Joy, 19, vermietet ihren Körper für zehn Euro pro Kunde in Wien: Sie muss 45.000 Euro an die Frauenhandels-Mafia abzahlen. Blessing, 24, hat die Prostitution verweigert, nun wurde ihr Bruder zu Hause niedergeschossen. Florence, 22, hat in einem monatelangen Marsch zu Fuß die Wüste durchquert und endet am Rand einer Ausfallstraße. Drei von 40.000 Frauen aus Nigeria, die in Europa als Zwangsprostituierte auf der Straße stehen: bestellt, verkauft, ausgeliefert.Mary Kreutzer und Corinna Milborn liefern nicht nur einen fundierten Bericht über Frauenhandel sie sind auch Dutzenden solcher Schicksale nachgegangen. Gemeinsam mit Joana Adesuwa Reiterer aus Nigeria, die Betroffene berät, berichten sie aus dem Alltag afrikanischer Zwangsprostituierter in Wien, Frankfurt, Berlin. Ihre Recherchen führten sie bis nach Lagos und in nigerianische Dörfer, wo junge Frauen mit falschen Versprechungen nach Europa gelockt werden und ganze Familien von ihren Geldsendungen abhängen. In riskanten Undercover-Recherchen und Gesprächen mit Menschenhändlern decken sie die Methoden der Frauenhändler auf, gehen der Rolle von Polizei und Behörden nach und sprechen mit den Freiern in Europa.Ein packender und einfühlsamer Bericht über Ausbeutung, Rassismus und die Hintergründe des größten kriminellen Wirtschaftszweiges der Welt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.06.2008Moderne Sklaverei
Es lernt, wer "Ware Frau" liest, weshalb kaum ein Verbrechen der Welt höhere Zuwachsraten verzeichnet als Frauenhandel. Mary Kreutzer und Corinna Milborn porträtieren ein perfides "System von Zwängen". Acht junge Frauen aus Nigeria werden vorgestellt: In ihrer Heimat wird den Töchtern mittelloser Familien die Reise nach Europa angeboten. Dort dürften sie studieren oder arbeiten, wird ihnen in Aussicht gestellt. Wer jedoch am Ziel ankommt, den erwartet eine Clique nigerianischer Menschenhändler und Zuhälterinnen, die bis zu 100 000 Euro an "Reisekosten" einfordern. Die zentrale Frage, wie sich die Täter in Europas Rechtsstaaten zu schützen und weshalb ihre Opfer sich nicht zu wehren imstande sind, wissen die Autorinnen hinreichend zu beantworten: Noch in Nigeria werden die auszubeutenden Frauen von korrupten Voodoo-Priestern eingeschüchtert, die bei Aufbegehren der gläubigen Opfer Krankheit und Tod prophezeihen; ihre Verwandten werden in der Heimat misshandelt, wenn sich die Geschleusten in Europa verweigern; sie selbst erfahren die Brutalität ehemaliger Zwangsprostituierter, die sich, von den Torturen traumatisiert, zu "Madames" genannten Zuhälterinnen gewandelt haben; und sich trotz all der Drohungen im fremden Land der Polizei anzuvertrauen hieße für die illegal Eingewanderten in den meisten Fällen, nach Prozessende in die Heimat abgeschoben zu werden. Dieserart mundtot gemacht, schützen die Opfer ihre Peiniger. (Mary Kreutzer/Corinna Milborn: Ware Frau. Auf den Spuren moderner Sklaverei von Afrika nach Europa. Ecowin Verlag, Salzburg 2008. 234 S., 19,95 [Euro].)
MARTIN WITTMANN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Es lernt, wer "Ware Frau" liest, weshalb kaum ein Verbrechen der Welt höhere Zuwachsraten verzeichnet als Frauenhandel. Mary Kreutzer und Corinna Milborn porträtieren ein perfides "System von Zwängen". Acht junge Frauen aus Nigeria werden vorgestellt: In ihrer Heimat wird den Töchtern mittelloser Familien die Reise nach Europa angeboten. Dort dürften sie studieren oder arbeiten, wird ihnen in Aussicht gestellt. Wer jedoch am Ziel ankommt, den erwartet eine Clique nigerianischer Menschenhändler und Zuhälterinnen, die bis zu 100 000 Euro an "Reisekosten" einfordern. Die zentrale Frage, wie sich die Täter in Europas Rechtsstaaten zu schützen und weshalb ihre Opfer sich nicht zu wehren imstande sind, wissen die Autorinnen hinreichend zu beantworten: Noch in Nigeria werden die auszubeutenden Frauen von korrupten Voodoo-Priestern eingeschüchtert, die bei Aufbegehren der gläubigen Opfer Krankheit und Tod prophezeihen; ihre Verwandten werden in der Heimat misshandelt, wenn sich die Geschleusten in Europa verweigern; sie selbst erfahren die Brutalität ehemaliger Zwangsprostituierter, die sich, von den Torturen traumatisiert, zu "Madames" genannten Zuhälterinnen gewandelt haben; und sich trotz all der Drohungen im fremden Land der Polizei anzuvertrauen hieße für die illegal Eingewanderten in den meisten Fällen, nach Prozessende in die Heimat abgeschoben zu werden. Dieserart mundtot gemacht, schützen die Opfer ihre Peiniger. (Mary Kreutzer/Corinna Milborn: Ware Frau. Auf den Spuren moderner Sklaverei von Afrika nach Europa. Ecowin Verlag, Salzburg 2008. 234 S., 19,95 [Euro].)
MARTIN WITTMANN
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Anke Schwarzer hat schockierende Berichte über acht Frauen gelesen, die als Zwangsprostituierte von Nigeria nach Europa verkauft wurden. Das Buch erzähle "facettenreich" vom komplexen System des Frauenhandels, beleuchte Details und Abhängigkeiten und stelle vor allem den Anspruch, die Ursachen nicht nur in Afrika, sondern auch in Europa zu suchen. Am Beispiel der Gründerin von "Exit", einem Verein, der aufklären und aufrütteln will, ergibt sich ein Bild, das fassungslos macht: Nach Wien verkauft, wurde Joana Adesuwa Reiterer schnell klar, dass ihr Ehemann sie als sogenannte "Madame" ausnutzen wollte. Sie floh. "Madames" sind ehemalige Zwangsprostituierte, die nun Zuhälterinnen geworden sind. Sie bilden den Großteil der Menschenhändler, die zwischen Afrika und Europa agieren. Doch nicht nur Prostitution und Frauenhandel sieht Schwarzer dokumentiert, sondern auch die "patriarchalische Gewalt", die die Frauen zu ertragen haben.
© Perlentaucher Medien GmbH
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