Eine Einführung ins Büchermachen und ein Lesebuch aus vierzig Jahren. Zum Spottpreis!
Warum so verlegen und nicht anders? Diese Frage versucht der Almanach ganz praktisch zu beantworten, anhand eines naheliegenden Beispiels: Warum und wie überlebt ein Verlag, der Bücher ausschließlich nach bestem Wissen und Gewissen veröffentlicht, vierzig Jahre?
David packt den Stein aus, und Sie dürfen mitlachen: über gesamtdeutsche Projekte, Träume vom Kollektiv oder den Fredenbeker Bananenaufstand. Über Polizisten, die den Verlag stürmen, und Staatsanwälte, die ihm den Bankrott an den Hals wünschen.
Oder mitdenken: über Geschichtsbewußtsein, Anarchie und Hedonismus. Über Karnickel, Kollegen, Kafka. Oder über den berüchtigten roten SALTO zwischen Schwarzer Kunst und Neuer Mitte.
Dazwischen können Sie lesen: die schönsten Texte aus vierzig Jahren.
Warum so verlegen und nicht anders? Diese Frage versucht der Almanach ganz praktisch zu beantworten, anhand eines naheliegenden Beispiels: Warum und wie überlebt ein Verlag, der Bücher ausschließlich nach bestem Wissen und Gewissen veröffentlicht, vierzig Jahre?
David packt den Stein aus, und Sie dürfen mitlachen: über gesamtdeutsche Projekte, Träume vom Kollektiv oder den Fredenbeker Bananenaufstand. Über Polizisten, die den Verlag stürmen, und Staatsanwälte, die ihm den Bankrott an den Hals wünschen.
Oder mitdenken: über Geschichtsbewußtsein, Anarchie und Hedonismus. Über Karnickel, Kollegen, Kafka. Oder über den berüchtigten roten SALTO zwischen Schwarzer Kunst und Neuer Mitte.
Dazwischen können Sie lesen: die schönsten Texte aus vierzig Jahren.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.06.2004Kafkas berüchtigte Tante
Vierzig Jahre Wagenbach: Ein Almanach und eine Anthologie
Er ist einer der letzten seiner Art: Ein Verleger, der seinem Verlag ein persönliches Profil gibt. Der seine Bücher aus Überzeugung und Leidenschaft macht. Der die Bilanzen zum Teufel wünscht und doch rechnen kann - seine erste Anschaffung war eine italienische Rechenmaschine. Die Rede ist von Klaus Wagenbach. Sein Verlag hat vier Jahrzehnte überstanden: die wechselnden literarischen Stimmungslagen, die ökonomischen Verschiebungen im Gewerbe - und einige fast tödliche Krisen.
Der Jubiläums-Almanach "Warum so verlegen" handelt von alldem. Doch der Untertitel "Über die Lust an Büchern und ihre Zukunft" übt sich in Optimismus. Ebenso Klaus Wagenbach selbst. Als ein "heiterer Rentner" geht er noch immer jeden Tag in den Verlag und hält sich an Fontanes Devise: "Gewonnen kann durch Trübseligkeit nie etwas werden."
Am Anfang stand der Enthusiasmus eines Lektors, der genug Erfahrungen in einem Großverlag gesammelt hatte, um einiges anders machen zu wollen. Im September 1964 meldete der bei S. Fischer ausgeschiedene Lektor Dr. Klaus Wagenbach in West-Berlin seinen Verlag an. Seinem Vorbild Kurt Wolff folgte er in der Ausstattung der "Quarthefte", jener schwarz kartonierten Bücher, die für Jahrzehnte das Bild des Verlags prägten. Unter den Autoren der ersten Bände waren Ingeborg Bachmann und Günter Grass. Es folgten damals noch fast unbekannte Autoren wie Bobrowski, Hermlin und Biermann. Biermanns "Drahtharfe" wurde ein erster großer Erfolg, führte aber zum Konflikt mit der DDR-Literaturbürokratie - Wagenbach erhielt ein Einreise-, ja Durchreiseverbot und mußte seine Pläne, weiterhin Autoren aus der DDR zu publizieren, aufgeben.
In den Jahren der Studentenrevolte geriet der Verlag ins Visier der Springer-Presse und erregte die Aufmerksamkeit der Westberliner Staatsanwaltschaft, was zu Ermittlungsverfahren und mehreren Prozessen führte, deren Kostenlast der Verlag zu tragen hatte. Anlässe waren die Veröffentlichung von Ulrike Meinhofs Hörspiel "Bambule", die Publikation des Manifests der RAF und des "Roten Kalenders für Lehrlinge und Schüler". Galt Wagenbach für die Springer-Zeitungen als Unterstützer der RAF, so für die radikalen Linken als "Scheißliberaler", der an Poesie und Literatur festhielt.
Ruinöser als die Prozesse, deren Dokumentation immerhin etwas einbrachte, waren die Machtkämpfe innerhalb des Verlags. Die grassierende Kollektivierungs- und Literaturabschaffungseuphorie der Linken führte den Verlag an den Rand der Zerstörung. Wagenbach, der die Autonomie des Lektorats verteidigte, wurde aus seinem eigenen Verlag herausgedrängt und zur Neugründung gezwungen. Er brauchte Jahre, um ihn wieder in Schwung zu bringen. Noch heute zeigt er sich von der mangelnden Solidarität derer betroffen, mit denen er so lange zusammengearbeitet hatte. Mehr an Bitterkeit gestattet er sich nicht.
Ende der siebziger Jahre jedoch war das alles Geschichte. Es drohte das Schicksal vieler linker Verlage: Sektierertum, Selbstisolierung, Bankrott. Nicht so Wagenbach. Seine Ressourcen waren stark genug. In seiner Rede zum Kritikerpreis 1979 nannte er drei Ziele als Verleger: Anarchie, Geschichtsbewußtsein, Hedonismus. Lassen wir den Anarchismus von "Kafkas berüchtigter, dienstältester Tante" (Wagenbach über Wagenbach) beiseite. Die Begriffe Geschichtsbewußtsein und Hedonismus gaben brauchbare Stichworte für die Zukunft. Bis heute ist Italien im Programm das Zentrum, Pasolini die Stifter- und Heiligenfigur. Wagenbach, der sich scherzhaft zu den Mibegründern der Toskanafraktion rechnet, hat seit den achtziger Jahren manches auf den Weg gebracht. Etwa den "Freibeuter", der es gegen das allgemeine Zeitschriftensterben immerhin auf achtzig Nummern brachte. Sodann das allgemeine, vor allem kunstwissenschaftlich orientierte Programm mit Autoren wie Peter Burke, Carlo Ginzburg oder Horst Bredekamp. Nicht zuletzt die kapriziöse Buchreihe Salto, die in ihrem frechen Rot an frühere Aufsässigkeit erinnert.
Natürlich ist der Verlag nach vierzig Jahren auch historisch geworden. Er feiert sein Jubiläum mit dem Reprint eines Klassikers, nämlich des ersten gebundenen Buches, das er Herbst 1965 produzierte. Darin sollten deutsche Autoren "ihren Ort in den Atlas eintragen". Es war der Versuch, west- und ostdeutsche Schriftsteller in einer Anthologie zusammenzubringen - auf lange Zeit der letzte. Er gelang durch List, durch Verzicht auf einen in West-Berlin sitzenden Herausgeber. So hieß der Band einfach "Atlas. Zusammengestellt von deutschen Autoren". Er enthielt Beiträge von Böll bis Rühmkorf, von Biermann bis Kunert.
Der vielleicht wichtigste, folgenreichste Text darin war "Meine Ortschaft" von Peter Weiss, eine Beschreibung des Lagers Auschwitz. Merkwürdig genug: Eben dieses Beitrags wegen zog Paul Celan seine Zusage zur Mitarbeit zurück. Wagenbach erwähnt dies im Nachwort zur Neuausgabe. Man wüßte gern die Gründe. Bobrowski - auch das erfährt man jetzt - hatte mit seinem Rat viel zum Gelingen der Anthologie beigetragen. Als er im September 1965 starb, war der "Atlas" schon im Druck. Daher das "In memoriam Johannes Bobrowski". Es steht über der Erst- wie der Neuausgabe dieser immer noch lesens- und bedenkenswerten Anthologie.
HARALD HARTUNG
"Warum so verlegen". Über die Lust an Büchern und ihre Zukunft. Herausgegeben von Klaus Wagenbach. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2004. 160 S., br., 5,- [Euro].
"Atlas". Zusammengestellt von deutschen Autoren und herausgegeben von Klaus Wagenbach. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2004. 320 S., geb. 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vierzig Jahre Wagenbach: Ein Almanach und eine Anthologie
Er ist einer der letzten seiner Art: Ein Verleger, der seinem Verlag ein persönliches Profil gibt. Der seine Bücher aus Überzeugung und Leidenschaft macht. Der die Bilanzen zum Teufel wünscht und doch rechnen kann - seine erste Anschaffung war eine italienische Rechenmaschine. Die Rede ist von Klaus Wagenbach. Sein Verlag hat vier Jahrzehnte überstanden: die wechselnden literarischen Stimmungslagen, die ökonomischen Verschiebungen im Gewerbe - und einige fast tödliche Krisen.
Der Jubiläums-Almanach "Warum so verlegen" handelt von alldem. Doch der Untertitel "Über die Lust an Büchern und ihre Zukunft" übt sich in Optimismus. Ebenso Klaus Wagenbach selbst. Als ein "heiterer Rentner" geht er noch immer jeden Tag in den Verlag und hält sich an Fontanes Devise: "Gewonnen kann durch Trübseligkeit nie etwas werden."
Am Anfang stand der Enthusiasmus eines Lektors, der genug Erfahrungen in einem Großverlag gesammelt hatte, um einiges anders machen zu wollen. Im September 1964 meldete der bei S. Fischer ausgeschiedene Lektor Dr. Klaus Wagenbach in West-Berlin seinen Verlag an. Seinem Vorbild Kurt Wolff folgte er in der Ausstattung der "Quarthefte", jener schwarz kartonierten Bücher, die für Jahrzehnte das Bild des Verlags prägten. Unter den Autoren der ersten Bände waren Ingeborg Bachmann und Günter Grass. Es folgten damals noch fast unbekannte Autoren wie Bobrowski, Hermlin und Biermann. Biermanns "Drahtharfe" wurde ein erster großer Erfolg, führte aber zum Konflikt mit der DDR-Literaturbürokratie - Wagenbach erhielt ein Einreise-, ja Durchreiseverbot und mußte seine Pläne, weiterhin Autoren aus der DDR zu publizieren, aufgeben.
In den Jahren der Studentenrevolte geriet der Verlag ins Visier der Springer-Presse und erregte die Aufmerksamkeit der Westberliner Staatsanwaltschaft, was zu Ermittlungsverfahren und mehreren Prozessen führte, deren Kostenlast der Verlag zu tragen hatte. Anlässe waren die Veröffentlichung von Ulrike Meinhofs Hörspiel "Bambule", die Publikation des Manifests der RAF und des "Roten Kalenders für Lehrlinge und Schüler". Galt Wagenbach für die Springer-Zeitungen als Unterstützer der RAF, so für die radikalen Linken als "Scheißliberaler", der an Poesie und Literatur festhielt.
Ruinöser als die Prozesse, deren Dokumentation immerhin etwas einbrachte, waren die Machtkämpfe innerhalb des Verlags. Die grassierende Kollektivierungs- und Literaturabschaffungseuphorie der Linken führte den Verlag an den Rand der Zerstörung. Wagenbach, der die Autonomie des Lektorats verteidigte, wurde aus seinem eigenen Verlag herausgedrängt und zur Neugründung gezwungen. Er brauchte Jahre, um ihn wieder in Schwung zu bringen. Noch heute zeigt er sich von der mangelnden Solidarität derer betroffen, mit denen er so lange zusammengearbeitet hatte. Mehr an Bitterkeit gestattet er sich nicht.
Ende der siebziger Jahre jedoch war das alles Geschichte. Es drohte das Schicksal vieler linker Verlage: Sektierertum, Selbstisolierung, Bankrott. Nicht so Wagenbach. Seine Ressourcen waren stark genug. In seiner Rede zum Kritikerpreis 1979 nannte er drei Ziele als Verleger: Anarchie, Geschichtsbewußtsein, Hedonismus. Lassen wir den Anarchismus von "Kafkas berüchtigter, dienstältester Tante" (Wagenbach über Wagenbach) beiseite. Die Begriffe Geschichtsbewußtsein und Hedonismus gaben brauchbare Stichworte für die Zukunft. Bis heute ist Italien im Programm das Zentrum, Pasolini die Stifter- und Heiligenfigur. Wagenbach, der sich scherzhaft zu den Mibegründern der Toskanafraktion rechnet, hat seit den achtziger Jahren manches auf den Weg gebracht. Etwa den "Freibeuter", der es gegen das allgemeine Zeitschriftensterben immerhin auf achtzig Nummern brachte. Sodann das allgemeine, vor allem kunstwissenschaftlich orientierte Programm mit Autoren wie Peter Burke, Carlo Ginzburg oder Horst Bredekamp. Nicht zuletzt die kapriziöse Buchreihe Salto, die in ihrem frechen Rot an frühere Aufsässigkeit erinnert.
Natürlich ist der Verlag nach vierzig Jahren auch historisch geworden. Er feiert sein Jubiläum mit dem Reprint eines Klassikers, nämlich des ersten gebundenen Buches, das er Herbst 1965 produzierte. Darin sollten deutsche Autoren "ihren Ort in den Atlas eintragen". Es war der Versuch, west- und ostdeutsche Schriftsteller in einer Anthologie zusammenzubringen - auf lange Zeit der letzte. Er gelang durch List, durch Verzicht auf einen in West-Berlin sitzenden Herausgeber. So hieß der Band einfach "Atlas. Zusammengestellt von deutschen Autoren". Er enthielt Beiträge von Böll bis Rühmkorf, von Biermann bis Kunert.
Der vielleicht wichtigste, folgenreichste Text darin war "Meine Ortschaft" von Peter Weiss, eine Beschreibung des Lagers Auschwitz. Merkwürdig genug: Eben dieses Beitrags wegen zog Paul Celan seine Zusage zur Mitarbeit zurück. Wagenbach erwähnt dies im Nachwort zur Neuausgabe. Man wüßte gern die Gründe. Bobrowski - auch das erfährt man jetzt - hatte mit seinem Rat viel zum Gelingen der Anthologie beigetragen. Als er im September 1965 starb, war der "Atlas" schon im Druck. Daher das "In memoriam Johannes Bobrowski". Es steht über der Erst- wie der Neuausgabe dieser immer noch lesens- und bedenkenswerten Anthologie.
HARALD HARTUNG
"Warum so verlegen". Über die Lust an Büchern und ihre Zukunft. Herausgegeben von Klaus Wagenbach. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2004. 160 S., br., 5,- [Euro].
"Atlas". Zusammengestellt von deutschen Autoren und herausgegeben von Klaus Wagenbach. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2004. 320 S., geb. 18,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Vier Jahrzehnte Wagenbach - Grund genug, in einer Anthologie Rückschau zu halten. Zumal sich in der Geschichte des Verlags auch die Mentalitätsgeschichte der Bundesrepublik spiegelt. Mit Bewertungen des Bandes "Warum so verlegen" hält Harald Hartung sich allerdings zurück - man wird das als Geste des Respekts interpretieren dürfen. Statt dessen zeichnet der Rezensent noch einmal den Weg vom "Enthusiasmus eines Lektors", der sich an Kurt Wolff ein Vorbild nahm, bis zum scherzhaft selbsterklärten "Mitbegründer der Toskanafraktion" nach. Die Anfänge in schwarzem Quart mit Ingeborg Bachmann und Günter Grass. Fast Unbekannte wie Bobrowski, Hermlin und Biermann. Konflikte erst mit der DDR-Führung, dann mit der Springer-Presse. Querelen um Ulrike Meinhofs Hörspiel "Bambule", um die Publikation des Manifests der RAF und des "Roten Kalenders für Lehrlinge und Schüler". Die "Machtkämpfe innerhalb des Verlags", die "grassierende Kollektivierungs- und Literaturabschaffungseuphorie der Linken". Die Neugründung des Verlags. Dann der italienische Programmschwerpunkt mit Pasolini als "Stifter- und Heiligenfigur". Der "Freibeuter". All das kann man, wie der Rezensent, nachlesen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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