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Der dritte Band, das Mittelstück der insgesamt fünfbändigen Edition der legendären 'Brautbriefe', dokumentiert den Beginn von Sigmund Freuds Erforschung des Kokains. Er glaubte in dieser Substanz, seinerzeit noch nicht als süchtig machende Droge erkannt, ein »Zaubermittel« entdeckt zu haben, geeignet vielerlei Krankheiten zu heilen und ihn als Arzt rasch berühmt zu machen: so könnte er der demütigenden Armut entkommen und die quälende Trennung von der in Hamburg lebenden Verlobten durch die ersehnte Heirat beenden. Seine überhasteten Kokain-Experimente haben damals wie heute Kritik ausgelöst.…mehr

Produktbeschreibung
Der dritte Band, das Mittelstück der insgesamt fünfbändigen Edition der legendären 'Brautbriefe', dokumentiert den Beginn von Sigmund Freuds Erforschung des Kokains. Er glaubte in dieser Substanz, seinerzeit noch nicht als süchtig machende Droge erkannt, ein »Zaubermittel« entdeckt zu haben, geeignet vielerlei Krankheiten zu heilen und ihn als Arzt rasch berühmt zu machen: so könnte er der demütigenden Armut entkommen und die quälende Trennung von der in Hamburg lebenden Verlobten durch die ersehnte Heirat beenden. Seine überhasteten Kokain-Experimente haben damals wie heute Kritik ausgelöst. In diesem spannungsreichen Kontext erweisen sich 'Die Brautbriefe' einmal mehr als »die bedeutsamste Primärquelle der Freud-Historiographie«.

Herausgeber sind die renommierten Freud-Forscher Gerhard Fichtner, Ilse Grubrich-Simitis und Albrecht Hirschmüller

Die Bände erscheinen nacheinander:
Sei mein, wie ich mir's denke (Band 1)
Unser 'Roman in Fortsetzungen' (Band 2)
Warten in Ruhe und Ergebung, Warten in Kampf und Erregung (Band 3)
Spuren von unserer komplizierten Existenz (Band 4)
Dich so zu haben, wie Du bist (Band 5)
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Sigmund Freud, geb. 1856 in Freiberg (Mähren); Studium an der Wiener medizinischen Fakultät; 1885/86 Studienaufenthalt in Paris, unter dem Einfluss von J.-M. Charcot Hinwendung zur Psychopathologie; danach in der Wiener Privatpraxis Beschäftigung mit Hysterie und anderen Neurosenformen; Begründung und Fortentwicklung der Psychoanalyse als eigener Behandlungs- und Forschungsmethode sowie als allgemeiner, auch die Phänomene des normalen Seelenlebens umfassender Psychologie. 1938 emigrierte Freud nach London, wo er 1939 starb.

Martha Bernays (1861-1951) lebte während ihrer Brautzeit in Hamburg. Sie entstammt einer jüdischen Gelehrtenfamilie und war zu Beginn der Korrespondenz 20 Jahre alt. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang war sie Freuds Ehefrau und Mutter der sechs Kinder.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.09.2019

Berichte aus dem Feenreich von Geist und Unglück
Mit dem vierten Band der Brautbriefe von Sigmund Freud und Martha Bernays lassen sich die berühmt-berüchtigten Kokain-Experimente neu einschätzen

Die Edition des umfangreichen Briefwechsels zwischen Sigmund Freud und Martha Bernays aus der Zeit ihrer Verlobung war nach der Publikation des dritten Bandes ins Stocken geraten. Nun aber bezeugt ein vierter Band eindrucksvoll den einzigartigen Rang dieser Quelle zum Verständnis der Anfänge der Psychoanalyse. Die Bände, zusammen mehr als tausend Seiten stark, umfassen den Zeitraum vom Januar 1884 bis zum September 1885, in dem das junge Paar bis auf wenige Wochen im Spätsommer die räumliche Trennung durch intensiven Schriftverkehr wettzumachen suchte. In diese Zeit fällt die Hinwendung Freuds zur theoretischen und praktischen Erforschung der Nervenkrankheiten, mit zwei entscheidenden Wegmarken: der Erlangung der Privatdozentur und der Zuerkennung eines Reisestipendiums für einen Aufenthalt an Jean-Martin Charcots berühmter neurologischer Klinik in Paris. Und inmitten dieser Periode, welche die beiden Bände abdecken, unternimmt Freud seine bis heute äußerst kontrovers beurteilten therapeutischen Versuche mit Kokain.

Der Briefwechsel der Verlobten gleicht in seinem dritten und vierten Jahr immer stärker einer Chronik, in der der junge ehrgeizige Arzt seine Alltagspraxis, seine Karrierestrategien, aber auch sein Traumleben detailliert schildert. "Merkst Du nicht, dass ich Dir Tagebücher anstatt Briefe schreibe?", fragt Freud seine Verlobte im fernen Wandsbek, die er nun als sein "Beichtmütterchen" tituliert: "Und ist es Dir recht?" Diese wünscht sich zwar angesichts des zunehmend "kühlen geschäftsmäßigen und vernünftigen" Charakters der Korrespondenz, "Du möchtest mir doch einmal wieder ein Briefchen schicken, oder wenn es auch nur ein Kärtchen wäre, worin nichts andres stünde als verliebtes Zeug, gar nichts vom Leben, und vom Kampf um dasselbe", doch erachtet sie diesen Wunsch selbst als "närrisch, beim Tageslicht betrachtet"; und Freud beantwortet ihn auch nur mit ein paar von Uhland geborgten Versen.

Die unaufhörlichen Geldsorgen des jungen Arztes, der nebenher auch seine Eltern und Geschwister finanziell unterstützen muss, bilden auch den Antrieb für die berühmt-berüchtigten Kokain-Versuche, die im April 1884 beginnen. Getrieben von der "Sorge, sich zu behaupten, Neues zu finden, was die Welt in Atem hält und was nicht nur die Anerkennung weniger, sondern auch den Zulauf der vielen, des geldzahlenden Publikums einträgt", wie er an Martha schrieb, setzte Freud seine ganze Hoffnung auf das Kokain, das ihm ein "Zaubermittel" für eine große Bandbreite von Erkrankungen zu versprechen schien. In der Hoffnung auf einen "glücklichen Wurf" begannen schon bald die Selbstexperimente mit dem teuren Stoff, um die künftige Hauseinrichtung zu sichern. Freuds Belehrung seiner Verlobten, "das Temperament des Forschers" benötige "zwei Grundeigenschaften: Sanguinisch beim Versuch, kritisch bei der Arbeit", klingt angesichts des Fortgangs seiner therapeutischen Experimente allerdings mehr nach einer Selbstermahnung.

Zwischen Hoffnung und Angst.

Denn von Anbeginn wollte Freud im Kokain nicht nur ein Mittel zur physischen Leistungssteigerung und Stimmungsaufhellung sehen, sondern mit ihm auch Herzschwäche, Magen- und Darmkatarrhe, Seekrankheit und insbesondere Morphinabhängigkeit heilen. Als Kronzeugen für einen erfolgreichen Entzug vom Morphium zitierte Freud in seiner ersten Publikation "Über Coca" vom Juni 1884 ohne Namensnennung den exzentrischen und brillanten Physiologen Ernst Fleischl von Marxow, seinen einstigen Lehrer und nun befreundeten Gönner, der sich bereits Anfang Mai "mit der Hast des Ertrinkenden" auf das Kokainexperiment eingelassen hatte. Dass der Versuch letztlich scheiterte, sein Freund zusätzlich zur Morphinsucht auch vom Kokain abhängig wurde und nach wenigen Jahren auf elende Weise zugrunde ging, hat eine Reihe von Autoren dazu veranlasst, Freud als Scharlatan zu brandmarken, der seine Befunde in täuschender Absicht geschönt habe. Die vollständige Version der Brautbriefe bietet nun erstmals die Gelegenheit, diese Episode neu einzuschätzen.

Allein die Chronik des Monats Mai des Jahres 1884 zeigt, wie sehr Freud zwischen der Hoffnung auf einen "Triumph" des Kokains über Fleischls Sucht und der Angst vor dessen Rückfall in den Morphinismus schwankte. Bereits wenige Tage nach Beginn des Versuchs berichtet Freud der bestürzten Martha von den Schmerzanfällen des Freundes, der nun künftig durch ihn selbst und die befreundeten Kollegen Josef Breuer, Heinrich Obersteiner und Sigmund Exner nachts regelmäßig beobachtet wird. Das Resümee über Fleischls Zustand - "Im ganzen feiert das Kokain einen Triumph an ihm, aber ihm geht's aus anderen Ursachen schlecht" - scheint trotz gegenteiliger Anzeichen zumindest anfangs auch von diesem selbst geteilt worden zu sein. In diesem Sinne mag man Freuds beharrliches Festhalten am Erfolg des Therapieexperiments, wie es sich in seiner kurz darauf verfassten Publikation niederschlägt, weniger einem Täuschungsversuch, sondern eher der Hoffnung zuschreiben, sowohl den Freund zu retten, als auch rasch zu Berühmtheit und Geld zu gelangen.

Wie viel Zündstoff die Kokain-Episode noch bietet, zeigt sich jedoch vor allem in den ausführlichen Schilderungen der vielen Besuche und Nachtwachen bei dem nun auch kokainsüchtigen und bereits als hoffnungsloser Fall geltenden Fleischl, der in Gesellschaft von zwei Papageien lebt und seine Gäste nur noch im Schlafrock empfängt. Im Frühling des Jahres 1885 "berauscht" sich Freud nächtelang an der Gesellschaft des schlaflosen Physiologen, der ihn "alle Register von der hellen Verzweiflung bis zur ausgelassensten Lust an schlechten Witzen" erleben lässt: "Ich frage mich jedesmal, ob ich noch in meinem Leben etwas so Erschütterndes und Erregendes erleben werde wie diese Nächte bei Fleischl." Bei der Verlobten lösen diese faszinierten Berichte zunehmend Besorgnis und selbst Eifersucht aus und auch Freud, der "den greifbaren Gewinn einer solchen Nacht, die geistige Erhebung, die Klärung und Anregung in so vielen Urteilen wohl einen Schlaf wert" hält, muss feststellen: "Dieses Feenreich von Geist und Unglück trägt natürlich viel dazu bei, mich meiner Umgebung zu entfremden, ich bin so unbehaglich im Spital wie kaum zuvor."

Arbeit an der Selbstdarstellung.

Parallel zum Scheitern des Therapieversuchs an Fleischl machte allerdings ein Wiener Kollege Freuds jene bahnbrechende Entdeckung, die dem Kokain seinen Platz in der Medizin sichern sollte. Dass Carl Koller ihm in der Verwendung der Substanz als Lokalanästhetikum am Auge zuvorgekommen war, nahm Freud mit der bitteren Bemerkung auf, er habe "etwa 5 % der Ehre" erhalten und sei dabei "eigentlich zu Schaden gekommen". Die rückblickend in der "Selbstdarstellung" von 1925 publizierte Version, die dem Sommerurlaub von 1884 bei seiner Verlobten (und damit dieser selbst) die Schuld an der versäumten Entdeckung zuschreibt, findet sich hier entkräftet. Die Kommentierung des Briefwechsels ist an dieser Stelle, wie auch an anderen, nicht unproblematisch. So versucht der Herausgeber Albrecht Hirschmüller nicht nur unter Berufung auf "heutige Erkenntnisse der Gedächtnisforschung" Freuds retrospektive Darstellung zu entschuldigen, sondern verweist auch auf einen Brief Freuds an den Augenarzt Josef Meller von 1934, in dem Freud auf derselben Version beharrt und ironischerweise die Zuverlässigkeit seines Gedächtnisses preist.

Es ist sonderbar, dass dieser Brief, der seit 2017 wie der Großteil der Sigmund Freud Papers auf der Website der Library of Congress digitalisiert verfügbar ist, an anderer Stelle im vierten Band der Brautbriefe nur in Auszügen - und ohne Hinweis auf die Online-Publikation - zitiert wird. Mellers Laudatio zum fünfzigjährigen Jubiläum von Kollers Entdeckung hatte den Begründer der Psychoanalyse gereizt zur Feder greifen lassen, um "die meist unbekannten - sozusagen menschlichen - Hintergründe" der Geschichte "authentisch festzulegen". Denn so wie Fleischl hatte auch Koller 1884, wenn auch aus anderem Grund, Freuds nervenärztlichen Beistand gesucht und galt diesem als ein "sehr anhänglicher" und "stiller Patient". In seinem Brief von 1934 zögerte der Psychoanalytiker nicht, die Schwierigkeiten im Verlauf von Kollers Karriere auf dessen "pathologische Persönlichkeit" zurückzuführen: "Ein selbstquälerischer Krakehler, infolge seiner Rechthaberei und seiner unausgesetzten Aggressionen allgemein unbeliebt."

Dass diese und andere Passagen von Freuds Brief, die eine hereditäre, durch Syphilis bedingte Ursache von Kollers neurotischen Beschwerden anführen, im Kommentar der Brautbriefe schamhaft unterschlagen werden, erinnert an die Praxis der ersten oft in hagiographischer Absicht gekürzten Briefausgaben. Wäre es nicht an der Zeit aufzuhören, den Meister gegen seine eigenen Schwächen in Schutz nehmen zu wollen, um stattdessen eine zugleich kritische wie sachliche Sicht auf Freuds persönlich gefärbte und parteiische Darstellung seiner eigenen historischen Rolle zu ermöglichen? Man mag dabei an Martha Bernays' Worte denken, mit denen sie im Mai 1885 die "plötzlich eingetretene Vernichtungswut" ihres Verlobten kommentiert, in der er sämtliche Briefe und Papiere dem Feuer übergibt, um seine späteren Biographen zu plagen: "Mir tut es sehr leid um die vielen verbrannten Sachen. Du hast mich nie einen Blick in Deinen früheren Menschen werfen lassen, oder doch nur flüchtig, und was bleibt mir nun übrig zur Bekanntschaft? Nur Dein Gedächtnis, böser Mann."

ANDREAS MAYER.

Sigmund Freud/Martha Bernays: "Spuren von unserer komplizierten Existenz". Die Brautbriefe Bd. 4.

Hrsg. v. G. Fichtner, I. Grubrich-Simitis und A. Hirschmüller. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2019. 672 S., geb., 58,- [Euro].

Sigmund Freud/Martha Bernays: "Warten in Ruhe und Ergebung, Warten in Kampf und Erregung". Die Brautbriefe Bd. 3.

S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2015. 624 S., geb., 48,- [Euro].

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Neben der neuen, die voranalytischen Schriften enthaltenden Gesamtausgabe von Freuds Schriften [...] ist diese Briefedition wohl das wichtigste Ereignis in der Freud-Forschung seit Jahren. Walter Schönau Jahrbuch für Literatur und Psychoanalyse 20171201