Die definitive Biographie
Andy Warhol ist der bekannteste Künstler der Pop-Art. Seine knallbunten Bildserien von Suppendosen, Bananen oder Hollywood-Stars wie Marilyn Monroe sind bis heute stilprägend, die Gemeinde aus Musen, Celebritys, Drag Queens und Intellektuellen, mit denen er sich in seiner New Yorker »Factory« umgab, ist legendär. In seiner monumentalen Biografie taucht Blake Gopnik tief in das Leben dieser ebenso radikalen wie rätselhaften Kunstfigur ein. Eindrucksvoll zeigt er, wie Warhol nicht nur in seinem Werk die Trennung zwischen Kunst und Leben auflöste und dadurch die Kunstwelt ebenso nachhaltig faszinierte wie revolutionierte. Eine akribisch recherchierte und umfassende Biographie einer der schillerndsten Gestalten des 20. Jahrhunderts. Mit zahlreichen Abbildungen.
Ausstattung: mit zahlreichen Abbildungen
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Andy Warhol ist der bekannteste Künstler der Pop-Art. Seine knallbunten Bildserien von Suppendosen, Bananen oder Hollywood-Stars wie Marilyn Monroe sind bis heute stilprägend, die Gemeinde aus Musen, Celebritys, Drag Queens und Intellektuellen, mit denen er sich in seiner New Yorker »Factory« umgab, ist legendär. In seiner monumentalen Biografie taucht Blake Gopnik tief in das Leben dieser ebenso radikalen wie rätselhaften Kunstfigur ein. Eindrucksvoll zeigt er, wie Warhol nicht nur in seinem Werk die Trennung zwischen Kunst und Leben auflöste und dadurch die Kunstwelt ebenso nachhaltig faszinierte wie revolutionierte. Eine akribisch recherchierte und umfassende Biographie einer der schillerndsten Gestalten des 20. Jahrhunderts. Mit zahlreichen Abbildungen.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
In einer kurzen, hochlobenden Besprechung dieses mehr als tausendseitigen Werks würdigt Juliane Liebert sowohl Andy Warhol als auch seinen Biografen Blake Gopnik. Zunächst geht sie darauf ein, dass die Pittsburgher Polizei 1948 eine eigene Moral-Einheit gegen die Homosexuellen der Stadt einsetzte, im Prinzip eine kleine Geldmaschine der Erpressung, und betont, dies sei die Stadt gewesen, aus der Warhol nach New York geflohen sei. Am besten hat ihr insgesamt die Klischeelosigkeit gefallen, mit der Warhol hier als "eigenwilliger Mensch und Künstler" dargestellt wird - und daher erfahren wir hier auch vieles aus den vielen Jahren des Scheiterns, bevor aus Warhol schließlich Warhol wurde. "Leicht und brillant geschrieben" urteilt sie.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.02.2021Der Altmeister der Suppendose
Steht er nun wirklich als Star neben Picasso? Der Kunstkritiker Blake Gopnik legt eine akribisch recherchierte Biographie von Andy Warhol vor.
Über keinen anderen Künstler des zwanzigsten Jahrhunderts ist so viel geschrieben worden wie über Andrew Warhola, der sich seit Anfang der sechziger Jahre Andy Warhol nannte; mit einer Ausnahme wohl, Pablo Picasso. Nun hat der amerikanische Kunstkritiker Blake Gopnik dieser Bibliothek ein weiteres Werk hinzugefügt, das schlicht "Warhol. Ein Leben als Kunst" heißt. Weniger schlicht ist der Umfang dieser Recherche, mehr als tausendzweihundert eng bedruckte Seiten einer akribischen Durchforstung der Vita des "Superstars". Gopnik hat dafür zweihundertsechzig nähere und fernere Zeugen interviewt, rund hunderttausend Zeitdokumente eingesehen. Der Anhang des gewichtigen Bands verweist auf die Quellen, die Angaben zu den Zitaten und weiteren Belegen, die als Endnoten auf der Website des Verlags einsehbar sind und dort weitere siebenhundert Seiten füllen.
Hilfreich bei der Lektüre dieser Biographie ist ihr klassischer Aufbau, fünfzig chronologisch angeordnete Kapitel. Gopnik rekonstruiert verdienstvoll ausführlich auch die frühen Jahre: Es kommt die prekäre Kindheit des schon sehr speziellen kleinen Andrew in den Blick, der 1928 als jüngster von drei Söhnen russinischer Einwanderer in Pittsburgh geboren wurde. Es geht um die Zeit seines Kunststudiums am Carnegie Institute of Technology in Pittsburgh, um Warhols Ringen um seine sexuelle Identität, seine Queerness, die ihm lebenslang als Obsession, als Melancholie bleibt, trotz all seiner Liebhaber nicht im befreiten Ausleben. Erst sehr spät wird er sich, das ist bekannt, offen zu seiner Homosexualität bekennen. Im Kern geht es um Warhols ständige Neuerfindung seiner selbst, nicht nur im Rückgriff auf die eigene, flackernde Produktionsenergie, sondern auch durch die Inspiration, die er sich bei anderen holte. Es geht um die diversen Felder, auf denen er agierte: Malerei, Siebdruck, Fotografie, Film; um Musik in der Arbeit mit der Kultband "Velvet Underground"; um die Generierung seiner "Superstars", wie etwa Edie Sedgewick, in deren Erscheinung er definitiv vernarrt war; außerdem und zentral um die Arbeit am eigenen öffentlichen Image, umgeben von den wechselnden Sippen seiner "Factory" an verschiedenen Orten, am berühmtesten darunter die "Silver Factory".
Wenn ihm die Ideen ausgingen, schreibt Gopnik, soll er sich gern bei anderen bedient haben. So im Fall der heroischen "Campbell's"-Suppendosen: Angeblich gegen einen Scheck über fünfzig Dollar habe ihm die Kunsthändlerin Muriel Latow geraten, er müsse etwas finden, was jeder kenne - "etwas wie eine Suppendose von Campbell" eben. Warhol seinerseits zog es vor, seine Mutter für die geniale Idee ins Spiel zu bringen, und erklärte gelegentlich, seine Lieblingssorte sei die mit Schildkrötengeschmack, "aber ich muss der Einzige gewesen sein, der sie gekauft hat, denn sie wurde nicht mehr hergestellt". Als eine mögliche Quelle für die "Dollar"-Bilder etwa zur gleichen Zeit macht Gopnik die Arbeiten mit aneinandergereihten alltäglichen Drucksachen der griechisch-amerikanischen Künstlerin Chryssa aus, die damals in New York gerade Erfolg hatten. Solche erhellenden Mitteilungen finden sich in großer Zahl im Buch.
Selbst an Warhols eigentlicher Urheberschaft am unzerstörbaren Spruch "In Zukunft wird jeder für fünfzehn Minuten weltberühmt sein" meldet Gopnik Zweifel an mit dem Verweis darauf, dass er sich verbreitete, weil er so im Katalog zur ersten großen Warhol-"Retrospektive" in Stockholms Moderna Museet 1968 abgedruckt war. Im Ganzen führt ihn das zu der Einschätzung: "Man könnte sagen, dass dieses Aufsaugen eines von Warhols Markenzeichen war, mit dem er sich einmal mehr dem Prinzip der Urheberschaft und der damit einhergehenden Originalität verweigerte - eine Geste, die einen seiner schockierendsten und zugleich originellsten Beiträge zur Kunst darstellt." Dabei identifiziert Gopnik als "ärgsten Widersacher" - aus Warhols eigener Perspektive - tatsächlich an einer Stelle Picasso, weil "der offiziell als größter lebender Künstler galt".
Das Buch ist keine kunsthistorische Erkundung oder Einordnung im eigentlichen Sinn, die sich auf Spuren früherer Künstler im Schaffen Warhols einließe. Vielmehr ist es eine mit Intuition und unerhörtem Fleiß - sieben Jahre hat Gopnik daran gearbeitet - zusammengesetzte Ansammlung von bisher teils noch nicht gesichtetem oder jedenfalls nicht publiziertem Material. Dessen intelligente, nie langweilige Anordnung macht die Biographie zur über weite Strecken unterhaltsamen Lektüre. Tiefergehender Deutungen enthält sich der Autor weitgehend. Zu nennen wäre hier zumal die Ästhetik von Warhols frühen Zeichnungen aus den Fünfzigern, die offensichtlich an die europäische Moderne anknüpfen. Das wird sogar in den Arbeiten sichtbar, die seine erfolgreiche Phase als Werbegraphiker kennzeichnen. Erstaunlich ist da schon, dass der Name Henri Matisse, als ein Vorbild, gar nicht erst fällt; nur ein Mal der seines Sohnes Pierre Matisse, weil der in seiner New Yorker Galerie eine Ausstellung Jean Dubuffets zeigte. Ebenso wenig finden die ersten europäischen, zumal deutschen Sammler von Warhols Werken Erwähnung. Einzig der Galerist und Händler Rudolf Zwirner, der früh Warhol kaufte, kommt vor. Es wäre lesenswert gewesen, wie ein amerikanischer Kunsthistoriker diesen gelegentlich diagnostizierten Umweg des wirklichen "King of Pop" über das alte Europa einschätzt.
In jeder Hinsicht erschöpfend, setzt diese Biographie allein der Materialfülle wegen Maßstäbe für einige Zeit. Gopnik bleibt hart auf seiner Fährte der Rekonstruktion von Andy Warhols Leben, mit jedem kleinsten Schnipsel, den er dazu finden und auswerten kann. Der "Markenname" Warhol lässt sich aber nicht in die bündige Geschichte über einen Superstar ohne Eigenschaften packen. Deshalb kann Gopnik keine zweite großen Künstler-Erzählung des zwanzigsten Jahrhunderts gelingen - nach den (bisher) drei Bänden von John Richardsons monumentaler Picasso-Biographie. Richardson schöpfte dafür zudem aus persönlichen Begegnungen, während Gopnik auf die Eindrücke und Erinnerungen von Zeitgenossen Warhols setzen muss. Das macht er mit einigem Geschick, mitunter Ironie und ohne Scheu vor dem nötigen Gossip und vor Wiederholungen, darin durchaus auf einer Linie mit seinem Protagonisten.
Ganz am Ende heißt es dann: "Die kritische Skepsis, mit der sich Warhol zeitlebens auseinandersetzen musste, ist seit seinem Tod verflogen. Es sieht immer mehr danach aus, als hätte Warhol sogar Picasso als wichtigsten und einflussreichsten Künstler des zwanzigsten Jahrhunderts abgelöst. Oder zumindest teilen sich nun beide diese Position auf dem Gipfel des Parnass, neben Michelangelo, Rembrandt und den anderen Genies." Das ist erstens fragwürdig, weil es Kritik an Warhols Schaffen weiterhin gibt, und zweitens einigermaßen gewagt, allein schon im freizügigen Umgang mit dem Genie-Begriff. Kleine Pointe dazu: Bei der Trauerfeier für Warhol am 1. April 1987 in der New Yorker St. Patrick's Cathedral hielt, neben Yoko Ono, John Richardson die Gedenkrede. Es bleibt die an sich müßige Überlegung, ob der Person, die sich Andy Warhol nannte, Blake Gopniks Anstrengung gefallen haben würde. So viel Spürsinn wohl eher doch nicht. So viel Aufwand um ihn, das bestimmt schon eher. Und trotzdem bleibt er ein Rätsel, nicht zu fassen.
ROSE-MARIA GROPP
Blake Gopnik: "Warhol". Ein Leben als Kunst. Die Biografie.
Aus dem Englischen
von M. Fleißig u.a.
C. Bertelsmann Verlag, München 2021. 1232 S., Abb., geb., 48,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Steht er nun wirklich als Star neben Picasso? Der Kunstkritiker Blake Gopnik legt eine akribisch recherchierte Biographie von Andy Warhol vor.
Über keinen anderen Künstler des zwanzigsten Jahrhunderts ist so viel geschrieben worden wie über Andrew Warhola, der sich seit Anfang der sechziger Jahre Andy Warhol nannte; mit einer Ausnahme wohl, Pablo Picasso. Nun hat der amerikanische Kunstkritiker Blake Gopnik dieser Bibliothek ein weiteres Werk hinzugefügt, das schlicht "Warhol. Ein Leben als Kunst" heißt. Weniger schlicht ist der Umfang dieser Recherche, mehr als tausendzweihundert eng bedruckte Seiten einer akribischen Durchforstung der Vita des "Superstars". Gopnik hat dafür zweihundertsechzig nähere und fernere Zeugen interviewt, rund hunderttausend Zeitdokumente eingesehen. Der Anhang des gewichtigen Bands verweist auf die Quellen, die Angaben zu den Zitaten und weiteren Belegen, die als Endnoten auf der Website des Verlags einsehbar sind und dort weitere siebenhundert Seiten füllen.
Hilfreich bei der Lektüre dieser Biographie ist ihr klassischer Aufbau, fünfzig chronologisch angeordnete Kapitel. Gopnik rekonstruiert verdienstvoll ausführlich auch die frühen Jahre: Es kommt die prekäre Kindheit des schon sehr speziellen kleinen Andrew in den Blick, der 1928 als jüngster von drei Söhnen russinischer Einwanderer in Pittsburgh geboren wurde. Es geht um die Zeit seines Kunststudiums am Carnegie Institute of Technology in Pittsburgh, um Warhols Ringen um seine sexuelle Identität, seine Queerness, die ihm lebenslang als Obsession, als Melancholie bleibt, trotz all seiner Liebhaber nicht im befreiten Ausleben. Erst sehr spät wird er sich, das ist bekannt, offen zu seiner Homosexualität bekennen. Im Kern geht es um Warhols ständige Neuerfindung seiner selbst, nicht nur im Rückgriff auf die eigene, flackernde Produktionsenergie, sondern auch durch die Inspiration, die er sich bei anderen holte. Es geht um die diversen Felder, auf denen er agierte: Malerei, Siebdruck, Fotografie, Film; um Musik in der Arbeit mit der Kultband "Velvet Underground"; um die Generierung seiner "Superstars", wie etwa Edie Sedgewick, in deren Erscheinung er definitiv vernarrt war; außerdem und zentral um die Arbeit am eigenen öffentlichen Image, umgeben von den wechselnden Sippen seiner "Factory" an verschiedenen Orten, am berühmtesten darunter die "Silver Factory".
Wenn ihm die Ideen ausgingen, schreibt Gopnik, soll er sich gern bei anderen bedient haben. So im Fall der heroischen "Campbell's"-Suppendosen: Angeblich gegen einen Scheck über fünfzig Dollar habe ihm die Kunsthändlerin Muriel Latow geraten, er müsse etwas finden, was jeder kenne - "etwas wie eine Suppendose von Campbell" eben. Warhol seinerseits zog es vor, seine Mutter für die geniale Idee ins Spiel zu bringen, und erklärte gelegentlich, seine Lieblingssorte sei die mit Schildkrötengeschmack, "aber ich muss der Einzige gewesen sein, der sie gekauft hat, denn sie wurde nicht mehr hergestellt". Als eine mögliche Quelle für die "Dollar"-Bilder etwa zur gleichen Zeit macht Gopnik die Arbeiten mit aneinandergereihten alltäglichen Drucksachen der griechisch-amerikanischen Künstlerin Chryssa aus, die damals in New York gerade Erfolg hatten. Solche erhellenden Mitteilungen finden sich in großer Zahl im Buch.
Selbst an Warhols eigentlicher Urheberschaft am unzerstörbaren Spruch "In Zukunft wird jeder für fünfzehn Minuten weltberühmt sein" meldet Gopnik Zweifel an mit dem Verweis darauf, dass er sich verbreitete, weil er so im Katalog zur ersten großen Warhol-"Retrospektive" in Stockholms Moderna Museet 1968 abgedruckt war. Im Ganzen führt ihn das zu der Einschätzung: "Man könnte sagen, dass dieses Aufsaugen eines von Warhols Markenzeichen war, mit dem er sich einmal mehr dem Prinzip der Urheberschaft und der damit einhergehenden Originalität verweigerte - eine Geste, die einen seiner schockierendsten und zugleich originellsten Beiträge zur Kunst darstellt." Dabei identifiziert Gopnik als "ärgsten Widersacher" - aus Warhols eigener Perspektive - tatsächlich an einer Stelle Picasso, weil "der offiziell als größter lebender Künstler galt".
Das Buch ist keine kunsthistorische Erkundung oder Einordnung im eigentlichen Sinn, die sich auf Spuren früherer Künstler im Schaffen Warhols einließe. Vielmehr ist es eine mit Intuition und unerhörtem Fleiß - sieben Jahre hat Gopnik daran gearbeitet - zusammengesetzte Ansammlung von bisher teils noch nicht gesichtetem oder jedenfalls nicht publiziertem Material. Dessen intelligente, nie langweilige Anordnung macht die Biographie zur über weite Strecken unterhaltsamen Lektüre. Tiefergehender Deutungen enthält sich der Autor weitgehend. Zu nennen wäre hier zumal die Ästhetik von Warhols frühen Zeichnungen aus den Fünfzigern, die offensichtlich an die europäische Moderne anknüpfen. Das wird sogar in den Arbeiten sichtbar, die seine erfolgreiche Phase als Werbegraphiker kennzeichnen. Erstaunlich ist da schon, dass der Name Henri Matisse, als ein Vorbild, gar nicht erst fällt; nur ein Mal der seines Sohnes Pierre Matisse, weil der in seiner New Yorker Galerie eine Ausstellung Jean Dubuffets zeigte. Ebenso wenig finden die ersten europäischen, zumal deutschen Sammler von Warhols Werken Erwähnung. Einzig der Galerist und Händler Rudolf Zwirner, der früh Warhol kaufte, kommt vor. Es wäre lesenswert gewesen, wie ein amerikanischer Kunsthistoriker diesen gelegentlich diagnostizierten Umweg des wirklichen "King of Pop" über das alte Europa einschätzt.
In jeder Hinsicht erschöpfend, setzt diese Biographie allein der Materialfülle wegen Maßstäbe für einige Zeit. Gopnik bleibt hart auf seiner Fährte der Rekonstruktion von Andy Warhols Leben, mit jedem kleinsten Schnipsel, den er dazu finden und auswerten kann. Der "Markenname" Warhol lässt sich aber nicht in die bündige Geschichte über einen Superstar ohne Eigenschaften packen. Deshalb kann Gopnik keine zweite großen Künstler-Erzählung des zwanzigsten Jahrhunderts gelingen - nach den (bisher) drei Bänden von John Richardsons monumentaler Picasso-Biographie. Richardson schöpfte dafür zudem aus persönlichen Begegnungen, während Gopnik auf die Eindrücke und Erinnerungen von Zeitgenossen Warhols setzen muss. Das macht er mit einigem Geschick, mitunter Ironie und ohne Scheu vor dem nötigen Gossip und vor Wiederholungen, darin durchaus auf einer Linie mit seinem Protagonisten.
Ganz am Ende heißt es dann: "Die kritische Skepsis, mit der sich Warhol zeitlebens auseinandersetzen musste, ist seit seinem Tod verflogen. Es sieht immer mehr danach aus, als hätte Warhol sogar Picasso als wichtigsten und einflussreichsten Künstler des zwanzigsten Jahrhunderts abgelöst. Oder zumindest teilen sich nun beide diese Position auf dem Gipfel des Parnass, neben Michelangelo, Rembrandt und den anderen Genies." Das ist erstens fragwürdig, weil es Kritik an Warhols Schaffen weiterhin gibt, und zweitens einigermaßen gewagt, allein schon im freizügigen Umgang mit dem Genie-Begriff. Kleine Pointe dazu: Bei der Trauerfeier für Warhol am 1. April 1987 in der New Yorker St. Patrick's Cathedral hielt, neben Yoko Ono, John Richardson die Gedenkrede. Es bleibt die an sich müßige Überlegung, ob der Person, die sich Andy Warhol nannte, Blake Gopniks Anstrengung gefallen haben würde. So viel Spürsinn wohl eher doch nicht. So viel Aufwand um ihn, das bestimmt schon eher. Und trotzdem bleibt er ein Rätsel, nicht zu fassen.
ROSE-MARIA GROPP
Blake Gopnik: "Warhol". Ein Leben als Kunst. Die Biografie.
Aus dem Englischen
von M. Fleißig u.a.
C. Bertelsmann Verlag, München 2021. 1232 S., Abb., geb., 48,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.02.2021Zerknitterter
Schmetterling
Blake Gopniks erfreulich
klischeefreie Warhol-Biografie
Andy Warhol war ein großer Fan von Greta Garbo. Zu Beginn seiner Karriere, als er noch keine Pop Art machte, sondern meistens Schuhe und Schmetterlinge produzierte, bekam er die Chance, sie zu treffen. Ein Freund nahm ihn mit, und er schenkte Garbo bei einem Picknick einen seiner Schmetterlinge. Die Schauspielerin zerknitterte ihn und warf ihn gedankenverloren weg, aber Warhol hob ihn wieder auf und nannte das Werk „Crumpled butterfly by Greta Garbo“ – Zerknitterter Schmetterling von Greta Garbo.
Dass Warhols Versuche, „ernsthafte Kunst“ zu machen, lange Zeit erfolglos blieben, sogar verspottet und ignoriert wurden, wird angesichts seiner Omnipräsenz in jeder Art von Kunstgespräch der vergangenen 40 Jahre oft vergessen. Blake Gopniks Biografie „Warhol – Ein Leben als Kunst“ beleuchtet jetzt sein Leben auf nicht weniger als monumentalen 1225 Seiten. Trotz seiner einschüchternden Länge ist es ist leicht und brillant geschrieben. Ein mühelos forderndes Werk, wenn man so will – und was ist in Zeiten wie diesen schon angenehmer, als sich in einem aufregenden Leben von jemand anderem zu vertiefen? Was ist überhaupt erfreulicher, als vom langjährigen Scheitern jener zu lesen, die es in den Augen der heutigen Welt „geschafft“ haben? Und dabei ganz neue Aspekte zu entdecken?
Warhol wuchs in Pittsburgh auf, wo die Polizei 1948 einen „Morals Squad“ einführte. Solche Spezialeinheiten gab es nur, um Homosexuelle zu drangsalieren. In den ersten zwei Wochen nach ihrer Einführung erschossen die Moralpolizisten zwei schwule Männer. Bald begriff die Einheit jedoch, dass sie eigentlich eine Lizenz zum Geldverdienen bekommen hatten. Viele derer, die sie als „homosexuell“ festnahmen, waren nämlich gern bereit, sich freizukaufen. Das führte dazu, dass auch Familienväter bestimmte Orte in der Stadt nicht betreten konnten, ohne „ihre Reputation, ihr Zuhause und ihre Familien zu gefährden“, wie die Pittsburgh Press 1951 schrieb – ganz zu schweigen von jenen, denen die Drangsalierung eigentlich galt.
Aus dieser Stadt floh Warhol als junger Mann nach New York – den Rest kennt man. Denkt man. „A Life As Art“ beweist einem das Gegenteil.
Es ist mit großem Hintergrundwissen und Rechercheaufwand geschrieben, aber gibt nicht damit an. Stattdessen setzt sich Gopnik sehr ernsthaft mit der Welt Andy Warhols auseinander. Seine Schilderungen sind so genau und unvoreingenommen, dass schließlich Warhol-Klischee um Warhol-Klischee zerlegt wird. Andy Warhol ist in diesem Buch nicht das Abziehbild Andy Warhol, der berühmteste Exzentriker der Welt, sondern einfach ein eigenwilliger Mensch und Künstler, der in einer gewaltigen Kraftanstrengung einen Abdruck in der Welt hinterlassen hat.
Und ganz nebenbei hat das Buch auch noch Witz, Warhol hatte ihn ja auch. „War seine Kunst Hochstaplerei oder war die Hochstaplerei seine Kunst? War er selbst ein Witz oder ein Genie, ein Radikaler oder ein sozialer Aufsteiger?“, fragt Gopnik, und verrät, wie Warhol selbst wohl auf all diese Fragen geantwortet hätte: „Ja.“
JULIANE LIEBERT
Und ganz nebenbei hat das
Buch auch noch Witz, Warhol
hatte ihn schließlich auch
War seine Kunst
Hochstaplerei oder war
die Hochstaplerei
seine Kunst?
Andy Warhol im
April 1965.
Foto: Mary Evans/Imago
Blake Gopnik:
Warhol – Ein Leben
als Kunst. Die Biografie.
C. Bertelsmann,
München 2020.
1225 Seiten, 48 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Schmetterling
Blake Gopniks erfreulich
klischeefreie Warhol-Biografie
Andy Warhol war ein großer Fan von Greta Garbo. Zu Beginn seiner Karriere, als er noch keine Pop Art machte, sondern meistens Schuhe und Schmetterlinge produzierte, bekam er die Chance, sie zu treffen. Ein Freund nahm ihn mit, und er schenkte Garbo bei einem Picknick einen seiner Schmetterlinge. Die Schauspielerin zerknitterte ihn und warf ihn gedankenverloren weg, aber Warhol hob ihn wieder auf und nannte das Werk „Crumpled butterfly by Greta Garbo“ – Zerknitterter Schmetterling von Greta Garbo.
Dass Warhols Versuche, „ernsthafte Kunst“ zu machen, lange Zeit erfolglos blieben, sogar verspottet und ignoriert wurden, wird angesichts seiner Omnipräsenz in jeder Art von Kunstgespräch der vergangenen 40 Jahre oft vergessen. Blake Gopniks Biografie „Warhol – Ein Leben als Kunst“ beleuchtet jetzt sein Leben auf nicht weniger als monumentalen 1225 Seiten. Trotz seiner einschüchternden Länge ist es ist leicht und brillant geschrieben. Ein mühelos forderndes Werk, wenn man so will – und was ist in Zeiten wie diesen schon angenehmer, als sich in einem aufregenden Leben von jemand anderem zu vertiefen? Was ist überhaupt erfreulicher, als vom langjährigen Scheitern jener zu lesen, die es in den Augen der heutigen Welt „geschafft“ haben? Und dabei ganz neue Aspekte zu entdecken?
Warhol wuchs in Pittsburgh auf, wo die Polizei 1948 einen „Morals Squad“ einführte. Solche Spezialeinheiten gab es nur, um Homosexuelle zu drangsalieren. In den ersten zwei Wochen nach ihrer Einführung erschossen die Moralpolizisten zwei schwule Männer. Bald begriff die Einheit jedoch, dass sie eigentlich eine Lizenz zum Geldverdienen bekommen hatten. Viele derer, die sie als „homosexuell“ festnahmen, waren nämlich gern bereit, sich freizukaufen. Das führte dazu, dass auch Familienväter bestimmte Orte in der Stadt nicht betreten konnten, ohne „ihre Reputation, ihr Zuhause und ihre Familien zu gefährden“, wie die Pittsburgh Press 1951 schrieb – ganz zu schweigen von jenen, denen die Drangsalierung eigentlich galt.
Aus dieser Stadt floh Warhol als junger Mann nach New York – den Rest kennt man. Denkt man. „A Life As Art“ beweist einem das Gegenteil.
Es ist mit großem Hintergrundwissen und Rechercheaufwand geschrieben, aber gibt nicht damit an. Stattdessen setzt sich Gopnik sehr ernsthaft mit der Welt Andy Warhols auseinander. Seine Schilderungen sind so genau und unvoreingenommen, dass schließlich Warhol-Klischee um Warhol-Klischee zerlegt wird. Andy Warhol ist in diesem Buch nicht das Abziehbild Andy Warhol, der berühmteste Exzentriker der Welt, sondern einfach ein eigenwilliger Mensch und Künstler, der in einer gewaltigen Kraftanstrengung einen Abdruck in der Welt hinterlassen hat.
Und ganz nebenbei hat das Buch auch noch Witz, Warhol hatte ihn ja auch. „War seine Kunst Hochstaplerei oder war die Hochstaplerei seine Kunst? War er selbst ein Witz oder ein Genie, ein Radikaler oder ein sozialer Aufsteiger?“, fragt Gopnik, und verrät, wie Warhol selbst wohl auf all diese Fragen geantwortet hätte: „Ja.“
JULIANE LIEBERT
Und ganz nebenbei hat das
Buch auch noch Witz, Warhol
hatte ihn schließlich auch
War seine Kunst
Hochstaplerei oder war
die Hochstaplerei
seine Kunst?
Andy Warhol im
April 1965.
Foto: Mary Evans/Imago
Blake Gopnik:
Warhol – Ein Leben
als Kunst. Die Biografie.
C. Bertelsmann,
München 2020.
1225 Seiten, 48 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
»... schlichtweg umwerfend: Ein 1200 Seiten und 50 Kapitel starkes Monumentalwerk. Packend geschrieben, unterhaltsam, aufschlussreich und bestechend« WDR3 Mosaik
In einer kurzen, hochlobenden Besprechung dieses mehr als tausendseitigen Werks würdigt Juliane Liebert sowohl Andy Warhol als auch seinen Biografen Blake Gopnik. Zunächst geht sie darauf ein, dass die Pittsburgher Polizei 1948 eine eigene Moral-Einheit gegen die Homosexuellen der Stadt einsetzte, im Prinzip eine kleine Geldmaschine der Erpressung, und betont, dies sei die Stadt gewesen, aus der Warhol nach New York geflohen sei. Am besten hat ihr insgesamt die Klischeelosigkeit gefallen, mit der Warhol hier als "eigenwilliger Mensch und Künstler" dargestellt wird - und daher erfahren wir hier auch vieles aus den vielen Jahren des Scheiterns, bevor aus Warhol schließlich Warhol wurde. "Leicht und brillant geschrieben" urteilt sie.
© Perlentaucher Medien GmbH
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