Welche Geheimnisse verbergen sich hinter dem Schweigen mancher Familienmitglieder?Sibylle Plogstedt begibt sich auf eine spannende Reise durch ihre Familiengeschichte, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht und ein facettenreiches Zeitporträt darstellt. Der industrielle Aufstieg ins Großbürgertum ging mit den Wirtschaftskrisen und Weltkriegen verloren. Plogstedt erfährt von ihrer Mutter, dass sie Chefsekretärin hoher SS-Offiziere war. Dagegen stand das Schicksal ihres Onkels, der während seiner Haft in Stalingrad in Deutschland zum Tode verurteilt wurde, weil er an der Front zum Frieden aufrief. Oder das des bekannten Mathematikers Gerhard Gentzen, der 1945 in einer Zelle am Karlsplatz verhungerte - ebenjenem Gerichtsgebäude, in dem Sibylle Plogstedt selbst 1970 zu politischer Haft verurteilt wurde.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Sibylle Plogstedt kennt Kritiker Hans Christoph Buch als "Ikone der Protestbewegung von 1968", die wegen ihrer Beteiligung am Prager Frühling inhaftiert und später in die DDR abgeschoben wurde. In diesem Buch erzählt sie nun von ihrer Familiengeschichte, was Buch zufolge trotz des persönlichen Bezugs von erstaunlicher allgemeiner geschichtlicher Relevanz ist: So war ihre Mutter Chefsekretärin der Ordnungspolizei in Riga während des Holocausts, behauptete aber steif und fest, von nichts gewusst zu haben. Ferner lernt der Rezensent, dass die NS-Gesetzgebung eine Scheidung ermöglichte, wenn es zu einer außerehelichen Schwangerschaft kam. Durch den subjektiven Blick auf ihre Familiengeschichte kann Buch von Plogstedt eine Menge über diese Zeit lernen und empfiehlt das Buch gerade wegen seiner Nüchternheit und Überlegtheit in einem persönlichen Zugriff auf das Thema.
© Perlentaucher Medien GmbH
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