Von der reformatorischen Bildpolitik über Goyas Gesten und die Masken der Kunst, die Jacob Burckhardt beschrieb, spannen Warnkes kulturwissenschaftliche Essays den Bogen bis zur passionierten Erinnerungsarbeit Aby Warburgs.Die kulturwissenschaftlichen Skizzen gehen von der reformatorischen Bildpolitik aus und widmen sich in ihrer skeptischen Anlage auch Goyas Gesten. Wort und Bild stehen für Martin Warnke in einem produktiven Konkurrenzverhältnis, das zentraler Bestandteil seiner politischen Ikonographie ist. Dass Jacob Burckhardt mit dem Topos, die Kunst sei eine »Verräterin«, auf subversive Art die gesellschaftliche Herrschaft befragt, um die individuelle Entfaltung zu fördern, verbindet ihn sublim mit Karl Marx. Warnke schrieb von dieser Einsicht her auch eine Kritik der Kunstgeschichte im Nationalsozialismus, die seinen Kommentaren zu den Auschwitz-Prozessen folgte. Am Ende seines kulturwissenschaftlichen Vermächtnisses stehen Überlegungen zu Aby Warburg und seiner passionierten Erinnerungsarbeit. Sie kennt keinen bruchlosen Fortschritt und ist ohne die Biographie nicht denkbar. Dies unterstrich Warnke in Reden auch für das eigene Selbstverständnis. So heißt es im Spiegel Warburgs: »Das Individuum ist nicht schon frei, sondern versucht es unter Leiden zu werden.«
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Jan van Brevern begrüßt die Wiederveröffentlichung einiger Schriften des Kunsthistorikers Martin Warnke aus den 1970er und achtziger Jahren. Warnkes an Panofsky und Warburg orientierter kulturwissenschaftlicher Ansatz scheint dem Rezensenten nach wie vor ertragreich, weil eine Sofaecke aus wissenschaftlicher Sicht nicht weniger spannend ist wie ein Goya-Gemälde, so van Brevern. Warnkes "aufklärerischer Witz" und sein progressives Renegatentum ist laut Rezensent in den versammelten Texten zu entdecken. Dass die Edition ohne die Abbildungen der Erstveröffentlichungen erscheint, ist für van Brevern allerdings unverzeihlich. Manche Texte im Band sind ohne die Bilder, auf die sich beziehen, nahezu unverständlich, findet er.
© Perlentaucher Medien GmbH
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