenszufriedenheit unterscheidet sich zwischen Ländern, aber wenig zwischen Geschlechtern.
In Mexiko etwa ist sie höher als in Deutschland – wäre Schröders Rat an die mexikanische Regierung, sie solle das Problem mit den rund 30 000 Tötungsdelikten pro Jahr ignorieren? Gar keine Daten und auch keine ernsthafte theoretische Auseinandersetzung finden sich dann zu den offenbaren Gegnern des Autors: den Feministinnen und den Gender Studies.
Bewertet denn wirklich eine Mehrheit das Leben von Frauen als trübselig? Präsentiert der moderne Feminismus Frauen wirklich „als chronische Opfer“? Oder kann sich hier jemand schlicht nicht vorstellen, dass man wissen kann, dass einem das Dasein als Frau gewisse Nachteile einbringt – und man es gleichzeitig für nichts auf der Welt eintauschen würde?
Schröder zeigt mit Daten, dass es stimmt, dass Frauen mit dem Übermaß an Haushaltsarbeit, das sie verrichten, unzufrieden sind – und setzt dem freihändig entgegen, sie würden dafür aber auch den Ton in Beziehungen angeben und etwa überwiegend die Finanzen kontrollieren. Das kann man für überraschend halten, wenn man noch nie gehört hat, wie ein Mann seine Frau in Wirtshausumgebung „die Regierung“ nennt. Aber was bringt der Regierung ihre Finanzkontrolle nach der Scheidung, in der Rente?
Und wie kommt Schröder, unter weitgehender Ignoranz relevanter Literatur, auf die Idee, mit seinem Ziel einer „Gleichberechtigung, die Menschen wirklich hilft“, würde er etwas Neues beitragen? Das Menschenbild der Gender Studies sei „schwierig“, schreibt er, ohne zu erläutern, wie dieses Menschenbild genau aussieht, und seit wann sich ein ganzes wissenschaftliches Feld auf ein Menschenbild einigt. Stattdessen feixt er über Alice-Schwarzer-Sätze aus den Siebzigern und stellt fest, der Feminismus sei „nun“ illiberal geworden. Schröder hinkt dem Stand der Feminismus-Kritik mehrere Jahrzehnte hinterher.
Von der „in feministischen Kreisen bekannten Leeds Revolutionary Feminist Group“ berichtet er, ohne zu erwähnen, dass diese radikale lesbische Gruppierung in den späten Siebzigern in Erscheinung trat und nie auch nur irgendeine Mehrheit vertrat. Er braucht die Gruppe natürlich bloß als Steilvorlage: Sex zwischen Mann und Frau beschrieben die Radikalfeministinnen einst als System der Unterdrückung, als Kolonisieren des Inneren des Körpers.
Schröder resümiert dazu unverhohlen misogyn: „Ich weiß zum Glück nicht, was für Sex die Verfasserinnen dieser Zeilen bisher so hatten. Doch wem Sex Selbstvertrauen und Kraft entzieht, sollte vielleicht keiner feministischen Gruppe beitreten, sondern sich einen besseren Sexpartner oder gleich eine Therapeutin suchen.“
„Verrückt daran ist“, schreibt Schröder, „dass früher die Kirche den Frauen Angst vor Sex machte“, heute hätten Feministinnen diese Rolle übernommen. „Warum? Fragen Sie die Feministinnen. Ich verstehe es ja auch nicht.“ Zur Frage, woher „dieser Drang“ komme, „Frauen als Opfer darzustellen“, das will Schröder ebenso nur scheinbar wissen: „Ich weiß es nicht. Ich finde es nur merkwürdig.“ Dabei wäre hier ja wieder eine wichtige Frage, der man nachgehen könnte: Was löst das Bewusstsein realer Benachteiligungen in der Psyche von Frauen aus? Ist es produktiv?
Am Ende ist es vor allem das Desinteresse des Autors an den Komplexitäten seines Themas, das dieses Buch so unverschämt macht – und so enttäuschend.
„Die Welt sollte besser werden.
Bin ich auch dafür. Finde ich sogar
richtig gut. So, ist das erledigt.“
Altersarmut? Lohnungleichheit?
Eigentlich, schreibt er,
gehe es Frauen doch bestens
Foto von lachender Frau entdeckt. Der Beweis: Alle Frauen sind glücklich. Foto: imago
Martin Schröder: Wann sind Frauen wirklich
zufrieden? Bertelsmann-Verlag, München 2023.
326 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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