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Ist es denkbar, daß nicht nur das Leben, sondern unser ganzes Universum das Resultat eines evolutionären Vorganges ist? Diese Fragen versucht der amerikanische Physiker Lee Smolin zu beantworten, indem er erstmals Elemente der Evolutionstheorie heranzieht, um die Entstehung und Organisation des Kosmos zu erklären. Smolin hat ein ebenso provozierendes wie überzeugendes Buch geschrieben. Sein klarer Stil und seine große Sachkenntnis erlauben es gerade auch dem Laien, den verschlungenen Pfaden der heutigen Physik zu folgen.

Produktbeschreibung
Ist es denkbar, daß nicht nur das Leben, sondern unser ganzes Universum das Resultat eines evolutionären Vorganges ist? Diese Fragen versucht der amerikanische Physiker Lee Smolin zu beantworten, indem er erstmals Elemente der Evolutionstheorie heranzieht, um die Entstehung und Organisation des Kosmos zu erklären. Smolin hat ein ebenso provozierendes wie überzeugendes Buch geschrieben. Sein klarer Stil und seine große Sachkenntnis erlauben es gerade auch dem Laien, den verschlungenen Pfaden der heutigen Physik zu folgen.
Autorenporträt
Lee Smolin, geboren 1955 in New York, ist Professor für theoretische Physik und einer der Mitbegründer des kanadischen Perimeter-Instituts für theoretische Physik, wo er heute arbeitet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.1999

Es gibt einen wahren Kosmos im falschen Nichts
Evolution

Eines Tages im Jahr 1979 notierte Alan Guth, der damals am Stanford Linear Accelerator Center in Kalifornien arbeitete, aufgeregt in sein Tagebuch: "Spektakuläre Entdeckung: Mit Hilfe einer derartigen Unterkühlung läßt sich erklären, weshalb das heutige Universum so flach ist." Mit seiner Theorie des inflationären Universums konnte der junge Physiker erstmals ein Phänomen erklären, das den Kosmologen jahrzehntelang Kopfschmerzen bereitet hatte. Wie es dazu kam, schildert Guth in "Die Geburt des Kosmos aus dem Nichts".

Eigentlich hatte sich der Forscher gar nicht mit der Kosmologie befassen wollen, von der er, wie er schreibt, damals nicht viel verstand. Sein Gebiet waren die "großen vereinheitlichten Theorien", mit denen die Wissenschaftler seinerzeit versuchten, drei der vier universellen kosmischen Kräfte zu erklären. Die Gravitationskraft klammerte man aus diesem Bemühen aus. Gleichwohl war Guth fasziniert von einem Vortrag, den Robert Dicke im November 1978 an der Cornell University über den Urknall hielt.

Darin ging es um die Frage, wie sich das Universum ausdehnt. Hätte es kurz nach dem Urknall eine geringe Massendichte gehabt, wäre die Ausdehnung so schnell erfolgt, daß keine Zeit für die Bildung von Galaxien geblieben wäre. Bei zu großer Massendichte hingegen wäre das Universum nach anfänglicher Expansion schon bald wieder kollabiert. Die Entstehung von Galaxien ist nur im "flachen" Universum denkbar - wenn die Masse der Materie gerade eben noch ausreicht, den Kollaps zu verhindern. Ein flaches Universum ist aber nur möglich, wenn die Massendichte anfangs - mit einer Genauigkeit von 15 Stellen hinter dem Komma - einen bestimmten Wert gehabt hat. Sollten die Galaxien, die Sterne, die Planeten und auch die Menschen einem so unwahrscheinlichen Zufall zu verdanken sein?

Für Guth stand diese Frage zunächst nicht im Mittelpunkt. Als junger Wissenschaftler mußte er sich um eine sichere Zukunft bemühen und damit um ein Forschungsgebiet, auf dem er sich rasch profilieren konnte. So wandte er sich der Frage zu, warum den meisten großen vereinheitlichten Theorien zufolge eine Unmenge magnetischer Monopole im Kosmos entstanden sein müssen, die Beobachtungen aber keinerlei Hinweise auf deren Existenz liefern. In seinem Buch schildert er den Zusammenhang dieser Monopole mit den sogenannten Higgs-Feldern im Kosmos, er beschreibt die Welt der Quarks und die Grundlagen der großen vereinheitlichten Theorien. Dieser Teil der Darstellung ist schwierige Lektüre, hilft aber die große Bedeutung der Arbeiten Guths zu verstehen.

Guth erkannte schließlich, daß ein sogenanntes falsches Vakuum als Anfangszustand für das heutige Universum ausreicht. Dieses falsche Vakuum hat für kurze Zeit eine rasante Expansion erzeugt, die gleichsam mit dem Urknall endete. Von da an ging die Entwicklung so weiter, wie es die mittlerweile klassische Urknall-Theorie beschreibt. Während der inflationären Expansion, die mit der eingangs erwähnten Unterkühlung des Kosmos einhergeht, verschwanden die magnetischen Monopole, das Universum wurde zwangsweise flach. Nach diesem Modell vom inflationären Universum ist das Universum aus dem leeren Raum entstanden, einem geometrischen Raum, der keinerlei Raumpunkte enthält. Der Übergang zum nichtleeren Raum ist dann durch einen quantenmechanischen Tunnelprozeß erfolgt.

Mit Guths inflationärem Universum läßt sich erklären, warum es kein Zufall ist, daß kurz nach dem Urknall die wichtigsten Bedingungen für die Entstehung von Galaxien gegeben waren. Eine andere Bedingung - die mit der Verteilung der Materie im Raum zusammenhängt - wird erst im Modell der Neuen Inflation des russischen Forschers Andrei Linde erfaßt, auf die der Autor ebenfalls eingeht. Danach sind die Galaxien das Ergebnis von Quantenprozessen in der Frühzeit des Universums. In Guths lesenswertem Buch wird der Leser mit den Höhen und Tiefen eines Forschers, mit privaten Nöten und beruflichen Problemen konfrontiert. Der Autor beschreibt, wie er und andere Wissenschaftler ein Konzept entwickelten und ausbauten, das seiner Meinung nach zwar nicht bewiesen ist, aber eine gute Arbeitshypothese darstellt. Die Details der Inflation, schreibt er, seien noch auszuarbeiten. Die Motive und physikalischen Hintergründe der Modelle hat er aber so ausführlich dargestellt, daß der Leser die Entwicklung begreift.

Die meisten Kosmologen sind mittlerweile davon überzeugt, daß vieles für die Modelle vom inflationären Universum spricht. Zu den Kritikern, die es allerdings noch gibt, gehört Lee Smolin, der unter anderem eine Zeitlang am Institute of Advanced Study in Princeton gearbeitet hat. In dem Buch "Warum gibt es die Welt?" stellt Smolin dar, was ihm an den bisherigen Modellen zur Entstehung des Kosmos überhaupt nicht gefällt. Sie sagen nämlich nichts darüber aus, wieso zum Beispiel die verschiedenen Elementarteilchen völlig unterschiedliche Massen haben. Einige Forscher hoffen, dies eines Tages mit einer "Theory of everything" - mit Douglas Adams gesprochen: einer Theorie über das Universum und den ganzen Rest - erklären zu können. Daran glaubt Smolin nicht. Statt dessen legt er ein anderes Modell vor, das allerdings noch der Überprüfung bedarf.

Der Autor denkt in dem Buch über eine kosmische Evolution nach, in deren Mittelpunkt die Schwarzen Löcher stehen. In solchen Materie-Schluckern, die einen allgemeinen Kollaps darstellen, erstreckt sich seiner Meinung nach die Zeit in einen neuen Bereich der Raum-Zeit, der mit unserem Universum nur über seinen ersten Augenblick verbunden ist. Aus jedem Schwarzen Loch entsteht also ein neues Universum, in dem die Parameter - zum Beispiel die Teilchenmassen - geringfügig von den Parametern im Vorgänger-Universum verschieden sind.

Diese eine Annahme reicht nach Meinung des Autors, unseren Kosmos zu verstehen. Man nehme ein Universum mit beliebigen Parametern. Kollabiert dieses Universum wieder oder entsteht nur ein einziges Schwarzes Loch, so wird es ein Kind-Universum gebären und so weiter. Irgendwann sind die Parameter günstig, und in einer Generation werden gleich mehrere Kind-Universen durch Schwarze Löcher erzeugt. In dieser "Evolution" setzen sich die Linien der Universen mit großer Nachkommenschaft durch. Die natürliche kosmologische Auslese bevorzugt dem Modell zufolge die hochgradig strukturierten Universen - mit vielen Schwarzen Löchern -, zu denen auch unser Kosmos gehört. Es sei deshalb kein Zufall, daß dieser - mit seinen "galaxien-freundlichen" Parametern - irgendwann einmal entstanden ist.

Die organisierte Komplexität ist für den Autor die Antwort auf die Frage nach Zufall und Notwendigkeit. Die Naturgesetze sind, wie beschrieben, durch Selbstorganisation entstanden, und die Selbstorganisation bestimmt auch die Entwicklung unseres Kosmos und die Entstehung seiner Strukturen. Die Gesetze der biologischen Evolution lassen sich Smolin zufolge auf kosmische Dimensionen übertragen. Wobei der Autor betont, daß er die Welt gleichwohl nicht als lebend betrachtet. Für ihn steht, wie für Guth, die Vereinheitlichung von Quanten- und Relativitätstheorie und deren Anwendung auf die Theorie des Universums im Vordergrund.

Solange Smolins Voraussagen nicht überprüft worden sind, ist seine These ein provokatives Gedankenmodell. Manch einen mag es ansprechen, weil es völlig unterschiedliche Bereiche - Biologie und Kosmologie - miteinander verknüpft. Ob es sich erhärten läßt, bleibt allerdings dahingestellt. Anregend jedenfalls ist das locker geschriebene Buch allemal.

GÜNTER PAUL

Alan Guth: "Die Geburt des Kosmos aus dem Nichts". Die Theorie des inflationären Universums. Aus dem Amerikanischen von Gerhard Ingold und Martina Sonntag. Verlag Droemer Knaur, München 1999. 544 S., geb., 58,- DM.

Lee Smolin: "Warum gibt es die Welt?" Die Evolution des Kosmos. Aus dem Englischen von Thomas Filk. Verlag C. H. Beck, München 1999. 428 S., 4 Abb., geb., 58,- DM.

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