Wer sind wir ohne Arbeit? Was brauchen wir zum Leben? Was macht uns aus? David Schalkos »Was der Tag bringt« ist ein bestechender Kommentar auf unsere sich radikal verändernde Arbeitswelt - ein Roman, komisch und aufwühlend bis zuletzt. Eine brillante Groteske über unsere postpandemische Gegenwart.
Felix ist Ende dreißig, Single und Unternehmer. Mit seinem Start-up für nachhaltiges Catering ist er, endlich, auf einem guten Weg. Dann aber kommt die Pandemie, bleiben die Aufträge aus, gewährt ihm die Bank keinen weiteren Kredit. Felix muss die Firma schließen und sich reduzieren, muss Auto, Möbel, Schmuck verkaufen, um wenigstens die von der Mutter geerbte Wohnung behalten zu dürfen. Um über die Runden zu kommen, ist er fortan gezwungen, die Wohnung monatlich für acht Tage zu vermieten. Monat für Monat zieht Felix also von Gästecouch zu Gästecouch, verstrickt sich vor Scham in bizarren Geschichten, gerät mit guten Freunden aneinander, zweifelt, taumelt durch die Ruinen seines früheren Lebens, sucht nach einem Sinn, der nicht in der Arbeit liegt, und zieht sich schließlich immer weiter zurück, wird sich selbst fremd, fällt und fällt. Wo schlägt er auf? Wer kann ihn halten?
Mit unnachahmlichem Witz und Scharfsinn erzählt David Schalko von einem, dem das Leben entgleist und die Gesellschaft abhandenkommt, der um Existenz und Sinn ringt in einer ihm immer fremder werdenden Welt. »Was der Tag bringt« ist ein faszinierendes Psychogramm der Post-Covid-Gesellschaft und ein Text, der die großen Fragen der Zeit mit erzählerischer Leichtigkeit verhandelt.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Felix ist Ende dreißig, Single und Unternehmer. Mit seinem Start-up für nachhaltiges Catering ist er, endlich, auf einem guten Weg. Dann aber kommt die Pandemie, bleiben die Aufträge aus, gewährt ihm die Bank keinen weiteren Kredit. Felix muss die Firma schließen und sich reduzieren, muss Auto, Möbel, Schmuck verkaufen, um wenigstens die von der Mutter geerbte Wohnung behalten zu dürfen. Um über die Runden zu kommen, ist er fortan gezwungen, die Wohnung monatlich für acht Tage zu vermieten. Monat für Monat zieht Felix also von Gästecouch zu Gästecouch, verstrickt sich vor Scham in bizarren Geschichten, gerät mit guten Freunden aneinander, zweifelt, taumelt durch die Ruinen seines früheren Lebens, sucht nach einem Sinn, der nicht in der Arbeit liegt, und zieht sich schließlich immer weiter zurück, wird sich selbst fremd, fällt und fällt. Wo schlägt er auf? Wer kann ihn halten?
Mit unnachahmlichem Witz und Scharfsinn erzählt David Schalko von einem, dem das Leben entgleist und die Gesellschaft abhandenkommt, der um Existenz und Sinn ringt in einer ihm immer fremder werdenden Welt. »Was der Tag bringt« ist ein faszinierendes Psychogramm der Post-Covid-Gesellschaft und ein Text, der die großen Fragen der Zeit mit erzählerischer Leichtigkeit verhandelt.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Die taz bringt eine letzte Kritik ihres kürzlich verstorbenen Redakteurs Ralf Leonhard. In David Schalkos Roman lernt er einen Antihelden kennen, der direkt unserer postpandemischen Gesellschaft entspringt: einsam, ausgebrannt, illusionslos und finanziell ruiniert. Den Abstieg der Figur erzählt Schalko laut Leonhard nicht, ohne sich einiger Metaphern für den totalen Kapitalismus zu bedienen. Am Ende der Lektüre steht für den Rezensenten die ernüchternde Erkenntnis: Der Protagonist sucht die Liebe, kann aber nicht lieben, nicht einmal sich selbst.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Die taz bringt eine letzte Kritik ihres kürzlich verstorbenen Redakteurs Ralf Leonhard. In David Schalkos Roman lernt er einen Antihelden kennen, der direkt unserer postpandemischen Gesellschaft entspringt: einsam, ausgebrannt, illusionslos und finanziell ruiniert. Den Abstieg der Figur erzählt Schalko laut Leonhard nicht, ohne sich einiger Metaphern für den totalen Kapitalismus zu bedienen. Am Ende der Lektüre steht für den Rezensenten die ernüchternde Erkenntnis: Der Protagonist sucht die Liebe, kann aber nicht lieben, nicht einmal sich selbst.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.05.2023Man kann nicht alles haben
In „Was der Tag bringt“ stattet David Schalko einen Mann mit einer magischen Kreditkarte aus.
Gute Idee. Jedoch fehlt dem Roman, was den Autor sonst auszeichnet: der Humor
VON JOACHIM HENTSCHEL
Ob man die Situation als Traum oder eher als Albtraum empfindet, ist hier vielleicht eine Frage der Tagesform. Der Schauplatz: ein Luxushotel auf einem Berg, einem Zauberberg vermutlich, aber Genaueres weiß keiner, denn der genaue Ort wird geheim gehalten. Der Gast: ein gewisser Felix, Ende 30, aller Wahrscheinlichkeit nach aus Wien, auch das bleibt unklar. Felix hat gerade sein Auto an einen weitgehend Unbekannten verliehen, der ihm auf dem Hinweg begegnet ist. Als Gegenleistung und Pfand hat der Fremde ihm eine Kreditkarte überreicht. Es ist ein geradezu wundertätiges Exemplar: ausgestellt auf einen ebenfalls ominösen Chinesen, ohne Limit, immer gedeckt. Bis der Mann ihm das Auto zurückbringt, darf Felix sie benutzen, so ausgiebig er will.
Und das tut er. Er bucht Massagen, trinkt teure Cocktails weg wie Wasser. Er raucht Kette, obwohl er doch Nichtraucher ist. Wirft Lokalrunden, setzt im hoteleigenen Casino alles auf die falschen Farben. Es ist wie in einem dieser Brüder-Grimm-Märchen, in denen ein Wandersmann eine Wunschmaschine findet. Und dann natürlich schnell merkt, dass das Alles-haben-Können ihn auch nicht zufrieden macht.
Im Fall von Felix, der Hauptfigur in David Schalkos neuem Roman „Was der Tag bringt“, geht es dabei weniger um die Lernziele der Biedermeiermoral, sondern mehr um den sozialökonomischen Aspekt. Wie fühlt sich Konsum an, wenn man nicht für ihn arbeiten muss, ihn nicht mehr als verdiente Kompensation für eigene Leistungen sehen kann? Und was passiert, wenn man in der wunderschönen Zwecklosigkeit des Genusses plötzlich doch dringend irgendeinen Zweck finden muss, weil man sonst gar nichts mehr hat?
Bei Felix werden jedenfalls bald die Hotelangestellten besorgt an die Tür klopfen, nachdem er sich tagelang im Zimmer verschanzt hat, überfordert vom Zwanghaften, das seine Freiheiten entwickeln. Das Fort-da-Spiel zwischen der totalen Grenzenlosigkeit und dem kompletten Rückzug ist eines der Themen des Buches. Und wer findet, dass das für einen neuen Schalko-Roman schon bis hierher reichlich vergeistigt und anstrengend klingt, liegt völlig richtig. Das inzwischen gewaltige Werk des Wiener Autors, Regisseurs, Produzenten und Konzepters ist zwar unter anderem für seinen Einfallsreichtum bekannt, der ab und zu ins Verwirrende und Schmerzhafte überbordet. In der Regel steckt dahinter der schiere, kaum zu zügelnde Spaß am Grotesken, an bösen Wahrheiten, am erzählerischen Top-Spin. Auch an der Zärtlichkeit, die man selbst in den wüstesten Fratzen erkennt, wenn man sich nur nah genug an sie herantraut.
David Schalkos TV-Serien „Braunschlag“ und „Altes Geld“ haben zu Recht kanonischen Status, nicht nur bei Austro-Fetischisten mit Thomas-Bernhard-Fixierung. Seine Romane „Bad Regina“ (über Ränkekapriolen in einem verrottenden Kurort) oder „Schwere Knochen“ (über das Nachbeben der NS-Zeit in der österreichischen Unterwelt) sind Feuerwerkfestspiele voller Dialogwitz, irrer Wendungen und eitrig brennendem Herzschmerz. Dass sein lange angekündigter, mit Jan Böhmermann entworfener Film über Heinz-Christian Strache und die Ibiza-Affäre nun doch nicht kommt, gehört zu den tragischen Nachrichten des Medienjahres.
Schalko, 50, ist im deutschsprachigen Raum einer der ganz wenigen, die das ernsthaft Literarische und mitunter sogar boulevardesk Unterhaltsame parallel beherrschen. Und wenn es nicht so wahnsinnig kulturpessimistisch klänge, müsste man über den neuen Roman sagen: Dieses Mal ist das Literarische leider ein bisschen zu sehr mit ihm durchgegangen.
Dabei verspricht die Exposition von „Was der Tag bringt“, seinem sechsten Roman, an sich viel Potenzial. Der besagte Felix ist gerade mit seinem Start-up insolvent gegangen. Um die prekäre Phase zu überbrücken, verkauft er nicht nur den Großteil seines Besitzes, sondern vermietet über ein Airbnb-artiges Portal die eigene Wohnung. Den Unterschlupf, den er für die Tage der Teilzeit-Obdachlosigkeit braucht, sucht er an diversen Schicksals- und Selbsterfahrungsorten: auf der Couch eines Freundes, dessen Frau er begehrt, im Kinderzimmer seines Elternhauses oder im erwähnten, durch die faustische Kreditkarte finanzierten Hotel.“Das ist eine Riesenchance, Felix“, begeistert sich der Freund. „Du bist dort, wo viele bald ankommen werden. Dein Tag wird nicht mehr von Arbeit strukturiert.“ Wogegen die Frau zwar schlecht gelaunt, aber folgerichtig einwendet: „Muss jetzt auch der Müßiggang schon effizient sein?“ Wer von diesem Buch den großen Bedingungsloses-Grundeinkommen-Roman erhofft, wird natürlich enttäuscht werden.
Die äußere Handlung ist in „Was der Tag bringt“ ohnehin weniger eine echte Geschichte, mehr eine Art Portfolio der möglichen Zustände, ähnlich wie in Schalkos multiperspektivischer Serie „Ich und die Anderen“ von 2021. Protagonist Felix spielt zahlreiche Ansätze durch, mit deren Hilfe er die gesellschaftliche Entwurzelung produktiv verarbeiten könnte. Entäußert sich, verinnerlicht sich, konfrontiert sich mit Erinnerungen und Menschen, die es sich in ihren Zwischenstadien halbwegs gut eingerichtet haben. Der Held reflektiert über die Widersprüchlichkeit des Begehrens, laviert hin und her zwischen Fluchtreflex und sexuellen Fantasien, Ich- und Realitätsverlust, und ja: Viel konkreter und griffiger wird es nicht. Wenn man über diesen Romaninhalt spricht, klingt man schnell wie jemand, der in der Dönerbudenschlange hektisch versucht, den Umstehenden die Grundzüge von Roland Barthes zu erklären. In den besten Momenten liest sich der Text wie ein innerer Detektivmonolog im Stil von Paul Auster. Die schwächsten Passagen wirken dagegen wie eine Sammlung Instagram-Kacheln: „Die Nachahmung der Schöpfung ist der Sinn des Lebens.“ Und: „Viel gewichtiger als, was passiert, ist, was nicht passiert.“
Dass in „Was der Tag bringt“ so wenig passiert und so vieles im Nebel bleibt, ist auch nicht das wahre Problem des Romans. Viel irritierender wirkt die fast gänzliche Abwesenheit dessen, was Schalkos große Texte und Filme so besonders ausgezeichnet hat: seines Humors. Es sei denn, man versteht das gesamte Buch als Metasatire über den weißen, wehleidigen Mann, der sich bei der penibel betriebenen Ich-Erkundung selbst zu zerfleischen droht. Aber das wäre selbst für Schalkos Verhältnisse eine entschieden zu böse Lesart.
Wie fühlt sich Konsum an,
wenn man nicht
für ihn gearbeitet hat?
David Schalkos TV-Serien „Braunschlag“ und „Altes Geld“ haben zu Recht kanonischen Status, nicht nur bei Austro-Fetischisten.
Foto: imago/SKATA
David Schalko:
Was der Tag bringt. Roman. Kiepenheuer & Witsch,
Köln 2023.
304 Seiten, 24 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
In „Was der Tag bringt“ stattet David Schalko einen Mann mit einer magischen Kreditkarte aus.
Gute Idee. Jedoch fehlt dem Roman, was den Autor sonst auszeichnet: der Humor
VON JOACHIM HENTSCHEL
Ob man die Situation als Traum oder eher als Albtraum empfindet, ist hier vielleicht eine Frage der Tagesform. Der Schauplatz: ein Luxushotel auf einem Berg, einem Zauberberg vermutlich, aber Genaueres weiß keiner, denn der genaue Ort wird geheim gehalten. Der Gast: ein gewisser Felix, Ende 30, aller Wahrscheinlichkeit nach aus Wien, auch das bleibt unklar. Felix hat gerade sein Auto an einen weitgehend Unbekannten verliehen, der ihm auf dem Hinweg begegnet ist. Als Gegenleistung und Pfand hat der Fremde ihm eine Kreditkarte überreicht. Es ist ein geradezu wundertätiges Exemplar: ausgestellt auf einen ebenfalls ominösen Chinesen, ohne Limit, immer gedeckt. Bis der Mann ihm das Auto zurückbringt, darf Felix sie benutzen, so ausgiebig er will.
Und das tut er. Er bucht Massagen, trinkt teure Cocktails weg wie Wasser. Er raucht Kette, obwohl er doch Nichtraucher ist. Wirft Lokalrunden, setzt im hoteleigenen Casino alles auf die falschen Farben. Es ist wie in einem dieser Brüder-Grimm-Märchen, in denen ein Wandersmann eine Wunschmaschine findet. Und dann natürlich schnell merkt, dass das Alles-haben-Können ihn auch nicht zufrieden macht.
Im Fall von Felix, der Hauptfigur in David Schalkos neuem Roman „Was der Tag bringt“, geht es dabei weniger um die Lernziele der Biedermeiermoral, sondern mehr um den sozialökonomischen Aspekt. Wie fühlt sich Konsum an, wenn man nicht für ihn arbeiten muss, ihn nicht mehr als verdiente Kompensation für eigene Leistungen sehen kann? Und was passiert, wenn man in der wunderschönen Zwecklosigkeit des Genusses plötzlich doch dringend irgendeinen Zweck finden muss, weil man sonst gar nichts mehr hat?
Bei Felix werden jedenfalls bald die Hotelangestellten besorgt an die Tür klopfen, nachdem er sich tagelang im Zimmer verschanzt hat, überfordert vom Zwanghaften, das seine Freiheiten entwickeln. Das Fort-da-Spiel zwischen der totalen Grenzenlosigkeit und dem kompletten Rückzug ist eines der Themen des Buches. Und wer findet, dass das für einen neuen Schalko-Roman schon bis hierher reichlich vergeistigt und anstrengend klingt, liegt völlig richtig. Das inzwischen gewaltige Werk des Wiener Autors, Regisseurs, Produzenten und Konzepters ist zwar unter anderem für seinen Einfallsreichtum bekannt, der ab und zu ins Verwirrende und Schmerzhafte überbordet. In der Regel steckt dahinter der schiere, kaum zu zügelnde Spaß am Grotesken, an bösen Wahrheiten, am erzählerischen Top-Spin. Auch an der Zärtlichkeit, die man selbst in den wüstesten Fratzen erkennt, wenn man sich nur nah genug an sie herantraut.
David Schalkos TV-Serien „Braunschlag“ und „Altes Geld“ haben zu Recht kanonischen Status, nicht nur bei Austro-Fetischisten mit Thomas-Bernhard-Fixierung. Seine Romane „Bad Regina“ (über Ränkekapriolen in einem verrottenden Kurort) oder „Schwere Knochen“ (über das Nachbeben der NS-Zeit in der österreichischen Unterwelt) sind Feuerwerkfestspiele voller Dialogwitz, irrer Wendungen und eitrig brennendem Herzschmerz. Dass sein lange angekündigter, mit Jan Böhmermann entworfener Film über Heinz-Christian Strache und die Ibiza-Affäre nun doch nicht kommt, gehört zu den tragischen Nachrichten des Medienjahres.
Schalko, 50, ist im deutschsprachigen Raum einer der ganz wenigen, die das ernsthaft Literarische und mitunter sogar boulevardesk Unterhaltsame parallel beherrschen. Und wenn es nicht so wahnsinnig kulturpessimistisch klänge, müsste man über den neuen Roman sagen: Dieses Mal ist das Literarische leider ein bisschen zu sehr mit ihm durchgegangen.
Dabei verspricht die Exposition von „Was der Tag bringt“, seinem sechsten Roman, an sich viel Potenzial. Der besagte Felix ist gerade mit seinem Start-up insolvent gegangen. Um die prekäre Phase zu überbrücken, verkauft er nicht nur den Großteil seines Besitzes, sondern vermietet über ein Airbnb-artiges Portal die eigene Wohnung. Den Unterschlupf, den er für die Tage der Teilzeit-Obdachlosigkeit braucht, sucht er an diversen Schicksals- und Selbsterfahrungsorten: auf der Couch eines Freundes, dessen Frau er begehrt, im Kinderzimmer seines Elternhauses oder im erwähnten, durch die faustische Kreditkarte finanzierten Hotel.“Das ist eine Riesenchance, Felix“, begeistert sich der Freund. „Du bist dort, wo viele bald ankommen werden. Dein Tag wird nicht mehr von Arbeit strukturiert.“ Wogegen die Frau zwar schlecht gelaunt, aber folgerichtig einwendet: „Muss jetzt auch der Müßiggang schon effizient sein?“ Wer von diesem Buch den großen Bedingungsloses-Grundeinkommen-Roman erhofft, wird natürlich enttäuscht werden.
Die äußere Handlung ist in „Was der Tag bringt“ ohnehin weniger eine echte Geschichte, mehr eine Art Portfolio der möglichen Zustände, ähnlich wie in Schalkos multiperspektivischer Serie „Ich und die Anderen“ von 2021. Protagonist Felix spielt zahlreiche Ansätze durch, mit deren Hilfe er die gesellschaftliche Entwurzelung produktiv verarbeiten könnte. Entäußert sich, verinnerlicht sich, konfrontiert sich mit Erinnerungen und Menschen, die es sich in ihren Zwischenstadien halbwegs gut eingerichtet haben. Der Held reflektiert über die Widersprüchlichkeit des Begehrens, laviert hin und her zwischen Fluchtreflex und sexuellen Fantasien, Ich- und Realitätsverlust, und ja: Viel konkreter und griffiger wird es nicht. Wenn man über diesen Romaninhalt spricht, klingt man schnell wie jemand, der in der Dönerbudenschlange hektisch versucht, den Umstehenden die Grundzüge von Roland Barthes zu erklären. In den besten Momenten liest sich der Text wie ein innerer Detektivmonolog im Stil von Paul Auster. Die schwächsten Passagen wirken dagegen wie eine Sammlung Instagram-Kacheln: „Die Nachahmung der Schöpfung ist der Sinn des Lebens.“ Und: „Viel gewichtiger als, was passiert, ist, was nicht passiert.“
Dass in „Was der Tag bringt“ so wenig passiert und so vieles im Nebel bleibt, ist auch nicht das wahre Problem des Romans. Viel irritierender wirkt die fast gänzliche Abwesenheit dessen, was Schalkos große Texte und Filme so besonders ausgezeichnet hat: seines Humors. Es sei denn, man versteht das gesamte Buch als Metasatire über den weißen, wehleidigen Mann, der sich bei der penibel betriebenen Ich-Erkundung selbst zu zerfleischen droht. Aber das wäre selbst für Schalkos Verhältnisse eine entschieden zu böse Lesart.
Wie fühlt sich Konsum an,
wenn man nicht
für ihn gearbeitet hat?
David Schalkos TV-Serien „Braunschlag“ und „Altes Geld“ haben zu Recht kanonischen Status, nicht nur bei Austro-Fetischisten.
Foto: imago/SKATA
David Schalko:
Was der Tag bringt. Roman. Kiepenheuer & Witsch,
Köln 2023.
304 Seiten, 24 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
»Schalko schafft es jedoch grandios, Felix, der qua Vorname ein Glücklicher sein müsste, in seiner Perspektivlosigkeit zu beschreiben [...]. Keine leichte Sommerlektüre, aber ein Buch zum Abtauchen in die dunkle Gefühlswelt eines jungen Mannes, vielleicht sogar sinnbildlich für eine ganze Generation, um nach dem Auftauchen wieder die schönen Seiten der Welt genießen zu können.« Markus Hinterberger Handelsblatt 20230707