Ausgezeichnet mit dem PEN Open Book Award»Überragend.« The New York Times Book ReviewDas neue Buch der preisgekrönten StarautorinWilde, bunte Geschichten für wilde, bunte Zeiten»Oyeyemi bremst für niemanden.« Vulture»Helen Oyeyemi ist eine der aufregendsten, geistreichsten und neugierigsten Schriftstellerinnen unserer Zeit - und eine Autorin von Sätzen, die so elegant sind, dass sie leuchten.« The TimesAlles beginnt mit einem ausgesetzten Baby, das einen goldenen Schlüssel zu einem verwunschenen Garten um den Hals trägt ...Helen Oyeyemi trägt uns mit ihrer unvergleichlichen Fantasie durch Zeiten und Länder, verwischt die Grenzen gleichzeitig existierender Wirklichkeiten, verbindet dabei leichtfüßig den Erzählreigen durch immer wiederkehrende Figuren, Schauplätze und vor allem - Schlüssel. Schlüssel zu Orten, Herzen und Geheimnissen. Und immer wieder stellt sich die Frage, ob ein Schlüssel wirklich gedreht werden soll, oder ob es besser ist, dem Unbekannten seine Magie zu lassen.Helen Oyeyemis immer überraschende Geschichten nähren sich aus Märchen und Mythen und wendet sie zu einem geistreichen Kommentar einer sehr aktuellen Gegenwart.Wilde, bunte Geschichten für wilde, bunte Zeiten.»Jede Zeile leuchtet; jedes Bild ist so präzise, stimmig und so genau platziert, als wäre es aus Glas geschnitten. Eine wirklich ausgesprochen schöne Geschichtensammlung, voller Ideen und Bilder, die noch für eine sehr lange Zeit in den Gedanken nachklingen.« Vox»Je länger man sich von dem erzählerischen Garn dieser Geschichten einspinnen lässt, umso mehr Geheimnisse und Gefahren begegnen einem, und mit jeder Erzählung hatte ich die wunderbare und seltene Erfahrung, vollkommen überrascht zu werden ... überragend.« The New York Times Book Review»Eine ausgesprochen süchtig machende Lektüre.« Nylon»Helen Oyeyemi ist ein literarisches Genie.« Bustle»Helen Oyeyemi hat sich als eine der erstklassigsten Geschichtenerzählerinnen in der zeitgenössischen Literatur etabliert.« Flavorwire»Eine Offenbarung ... der perfekte Prosaband.« Mashable»Oyeyemi hat ein Auge für das leicht Verschrobene, das seltsame Detail, das die Normalität in etwas Wunderbares und erschreckend Seltsames verwandelt.« The Boston Globe»Oyeyemi bringt Magie in das Leben ihrer zeitgemäßen, heutigen Figuren.« TIME»Das Buch ist, in einem Wort, makellos ... 'Was Du nicht hast, das brauchst Du nicht' ist so Vieles zugleich: verträumt, fesselnd und vollkommen anders als alles, was man sich vorstellen könnte. Oyeyemis Talent ist ebenso einzigartig wie beeindruckend.« NPR (National Public Radio)»Wunderbar originell ... Die einfallsreichste Geschichtensammlung des Jahres.« O, The Oprah Magazine»Freigeistig und erfinderisch ... Diese Geschichten sind voller Zärtlichkeit, Humor und seltsamer Freuden.« The Financial Times»Zauberhaft und atemberaubend.» Elle
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.12.2018Ist dein Blut auch so rot?
Fabelhafte, undogmatische, ernste, possenhafte Spiele der Freiheit:
Helen Oyeyemis Erzählungen „Was du nicht hast, das brauchst du nicht“
VON INSA WILKE
Man muss nicht ins Wunderland wandern, damit Frühstückseier Revolutionen auslösen. Das geht auch im Literaturbetrieb, der sich derzeit zwar oft wunderlich verhält, manchmal aber doch den richtigen Riecher hat. Es war nämlich sozusagen ein Frühstücksei, dass für Sharon Dodua Otoo 2016 in Klagenfurt den Ingeborg-Bachmann-Preis gewann. Aber nicht nur des erzählenden Frühstückseis wegen hatte man den Eindruck, diese bemerkenswerte Autorin schlägt einen neuen Ton an. Etwas funktionierte anders in Otoos Wettbewerbstext „Herr Göttrupp setzt sich hin“. Und dieses „andere“ wirkte nicht wie ein einmaliger Einfall, sondern wie Programm.
Was dieses Programm auszeichnet, wird einem deutlich, wenn man den Erzählungsband einer anderen Autorin liest, der 1984 geborenen Britin Helen Oyeyemi. Er heißt auf Deutsch „Was du nicht hast, das brauchst du nicht“. Wie bei Otoo hat man den Eindruck, dass hier eine Autorin absolut und völlig unverbissen überzeugt ist von der Notwendigkeit ihrer geisterhaft leichtfüßigen, subkutan revolutionären Erzählweise in eigentlich ganz einfacher Sprache. Neu daran ist eine andere Form der Genauigkeit.
Helen Oyeyemi, der man in England einiges zutraut und deren Erzählungsband bereits ihr siebtes Buch ist, wurde in den fremdsprachigen Abteilungen der großen deutschen Verlagshäuser offenkundig nicht ernst genug genommen, um sie langfristig aufzubauen. Zumindest wurde sie nach ihren ersten beiden Büchern bei Bloomsbury Berlin nicht in die Piper-Verlage übernommen, sondern wird nun vom Hamburger Fünf-Personen-Betrieb Culturbooks verlegt. Ihre jetzige Übersetzerin Zoë Beck, die mit Jan Karsten Culturbooks 2013 unter dem verlegerisch einzig überzeugenden Motto „Wir machen, was uns gefällt“ gründete und leitet, hat offensichtlich Sinn für die Bedeutung dieser Autorin und ihre humoresken Finten.
Helen Oyeyemi veröffentlichte mit nur neunzehn Jahren ihren ersten Roman. Sie wurde auf die angesehene Liste „Best of Young British Novelists“ des Magazins Granta gewählt, das 1889 von Cambridge-Studenten gegründet wurde. Das ist insofern fast so schicksalhaft wie die verwickelten Wendungen in Oyeyemis Geschichten, weil eine von ihnen, vielleicht sogar die beste, in Cambridge spielt. Und das hat wieder tiefere Bedeutung, schließlich war Cambridge die Hochschule, die sich nach dem Ersten Weltkrieg noch lange nach Oxford weigerte, Frauen dieselben akademischen Grade zu verleihen wie Männern. Nachlesen kann man das zum Beispiel in „Vermächtnis einer Jugend“, Vera Brittains unbedingt lesenswertem Bestseller über die im Ersten Weltkrieg verheizte Generation, der 1933 in England und den USA den Zeitgeist traf und jetzt bei Matthes & Seitz Berlin erstmals in deutscher Übersetzung erschienen ist.
Man könnte Oyeyemis Erzählungen ganz einfach für unterhaltsame, komische Grotesken um junge Leute, verliebte Frauen, verlorene Seelen, verwirrte Tyrannen und lebende Puppen halten, für Märchen vom armen Findelkind und Legenden über ganz reale Gemeinheiten wie die, Schwächeren die Schuld für eigene Probleme in die Schuhe zu schieben. Man kann dieses Buch für einen bunten Zirkus, ein magisches Schattenspiel und absurdes Theater voller verrückter Einfälle und fluider Figuren halten und beim Lesen mal betroffen schweigen, häufiger aber schallend lachen, weil hier so lässig Edgar Allan Poe der Realityshow die Hand reicht.
Man könnte aber auch darüber nachdenken, inwiefern Helen Oyeyemi eigentlich in einer ziemlich direkten Linie mit der berühmten Feministin und Autorin Vera Brittain steht, von der man – Hand aufs Herz – hinter den sieben deutschen Bergen außerhalb von Fachkreisen noch nicht viel gehört hat. Beide Autorinnen vertreten hartnäckig den Wunsch, der Welt ihren alternativlosen Lauf nicht einfach so durchgehen zu lassen. Bei Oyeyemi ist es die Sprache, die sie dem Weltenlauf wie einen sehr feinen Sand ins Getriebe streut, sodass es zart knirscht, wenn sie die Zahnräder auf eine leicht veränderte Spur Richtung Zukunft setzt. Zum Beispiel in der schon erwähnten Cambridge-Geschichte „Eine kurze Geschichte der Gesellschaft hässlicher Frauenzimmer“.
Die Geschichte spielt in der Gegenwart, bezieht sich aber auf eine Anekdote aus dem Jahr 1949. Damals brach die Bettencourt Society in Cambridge, eine Art Studentenverbindung, mit der Tradition, einmal im Jahr die schönsten Studentinnen zu sich einzuladen, weil ein dichtendes Mitglied den Wunsch verspürte, nicht die Schönste der Schönen, sondern die Hässlichste der Hässlichsten als Muse zu engagieren. Die Bettencourt-Jungs schwärmten also aus und stellten ihrem Kumpanen eine Liste zusammen, wovon wiederum die Schönen Wind bekamen und woraufhin sie kurz entschlossen die „Gesellschaft der hässlichen Frauenzimmer“ gründeten – der Beginn einer langen, herrlichen Feindschaft.
Es ist ein fabelhaftes, undogmatisches, ernstes, possenhaftes Spiel der Freiheit, das Oyeyemi aus dieser Konstellation und der Frage nach den heutigen „hässlichen Frauenzimmern“ gewinnt. Ihre Geschichten sprühen vor handfesten Einfällen wie dem, ihre literarischen Wahlverwandten durch einen Streich der hässlichen Frauenzimmer in die Bibliothek der Bettencourts einzuschmuggeln. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wird Henry James gegen Edith Wharton, Dany Lafèrriere gegen Elaine Dundy, Nikolai Gogol gegen Maggie Nelson getauscht. Ein Schabernack, ein offenherziges intertextuelles Spiel, das auf die lange Geschichte von Schmerz, Ausgrenzung und Stigmatisierungen hinweist.
Oyeyemi löst diese Geschichte nicht auf, sondern würdigt und verwandelt sie. Sie malt eine Welt aus, wie sie sein könnte, und entwirft Geschichten, die meistens mit einem Lächeln enden. Es ist aber kein Lächeln, das beruhigt und lahmlegt, sondern eines, das einen staunend die Ärmel hochkrempeln und dieser ansteckenden Lebensfreude nachspüren lässt.
Dabei ist es ein sehr einfacher Trick, der durch dieses Buch geistert und zeigt, welche literarischen Möglichkeiten mit der Idee einer gerechten, genauen Sprache verbunden sein können. Helen Oyeyemi verzichtet auf Zuschreibungen und – auch in grammatischer Hinsicht – Festlegungen. Weniger aggressiv als Sasha Marianna Salzmann in ihrem Roman „Außer sich“ (2017) lässt sie ihre Figuren aus der düsteren Geschichte einer als Kultur verkleideten Machtpolitik heraustreten und zeigt, wie lächerlich einfach es ist, jemanden wie die junge Dayang nicht über Herkunft, Geschlecht, Haarfarbe zu beschreiben, sondern zum Beispiel als eine „Gärtnerin, die Gedanken züchtet“, und als eine Person, die gut zuschlagen kann und zwar schmerzhaft, auf die Venen.
In gewisser Weise zielt auch „Days“ Autorin auf die Venen. Sie bringt einen immer mal wieder ins Stottern, indem sie auf Kategorien verzichtet, die zwar alternativlos zu sein scheinen, aber eben die Möglichkeiten, Geschichten neu zu schreiben, von vornherein abschnüren. Dabei verzichtet sie nicht darauf, genau dieses Dilemma mitklingen zu lassen. Es ist außerordentlich intelligent, wie sie das tut. Und es ist befreiend. Sie erzählt so schändlich „wollüstig“, wie ihre Figuren leben, Häuser bauen und Theater spielen.
Deren Gegnern, die sich über ihre Disziplinlosigkeit und ihren Mangel an ästhetischem Ehrgeiz empören, wie ein Architekturkritiker in der Erzählung „Bücher und Rosen“, erklärt Oyeyemi nicht den Krieg. Sie schreibt keine Kampfansage. Helen Oyeyemi zaubert einem stattdessen den Schlüssel zu einem geheimen Garten in die Vorstellung, der schon immer in der Mitte eines jeden Lebens verborgen lag. Sie öffnet die Türen zu diesem Garten. Und man hört zwischen den Zeilen keinen Vorwurf, keine Bitterkeit, sondern nur ihr leises, heiteres, um unsere Not wissendes Kichern.
Oyeyemi schmuggelt ihre
literarischen Wahlverwandten
in die Bibliothek der Jungs
Diese Autorin beschreibt ihre
Figuren nicht über Herkunft,
Geschlecht oder Haarfarbe
Mit neunzehn Jahren veröffentliche sie ihr erstes Buch: Helen Oyeyemi.
Foto: Antoine Doyen/Opale/Leemage/laif
Helen Oyeyemi: Was du nicht hast, das brauchst du nicht. Aus dem Englischen von Zoë Beck. Culturbooks Verlag, Hamburg 2018.
288 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Fabelhafte, undogmatische, ernste, possenhafte Spiele der Freiheit:
Helen Oyeyemis Erzählungen „Was du nicht hast, das brauchst du nicht“
VON INSA WILKE
Man muss nicht ins Wunderland wandern, damit Frühstückseier Revolutionen auslösen. Das geht auch im Literaturbetrieb, der sich derzeit zwar oft wunderlich verhält, manchmal aber doch den richtigen Riecher hat. Es war nämlich sozusagen ein Frühstücksei, dass für Sharon Dodua Otoo 2016 in Klagenfurt den Ingeborg-Bachmann-Preis gewann. Aber nicht nur des erzählenden Frühstückseis wegen hatte man den Eindruck, diese bemerkenswerte Autorin schlägt einen neuen Ton an. Etwas funktionierte anders in Otoos Wettbewerbstext „Herr Göttrupp setzt sich hin“. Und dieses „andere“ wirkte nicht wie ein einmaliger Einfall, sondern wie Programm.
Was dieses Programm auszeichnet, wird einem deutlich, wenn man den Erzählungsband einer anderen Autorin liest, der 1984 geborenen Britin Helen Oyeyemi. Er heißt auf Deutsch „Was du nicht hast, das brauchst du nicht“. Wie bei Otoo hat man den Eindruck, dass hier eine Autorin absolut und völlig unverbissen überzeugt ist von der Notwendigkeit ihrer geisterhaft leichtfüßigen, subkutan revolutionären Erzählweise in eigentlich ganz einfacher Sprache. Neu daran ist eine andere Form der Genauigkeit.
Helen Oyeyemi, der man in England einiges zutraut und deren Erzählungsband bereits ihr siebtes Buch ist, wurde in den fremdsprachigen Abteilungen der großen deutschen Verlagshäuser offenkundig nicht ernst genug genommen, um sie langfristig aufzubauen. Zumindest wurde sie nach ihren ersten beiden Büchern bei Bloomsbury Berlin nicht in die Piper-Verlage übernommen, sondern wird nun vom Hamburger Fünf-Personen-Betrieb Culturbooks verlegt. Ihre jetzige Übersetzerin Zoë Beck, die mit Jan Karsten Culturbooks 2013 unter dem verlegerisch einzig überzeugenden Motto „Wir machen, was uns gefällt“ gründete und leitet, hat offensichtlich Sinn für die Bedeutung dieser Autorin und ihre humoresken Finten.
Helen Oyeyemi veröffentlichte mit nur neunzehn Jahren ihren ersten Roman. Sie wurde auf die angesehene Liste „Best of Young British Novelists“ des Magazins Granta gewählt, das 1889 von Cambridge-Studenten gegründet wurde. Das ist insofern fast so schicksalhaft wie die verwickelten Wendungen in Oyeyemis Geschichten, weil eine von ihnen, vielleicht sogar die beste, in Cambridge spielt. Und das hat wieder tiefere Bedeutung, schließlich war Cambridge die Hochschule, die sich nach dem Ersten Weltkrieg noch lange nach Oxford weigerte, Frauen dieselben akademischen Grade zu verleihen wie Männern. Nachlesen kann man das zum Beispiel in „Vermächtnis einer Jugend“, Vera Brittains unbedingt lesenswertem Bestseller über die im Ersten Weltkrieg verheizte Generation, der 1933 in England und den USA den Zeitgeist traf und jetzt bei Matthes & Seitz Berlin erstmals in deutscher Übersetzung erschienen ist.
Man könnte Oyeyemis Erzählungen ganz einfach für unterhaltsame, komische Grotesken um junge Leute, verliebte Frauen, verlorene Seelen, verwirrte Tyrannen und lebende Puppen halten, für Märchen vom armen Findelkind und Legenden über ganz reale Gemeinheiten wie die, Schwächeren die Schuld für eigene Probleme in die Schuhe zu schieben. Man kann dieses Buch für einen bunten Zirkus, ein magisches Schattenspiel und absurdes Theater voller verrückter Einfälle und fluider Figuren halten und beim Lesen mal betroffen schweigen, häufiger aber schallend lachen, weil hier so lässig Edgar Allan Poe der Realityshow die Hand reicht.
Man könnte aber auch darüber nachdenken, inwiefern Helen Oyeyemi eigentlich in einer ziemlich direkten Linie mit der berühmten Feministin und Autorin Vera Brittain steht, von der man – Hand aufs Herz – hinter den sieben deutschen Bergen außerhalb von Fachkreisen noch nicht viel gehört hat. Beide Autorinnen vertreten hartnäckig den Wunsch, der Welt ihren alternativlosen Lauf nicht einfach so durchgehen zu lassen. Bei Oyeyemi ist es die Sprache, die sie dem Weltenlauf wie einen sehr feinen Sand ins Getriebe streut, sodass es zart knirscht, wenn sie die Zahnräder auf eine leicht veränderte Spur Richtung Zukunft setzt. Zum Beispiel in der schon erwähnten Cambridge-Geschichte „Eine kurze Geschichte der Gesellschaft hässlicher Frauenzimmer“.
Die Geschichte spielt in der Gegenwart, bezieht sich aber auf eine Anekdote aus dem Jahr 1949. Damals brach die Bettencourt Society in Cambridge, eine Art Studentenverbindung, mit der Tradition, einmal im Jahr die schönsten Studentinnen zu sich einzuladen, weil ein dichtendes Mitglied den Wunsch verspürte, nicht die Schönste der Schönen, sondern die Hässlichste der Hässlichsten als Muse zu engagieren. Die Bettencourt-Jungs schwärmten also aus und stellten ihrem Kumpanen eine Liste zusammen, wovon wiederum die Schönen Wind bekamen und woraufhin sie kurz entschlossen die „Gesellschaft der hässlichen Frauenzimmer“ gründeten – der Beginn einer langen, herrlichen Feindschaft.
Es ist ein fabelhaftes, undogmatisches, ernstes, possenhaftes Spiel der Freiheit, das Oyeyemi aus dieser Konstellation und der Frage nach den heutigen „hässlichen Frauenzimmern“ gewinnt. Ihre Geschichten sprühen vor handfesten Einfällen wie dem, ihre literarischen Wahlverwandten durch einen Streich der hässlichen Frauenzimmer in die Bibliothek der Bettencourts einzuschmuggeln. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wird Henry James gegen Edith Wharton, Dany Lafèrriere gegen Elaine Dundy, Nikolai Gogol gegen Maggie Nelson getauscht. Ein Schabernack, ein offenherziges intertextuelles Spiel, das auf die lange Geschichte von Schmerz, Ausgrenzung und Stigmatisierungen hinweist.
Oyeyemi löst diese Geschichte nicht auf, sondern würdigt und verwandelt sie. Sie malt eine Welt aus, wie sie sein könnte, und entwirft Geschichten, die meistens mit einem Lächeln enden. Es ist aber kein Lächeln, das beruhigt und lahmlegt, sondern eines, das einen staunend die Ärmel hochkrempeln und dieser ansteckenden Lebensfreude nachspüren lässt.
Dabei ist es ein sehr einfacher Trick, der durch dieses Buch geistert und zeigt, welche literarischen Möglichkeiten mit der Idee einer gerechten, genauen Sprache verbunden sein können. Helen Oyeyemi verzichtet auf Zuschreibungen und – auch in grammatischer Hinsicht – Festlegungen. Weniger aggressiv als Sasha Marianna Salzmann in ihrem Roman „Außer sich“ (2017) lässt sie ihre Figuren aus der düsteren Geschichte einer als Kultur verkleideten Machtpolitik heraustreten und zeigt, wie lächerlich einfach es ist, jemanden wie die junge Dayang nicht über Herkunft, Geschlecht, Haarfarbe zu beschreiben, sondern zum Beispiel als eine „Gärtnerin, die Gedanken züchtet“, und als eine Person, die gut zuschlagen kann und zwar schmerzhaft, auf die Venen.
In gewisser Weise zielt auch „Days“ Autorin auf die Venen. Sie bringt einen immer mal wieder ins Stottern, indem sie auf Kategorien verzichtet, die zwar alternativlos zu sein scheinen, aber eben die Möglichkeiten, Geschichten neu zu schreiben, von vornherein abschnüren. Dabei verzichtet sie nicht darauf, genau dieses Dilemma mitklingen zu lassen. Es ist außerordentlich intelligent, wie sie das tut. Und es ist befreiend. Sie erzählt so schändlich „wollüstig“, wie ihre Figuren leben, Häuser bauen und Theater spielen.
Deren Gegnern, die sich über ihre Disziplinlosigkeit und ihren Mangel an ästhetischem Ehrgeiz empören, wie ein Architekturkritiker in der Erzählung „Bücher und Rosen“, erklärt Oyeyemi nicht den Krieg. Sie schreibt keine Kampfansage. Helen Oyeyemi zaubert einem stattdessen den Schlüssel zu einem geheimen Garten in die Vorstellung, der schon immer in der Mitte eines jeden Lebens verborgen lag. Sie öffnet die Türen zu diesem Garten. Und man hört zwischen den Zeilen keinen Vorwurf, keine Bitterkeit, sondern nur ihr leises, heiteres, um unsere Not wissendes Kichern.
Oyeyemi schmuggelt ihre
literarischen Wahlverwandten
in die Bibliothek der Jungs
Diese Autorin beschreibt ihre
Figuren nicht über Herkunft,
Geschlecht oder Haarfarbe
Mit neunzehn Jahren veröffentliche sie ihr erstes Buch: Helen Oyeyemi.
Foto: Antoine Doyen/Opale/Leemage/laif
Helen Oyeyemi: Was du nicht hast, das brauchst du nicht. Aus dem Englischen von Zoë Beck. Culturbooks Verlag, Hamburg 2018.
288 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Edelgard Abenstein hält Helen Oyeyemis Erzählungen für gute Literatur. Das liegt für sie an Oyeyemis Fähigkeit, leicht und präzis Fantastisches mit unserer Lebenswirklichkeit zu verzahnen und so etwas zu schaffen, das uns mitreißt und weiterbringt. Zwischen Komik und Magie schwanken die Geschichten um Liebe und Identität der aus Nigeria stammenden Autorin laut Rezensentin. Die Figuren findet sie schrill und bunt wie bei E.T.A. Hoffmann. Dass nicht jede Story im Band überzeugt, sondern die eine oder andere durch Überfrachtung mit Ideen zerfasert oder durch das dauernde Hin und Her zwischen Identitäten unrund läuft , findet Abenstein verzeihlich.
© Perlentaucher Medien GmbH
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