Paul Ingendaay hat den großen deutschen Roman seiner Generation und ein sehr persönliches Buch geschrieben: temporeich, brillant und witzig erzählt er die Geschichte einer Jugend, in der Freundschaften eine ebenso große Rolle spielen wie die Einsamkeit, David Bowie wie Bach, der Große Gatsby wie Gott.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Kühn sei es, als Literaturkritiker selbst einen Roman vorzulegen, aber noch verwegener findet es Andreas Isenschmidt, einen Internatsroman als Debütform zu wählen. Er ist gut, er ist glänzend, meint Isenschmidt, aber - das Glänzende verliert an Glanz durch Länge. Zum einen geht Isenschmid sichtlich der bewusst gewählte Jugendjargon a la Salinger auf die Nerven - das Buch ist immerhin 500 Seiten lang, stöhnt er; zum anderen missfällt ihm der krimihafte Dreh zum Ende hin und die vielen als Fingerübung verstandenen Episoden, die den ganzen Roman für sein Empfinden in die Länge ziehen. Ansonsten will Isenschmidt nichts auf den Roman kommen lassen: besonders gelungen findet er die Romanteile, die den "Übergang von der Kindheit zur unbehüteten Zeit des Erwachsenen" als auch die Freundschaft zu einem Lehrer beschreiben. Auch das Internatsleben werde trefflich geschildert, mit all seinen grausamen Seiten und heimlichen Lüsten. Isenschmid bescheinigt Ingendaay ein gutes Gespür für Binnendramaturgie der Episoden und Handlungsteile. Bezeichnend findet der Rezensent, dass in diesen gelungenen, dichten, ernsten Teilen das Jugendidiom fast verschwindet und einem distanzierteren Ton weicht, den sich Kollege Isenschmidt für die nächsten Bücher von Ingendaay wünscht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.02.2006PAUL INGENDAAY, Feuilletonkorrespondent dieser Zeitung in Madrid, hat einen Roman über ein katholisches Jungeninternat am Niederrhein geschrieben, wo die Dörfer Namen wie Hülm, Hassum und Hommersum tragen. Für Marko, den fünfzehnjährigen Helden, geht es auf dem Collegium Aureum um die wichtigsten Dinge im Leben eines fühlenden Mannes, nämlich Mädchen, Bücher und Gott. In seinen melancholischen Momenten sieht er sich als Robinson Crusoe auf der Insel der Verzweiflung und befürchtet, wilde Tiere könnten kommen, um ihn zu fressen. Was also hilft ihm über seine Nihilismus-Anfälle hinweg? Die Bande seiner drei Freunde. Die Musik von David Bowie. Der erste Kuß, den er sich bei einer Provinzschönheit erkämpft. Und ein Ordensbruder, der Seneca und Dürrenmatt liest. Bis sich die Vorahnung aus dem geheimnisvollen Buch der Ordnungen erfüllt und der Gott der Kannibalen sein Opfer fordert. (Paul Ingendaay: "Warum du mich verlassen hast". Roman. SchirmerGraf Verlag, München 2006. 506 S., geb., 24,80 [Euro].)
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Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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