Der neue Roman der Bestseller-Autorin von »Der Freund«
»Eine begnadete Schriftstellerin.« DER SPIEGEL
»Voller Geistesgegenwart und Zärtlichkeit.« PEOPLE
»Man folgt ihr gespannt bis zur letzten Seite und fühlt sich auf eine sehr zivilisierte Weise getröstet.« JOHANNA ADORJÁN
»Liebe, Verlust, Freundschaft, Empathie - und so viel Weisheit. Ich verehre Sigrid Nunez.« PAULA HAWKINS
»Ein profundes Buch.« THE TIMES LITERARY SUPPLEMENT
»Ein warmherziges Trostbuch über die Kunst zu leben und zu sterben.« DEUTSCHLANDFUNK
»Der Roman hat auf seine leise, anmutige, angenehm kluge Art eine tief tröstliche Wirkung.« NDR
»Ein hoffnungslos heiterer Roman, der ganz leicht und schwerelos die schweren Fragen Abschied und Tod und das Ende aller Dinge verhandelt.« SIGRID LÖFFLER
»Ein anmutiger Roman.« THE NEW YORKER
»Ein überwältigendes Trost- und Lebensbuch.... Nunez ist eine Magierin, ihr Buch so wunderbar licht und heiter. « PETER HENNING, SR2 KULTUR
Kaum jemand durchdringt das, was es heißt, am Leben zu sein, tiefer, als die amerikanische Autorin Sigrid Nunez. In ihrem neuen Roman »Was fehlt dir« schreibt sie darüber, wie wir einander verbunden sind, in Glück und Trauer, Trost und Zuversicht - und wie Mitgefühl unsere Sicht aufs Leben verändern kann. Was hat das Schicksal anderer Menschen mit dem eigenen zu tun? Die New Yorker Erzählerin in Sigrid Nunez' neuem Roman findet Antworten auf diese Frage in der Begegnung mit ganz unterschiedlichen Menschen, ihrer Traurigkeit, ihrem Mut, ihrer Zuversicht: Ob mit einer verflossenen Liebe, einer verunsicherten Airbnb-Gastgeberin oder einer Jugendfreundin, die unheilbar krank ist und sie um einen großen Gefallen bittet. »Was fehlt dir« ist ein Buch über das emphatische Einfühlen und darüber, dass wir viel mehr füreinander tun können, als wir vielleicht meinen: indem wir genau hinhören. Ein Roman, der zugleich ein Porträt davon liefert, was es heißt, gerade jetzt am Leben zu sein. Poetisch und federleicht, ein Buch, das Hoffnung macht - und große Freude.
»Eine begnadete Schriftstellerin.« DER SPIEGEL
»Voller Geistesgegenwart und Zärtlichkeit.« PEOPLE
»Man folgt ihr gespannt bis zur letzten Seite und fühlt sich auf eine sehr zivilisierte Weise getröstet.« JOHANNA ADORJÁN
»Liebe, Verlust, Freundschaft, Empathie - und so viel Weisheit. Ich verehre Sigrid Nunez.« PAULA HAWKINS
»Ein profundes Buch.« THE TIMES LITERARY SUPPLEMENT
»Ein warmherziges Trostbuch über die Kunst zu leben und zu sterben.« DEUTSCHLANDFUNK
»Der Roman hat auf seine leise, anmutige, angenehm kluge Art eine tief tröstliche Wirkung.« NDR
»Ein hoffnungslos heiterer Roman, der ganz leicht und schwerelos die schweren Fragen Abschied und Tod und das Ende aller Dinge verhandelt.« SIGRID LÖFFLER
»Ein anmutiger Roman.« THE NEW YORKER
»Ein überwältigendes Trost- und Lebensbuch.... Nunez ist eine Magierin, ihr Buch so wunderbar licht und heiter. « PETER HENNING, SR2 KULTUR
Kaum jemand durchdringt das, was es heißt, am Leben zu sein, tiefer, als die amerikanische Autorin Sigrid Nunez. In ihrem neuen Roman »Was fehlt dir« schreibt sie darüber, wie wir einander verbunden sind, in Glück und Trauer, Trost und Zuversicht - und wie Mitgefühl unsere Sicht aufs Leben verändern kann. Was hat das Schicksal anderer Menschen mit dem eigenen zu tun? Die New Yorker Erzählerin in Sigrid Nunez' neuem Roman findet Antworten auf diese Frage in der Begegnung mit ganz unterschiedlichen Menschen, ihrer Traurigkeit, ihrem Mut, ihrer Zuversicht: Ob mit einer verflossenen Liebe, einer verunsicherten Airbnb-Gastgeberin oder einer Jugendfreundin, die unheilbar krank ist und sie um einen großen Gefallen bittet. »Was fehlt dir« ist ein Buch über das emphatische Einfühlen und darüber, dass wir viel mehr füreinander tun können, als wir vielleicht meinen: indem wir genau hinhören. Ein Roman, der zugleich ein Porträt davon liefert, was es heißt, gerade jetzt am Leben zu sein. Poetisch und federleicht, ein Buch, das Hoffnung macht - und große Freude.
Rezensentin Sigrid Löffler liest Sigrid Nunez' neuen Roman als "Gegenstück" zum Vorgängerroman "Der Freund". Erneut setzt sich Nunez mit dem Sterben auseinander, in diesem Fall bittet allerdings eine alte Freundin die Erzählerin, sie die letzte Lebensmonate nach der Krebsdiagnose bis zum selbstgewählten Tod zu begleiten, resümiert die Kritikerin. Nach einigem Zögern stimmt die Erzählerin zu, in einem Haus an der Küste Neuenglands begleitet sie ihre Freundin "liebevoll" beim Sterben. Wie leichthändig Nunez von diesem Prozess erzählt, dabei weitere Exkurse, Anekdoten und "Meditationen" über den Tod einflicht und dennoch Trost spendet, findet die Kritikerin bewundernswert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.07.2021Traurig im Superlativ
Variationen über den besonderen Schmerz, der einen ergreift, wenn klar wird,
dass die Liebe nicht hält: Sigrid Nunez’ Roman „Was fehlt dir“
VON JOHANNA ADORJÁN
Um es sofort zu sagen: Die Übersetzung des Titels könnte einen davon abhalten, die deutsche Fassung zu lesen. Auf Englisch heißt das Buch „What are you going through“, eine Frage, aus der Mitgefühl spricht: Was machen Sie gerade durch? Sie bezieht sich darauf, dass jeder Mensch sein Leid zu tragen hat, dass man nie weiß, wenn man jemanden auf der Straße sieht, welche Dramen sich in dieser Biografie abspielen, welcher Schmerz in diesem Leben ist. Man sieht den Menschen nicht an, was sie gerade durchmachen.
Im Deutschen hat das Buch den hässlichen Titel „Was fehlt dir“ Das klingt pragmatisch, ein Kinderarzt könnte es beim Pulsmessen fragen, rasch ein Rezept ausstellen und die Sache hat sich. Da hallt nichts nach. Die Frage ist, einmal gestellt, ohne weitere Bedeutung. Ihr fehlt die Ebene, die uns Menschen miteinander verbindet. Auch weiß der deutsche Titel nichts von höflicher Distanz, in der viel entstehen kann, sondern duzt gleich platt, um Nähe zu simulieren. Das unerträgliche Duzen wird auch im Buch fortgeführt. Aber ob Sigrid Nunez ihre Leserinnen und Leser locker ankumpeln würde? Das klingt verkehrt.
Die Amerikanerin Sigrid Nunez, 70, ist eine große und späte Entdeckung. So richtig bekannt wurde sie erst 2019 mit ihrem Roman „Der Freund“, der 2020 auch auf Deutsch erschien (wie ihr neues Buch übersetzt von Anette Grube), ein internationaler Überraschungsbestseller. Er spielt im akademischen Milieu und handelt davon, dass eine in einem winzigen New Yorker Apartment wohnende Frau nach dem Freitod eines Freundes dessen Hund erbt, eine riesige dänische Dogge. Das Buch ist eine literarische Meditation über Themen wie Freundschaft, Trauer und Schreiben. Oft gibt die Ich-Erzählerin Geschichten wieder, die sie irgendwie gehört oder gelesen hat und die an späterer Stelle im Buch aufgegriffen werden wie musikalische Themen. Knapp und elegant geschrieben, ist das Buch tröstlich, ohne sentimental zu sein. Man legt es weg, und die Erzählerin fehlt einem.
Gute Nachricht für alle, denen es so ging: Das neue Buch von Sigrid Nunez kann als Fortsetzung gelesen werden. Es klingt wie von derselben Stimme erzählt und ist auch im selben Stil gebaut. Einzelne Geschichten folgen wie in einem assoziativen Gedankenstrom aufeinander, wobei wiederkehrende Motive der Komposition eine ernste Form verleihen. Diesmal geht es um traurigste Geschichten, ausdrücklich im Superlativ.
Die namenlos bleibende Ich-Erzählerin, eine Schriftstellerin, die früher für eine Literaturzeitschrift gearbeitet hat, wird von einer schwer an Krebs erkrankten Freundin gebeten, ihr bei ihrem Tod, über den sie frei bestimmen will, zur Seite zu stehen. Ihr nicht dabei zu assistieren, sondern einfach nur da zu sein. Es kommt diesmal kein Hund vor, dafür eine Katze, die in der Airbnb-Wohnung lebt, in der die Erzählerin sich einquartiert, als sie ihre kranke Freundin eingangs besucht. Aber keine Sorge, die Katze spielt in diesem Buch keine allzu große Rolle. Es geht um menschliche Tragödien.
Das Buch beginnt damit, dass die Erzählerin einen Vortrag besucht. Ein schlecht gealterter, eitler Intellektueller erklärt darin den Untergang unserer Zivilisation aufgrund des menschengemachten Klimawandels als unvermeidlich, und er tut das so unerbittlich, ohne ein Fünkchen Hoffnung zu lassen, dass er sein Publikum völlig verstört. Beiläufig erfahren wir, dass dieser Mann ein Ex-Freund der Ich-Erzählerin ist. Später im Buch wird sie über die Zumutung nachdenken, die es bedeutet, jahrelang das Leben mit einem Menschen geteilt und alles von ihm gewusst zu haben, und dann trennt man sich und wird niemals erfahren, wie sein Leben ohne einen weiterging. Und wie ist es eigentlich möglich, dass man für jemanden, den man einmal sehr geliebt hat, nichts mehr empfindet?
Nunez schreibt, dass es in der Bodo-Sprache, die im Nordosten Indiens vom Bodo-Volk gesprochen wird, ein Wort gibt für den Schmerz, der einen Menschen befällt, wenn ihm bewusst wird, dass seine Liebesbeziehung nicht von Dauer sein wird: Onsra. Im Grunde handelt ihr Buch von diesem Gefühl. Es sind Variationen über Onsra. Über den Wahnsinn, den es bedeutet, mit dem Wissen zu leben, das alles enden wird.
Eine traurigste Geschichte folgt auf die andere. Mal ist es ein Film, den die Ich-Erzählerin gesehen hat, mal eine Begegnung, mal etwas, das ihr jemand erzählt hat. Nunez’ Ton ist ruhig, konzentriert und trotz der Moll-Tonart für Momente von Heiterkeit immer empfänglich. Einmal geht es um ein Paar, das sich kennenlernte, als es zusammen in einem Aufzug feststeckte. Als die beiden nach Stunden befreit wurden, hatten sie vereinbart, zu heiraten. Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage. „Well, no“, schreibt Nunez, die man, wenn möglich, im Original lesen sollte, weil ihr trockener Humor sich in der deutschen Übersetzung nicht wiederfindet. „Sie lösten die Verlobung ein Jahr später, aber ich glaube, sie blieben Freunde“.
Die längste traurigste Geschichte, die sich wie ein schwarzer Faden durchs Buch zieht, ist die der Freundin, die sterben wird. Sie mietet zu diesem Zweck ein Ferienhaus in Neuengland, das sie zusammen mit der Ich-Erzählerin für ein paar Wochen bezieht. Sie hatte es sich so vorgestellt: „Einen schönen Tod in einem hübschen Haus in einer malerischen Stadt an einem schönen Sommerabend“, so steht es in „Was fehlt dir“. Und hier ist schon wieder so eine Übersetzungs-Sache: Nunez hätte niemals in einem Satz ein so einfaches Wort wie „schön“ wiederholt, dazu wählt sie ihre Worte zu genau. Im Original lautet der Satz: „A beautiful death in a nice house in a scenic town on a fine summer night.“ Vielleicht muss man sagen, dass sich die sparsame Art, in der Nunez sprachliche Eleganz erzeugt, nicht so einfach ins Deutsche übertragen lässt. Vielleicht ist es aber auch nicht damit getan, Sigrid Nunez korrekt zu übersetzen. Ihr Zauber besteht nicht so sehr im Inhaltlichen, sondern im Resonanzraum, den ihre Sprache erzeugt. Da wird vieles nicht gesagt und teilt sich dennoch umso intensiver mit. Im Original ergibt sich durch Repetitionen ein Sog. Kein Wort ist zu viel und daher jedes einzelne mit Bedacht gewählt, so entsteht ein heiliger Ernst.
Ihre Sprache mag auf den ersten Blick bescheiden wirken, weil sie so einfach klingt, so schnörkellos. Aber das ist die Kunst. Sigrid Nunez Werke sind mehr als kluge Gedanken einer belesenen Frau, es spricht ein eigener Sound aus ihnen. Es ist der Ton einer Frau, die man mit nichts so leicht schockieren kann. Sie weiß viel, hat es aber nicht mehr nötig, das zu beweisen. Und sie kann einen Text wie eine Fuge zusammenhalten, mit vielen Stimmen, die vom Ende her betrachtet ein großes Ganzes ergeben. Sagen wir so: Im Deutschen klingt diese Autorin manchmal banaler, weniger literarisch.
Wenn man es darauf anlegt, diesem Buch, das dafür natürlich in Wahrheit viel zu klug ist, eine Botschaft abzutrotzen, dann die, dass man immer freundlich zu allen Menschen sein soll, da man nie weiß, in welcher Bedrängnis sie stecken.
Diesmal kommt kein Hund vor,
aber eine Katze. Und es
geht um menschliche Tragödien
Kein Wort ist zu viel, jedes
einzelne mit Bedacht gewählt, so
entsteht ein heiliger Ernst
Sigrid Nunez begann spät, Romane zu schreiben. 2018 bekam sie den National Book Award.
Foto: Marion Ettlinger / Aufbau
Sigrid Nunez: Was fehlt dir. Roman.
Aus dem Englischen von Anette Grube.
Aufbau, Berlin 2021.
222 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Variationen über den besonderen Schmerz, der einen ergreift, wenn klar wird,
dass die Liebe nicht hält: Sigrid Nunez’ Roman „Was fehlt dir“
VON JOHANNA ADORJÁN
Um es sofort zu sagen: Die Übersetzung des Titels könnte einen davon abhalten, die deutsche Fassung zu lesen. Auf Englisch heißt das Buch „What are you going through“, eine Frage, aus der Mitgefühl spricht: Was machen Sie gerade durch? Sie bezieht sich darauf, dass jeder Mensch sein Leid zu tragen hat, dass man nie weiß, wenn man jemanden auf der Straße sieht, welche Dramen sich in dieser Biografie abspielen, welcher Schmerz in diesem Leben ist. Man sieht den Menschen nicht an, was sie gerade durchmachen.
Im Deutschen hat das Buch den hässlichen Titel „Was fehlt dir“ Das klingt pragmatisch, ein Kinderarzt könnte es beim Pulsmessen fragen, rasch ein Rezept ausstellen und die Sache hat sich. Da hallt nichts nach. Die Frage ist, einmal gestellt, ohne weitere Bedeutung. Ihr fehlt die Ebene, die uns Menschen miteinander verbindet. Auch weiß der deutsche Titel nichts von höflicher Distanz, in der viel entstehen kann, sondern duzt gleich platt, um Nähe zu simulieren. Das unerträgliche Duzen wird auch im Buch fortgeführt. Aber ob Sigrid Nunez ihre Leserinnen und Leser locker ankumpeln würde? Das klingt verkehrt.
Die Amerikanerin Sigrid Nunez, 70, ist eine große und späte Entdeckung. So richtig bekannt wurde sie erst 2019 mit ihrem Roman „Der Freund“, der 2020 auch auf Deutsch erschien (wie ihr neues Buch übersetzt von Anette Grube), ein internationaler Überraschungsbestseller. Er spielt im akademischen Milieu und handelt davon, dass eine in einem winzigen New Yorker Apartment wohnende Frau nach dem Freitod eines Freundes dessen Hund erbt, eine riesige dänische Dogge. Das Buch ist eine literarische Meditation über Themen wie Freundschaft, Trauer und Schreiben. Oft gibt die Ich-Erzählerin Geschichten wieder, die sie irgendwie gehört oder gelesen hat und die an späterer Stelle im Buch aufgegriffen werden wie musikalische Themen. Knapp und elegant geschrieben, ist das Buch tröstlich, ohne sentimental zu sein. Man legt es weg, und die Erzählerin fehlt einem.
Gute Nachricht für alle, denen es so ging: Das neue Buch von Sigrid Nunez kann als Fortsetzung gelesen werden. Es klingt wie von derselben Stimme erzählt und ist auch im selben Stil gebaut. Einzelne Geschichten folgen wie in einem assoziativen Gedankenstrom aufeinander, wobei wiederkehrende Motive der Komposition eine ernste Form verleihen. Diesmal geht es um traurigste Geschichten, ausdrücklich im Superlativ.
Die namenlos bleibende Ich-Erzählerin, eine Schriftstellerin, die früher für eine Literaturzeitschrift gearbeitet hat, wird von einer schwer an Krebs erkrankten Freundin gebeten, ihr bei ihrem Tod, über den sie frei bestimmen will, zur Seite zu stehen. Ihr nicht dabei zu assistieren, sondern einfach nur da zu sein. Es kommt diesmal kein Hund vor, dafür eine Katze, die in der Airbnb-Wohnung lebt, in der die Erzählerin sich einquartiert, als sie ihre kranke Freundin eingangs besucht. Aber keine Sorge, die Katze spielt in diesem Buch keine allzu große Rolle. Es geht um menschliche Tragödien.
Das Buch beginnt damit, dass die Erzählerin einen Vortrag besucht. Ein schlecht gealterter, eitler Intellektueller erklärt darin den Untergang unserer Zivilisation aufgrund des menschengemachten Klimawandels als unvermeidlich, und er tut das so unerbittlich, ohne ein Fünkchen Hoffnung zu lassen, dass er sein Publikum völlig verstört. Beiläufig erfahren wir, dass dieser Mann ein Ex-Freund der Ich-Erzählerin ist. Später im Buch wird sie über die Zumutung nachdenken, die es bedeutet, jahrelang das Leben mit einem Menschen geteilt und alles von ihm gewusst zu haben, und dann trennt man sich und wird niemals erfahren, wie sein Leben ohne einen weiterging. Und wie ist es eigentlich möglich, dass man für jemanden, den man einmal sehr geliebt hat, nichts mehr empfindet?
Nunez schreibt, dass es in der Bodo-Sprache, die im Nordosten Indiens vom Bodo-Volk gesprochen wird, ein Wort gibt für den Schmerz, der einen Menschen befällt, wenn ihm bewusst wird, dass seine Liebesbeziehung nicht von Dauer sein wird: Onsra. Im Grunde handelt ihr Buch von diesem Gefühl. Es sind Variationen über Onsra. Über den Wahnsinn, den es bedeutet, mit dem Wissen zu leben, das alles enden wird.
Eine traurigste Geschichte folgt auf die andere. Mal ist es ein Film, den die Ich-Erzählerin gesehen hat, mal eine Begegnung, mal etwas, das ihr jemand erzählt hat. Nunez’ Ton ist ruhig, konzentriert und trotz der Moll-Tonart für Momente von Heiterkeit immer empfänglich. Einmal geht es um ein Paar, das sich kennenlernte, als es zusammen in einem Aufzug feststeckte. Als die beiden nach Stunden befreit wurden, hatten sie vereinbart, zu heiraten. Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage. „Well, no“, schreibt Nunez, die man, wenn möglich, im Original lesen sollte, weil ihr trockener Humor sich in der deutschen Übersetzung nicht wiederfindet. „Sie lösten die Verlobung ein Jahr später, aber ich glaube, sie blieben Freunde“.
Die längste traurigste Geschichte, die sich wie ein schwarzer Faden durchs Buch zieht, ist die der Freundin, die sterben wird. Sie mietet zu diesem Zweck ein Ferienhaus in Neuengland, das sie zusammen mit der Ich-Erzählerin für ein paar Wochen bezieht. Sie hatte es sich so vorgestellt: „Einen schönen Tod in einem hübschen Haus in einer malerischen Stadt an einem schönen Sommerabend“, so steht es in „Was fehlt dir“. Und hier ist schon wieder so eine Übersetzungs-Sache: Nunez hätte niemals in einem Satz ein so einfaches Wort wie „schön“ wiederholt, dazu wählt sie ihre Worte zu genau. Im Original lautet der Satz: „A beautiful death in a nice house in a scenic town on a fine summer night.“ Vielleicht muss man sagen, dass sich die sparsame Art, in der Nunez sprachliche Eleganz erzeugt, nicht so einfach ins Deutsche übertragen lässt. Vielleicht ist es aber auch nicht damit getan, Sigrid Nunez korrekt zu übersetzen. Ihr Zauber besteht nicht so sehr im Inhaltlichen, sondern im Resonanzraum, den ihre Sprache erzeugt. Da wird vieles nicht gesagt und teilt sich dennoch umso intensiver mit. Im Original ergibt sich durch Repetitionen ein Sog. Kein Wort ist zu viel und daher jedes einzelne mit Bedacht gewählt, so entsteht ein heiliger Ernst.
Ihre Sprache mag auf den ersten Blick bescheiden wirken, weil sie so einfach klingt, so schnörkellos. Aber das ist die Kunst. Sigrid Nunez Werke sind mehr als kluge Gedanken einer belesenen Frau, es spricht ein eigener Sound aus ihnen. Es ist der Ton einer Frau, die man mit nichts so leicht schockieren kann. Sie weiß viel, hat es aber nicht mehr nötig, das zu beweisen. Und sie kann einen Text wie eine Fuge zusammenhalten, mit vielen Stimmen, die vom Ende her betrachtet ein großes Ganzes ergeben. Sagen wir so: Im Deutschen klingt diese Autorin manchmal banaler, weniger literarisch.
Wenn man es darauf anlegt, diesem Buch, das dafür natürlich in Wahrheit viel zu klug ist, eine Botschaft abzutrotzen, dann die, dass man immer freundlich zu allen Menschen sein soll, da man nie weiß, in welcher Bedrängnis sie stecken.
Diesmal kommt kein Hund vor,
aber eine Katze. Und es
geht um menschliche Tragödien
Kein Wort ist zu viel, jedes
einzelne mit Bedacht gewählt, so
entsteht ein heiliger Ernst
Sigrid Nunez begann spät, Romane zu schreiben. 2018 bekam sie den National Book Award.
Foto: Marion Ettlinger / Aufbau
Sigrid Nunez: Was fehlt dir. Roman.
Aus dem Englischen von Anette Grube.
Aufbau, Berlin 2021.
222 Seiten, 20 Euro.
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»Die Musikalität in ihren Sätzen und ihre lebenskluge Intelligenz sind beglückend.« The New York Times Book Review »Amüsant und gedankenreich.« Denis Scheck