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"Was ich liebte" erzählt von sexuellen und künstlerischen Lebensentwürfen, von Familien, Eltern und Kindern. Alles beginnt 1975 im New Yorker Stadtteil SoHo, wo der Kunsthistoriker Leo Hertzberg in einer Galerie ein Bild des jungen Malers Bill Wechsler kauft. Es ist ein Frauenakt, der jedoch den rätselhaften Titel "Selbstporträt" trägt. Bald ziehen Leo und Bill mit ihren Frauen und neugeborenen Söhnen in ein Haus. Ihre Freundschaft ist bestimmt von der Suche nach ihrer Identität. Doch keine Erkenntnis der Welt kann sie auf die Schicksalsschläge vorbereiten, die ihr Leben für immer verändern:…mehr

Produktbeschreibung
"Was ich liebte" erzählt von sexuellen und künstlerischen Lebensentwürfen, von Familien, Eltern und Kindern. Alles beginnt 1975 im New Yorker Stadtteil SoHo, wo der Kunsthistoriker Leo Hertzberg in einer Galerie ein Bild des jungen Malers Bill Wechsler kauft. Es ist ein Frauenakt, der jedoch den rätselhaften Titel "Selbstporträt" trägt. Bald ziehen Leo und Bill mit ihren Frauen und neugeborenen Söhnen in ein Haus. Ihre Freundschaft ist bestimmt von der Suche nach ihrer Identität. Doch keine Erkenntnis der Welt kann sie auf die Schicksalsschläge vorbereiten, die ihr Leben für immer verändern: einen tragischen Unglücksfall und das Abrutschen von Bills Sohn Mark in die Drogen- und Transvestitenszene, wo er in einen bestialischen Mord verwickelt wird ... Siri Hustvedt kehrt das Innerste ihrer Figuren nach Außen. Das Buch ist erschütternd, dunkel, gefährlich - eine Reise in jene Regionen der Seele, deren Existenz wir gern vor uns verbergen. Es ist auch ein kluger Roman über das Erwachen aus der selbstverschuldeten Naivität, über das Ende des schönen Traumes einer Generation, die aufgebrochen war, die Freiheit zu suchen.
Autorenporträt
Siri Hustvedt wurde 1955 in Northfield, Minnesota, geboren. Sie studierte Literatur an der Columbia University und promovierte mit einer Arbeit über Charles Dickens. Sie lebt in Brooklyn. Mit ihrem Roman "Was ich liebte" hatte sie ihren internationalen Durchbruch. Im Februar 1981 lernte sie den Schriftsteller Paul Auster kennen, den sie 1983 heiratete und mit dem sie einen Stiefsohn und eine Tochter hat. Heute arbeitet Siri Hustvedt als Schriftstellerin, Essayistin und Übersetzerin aus dem Norwegischen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.01.2003

Der Traum der Kunst gebiert Ungeheuer
Siri Hustvedts New York-Roman steckt voller Wechselbälger und Hysterikerinnen
Ein Wechselbalg ist ein pseudomenschliches Kuckucksei. Es pflanzt sich als Kopie an die Stelle des echten Kindes, bis seine Monsterfratze hinter der glatten Maske hervorlugt. Dieses ebenso faszinierende wie bösartige Wesen ist ein Meister der Verstellung, dem die Ernährer allzu bereitwillig auf den Leim gehen. Gleichzeitig gibt der Verwandlungskünstler ein perfektes Bild ab für eine Frage, die in der zeitgenössischen Philosophie, Kunst und Literatur einen Ehrenplatz besetzt: Lassen sich Urbild und Imitation überhaupt voneinander trennen, oder andersrum: Wieviel hängt vom Standpunkt des Betrachters ab?
Mit einem postmodernen Wechselbalg endet der Roman „Was ich liebte”, in dem Siri Hustvedt die Denkfiguren der Imitation virtuos in Romanfiguren übersetzt. Im Vordergrund stehen die Lebensgeschichten zweier Paare im New Yorker Stadtteil SoHo. Der Kunsthistoriker Leo Hertzberg erzählt rückblickend von einem intellektuellen Mikrokosmos, der in den siebziger Jahren beginnt und in der Gegenwart verglüht. Alles fängt mit dem mysteriösen Bild eines Malers an, das Leo und seine Frau Erica, beide New Yorker Juden mit deutschen Wurzeln, begeistert. Es trägt den Titel „Selbstporträt”, zeigt aber eine Frau, die ein kleines gelbes Taxi in der Hand hält. Leo, Erica und Bill Wechsler, der Maler mit dem anspielungsreichen Namen, werden Freunde, während Bills erste Frau nicht in den Kreis passt, der so elegant über Beckett, Adorno und Duchamp plaudert. Als beide Paare ein Kind erwarten, wohnt man sogar in zwei benachbarten Lofts. Doch die Ehe des Malers zerbricht, und an die Stelle der Ehefrau tritt das Modell: Violet ist allerdings keine passive Muse, sondern eine Kulturwissenschaftlerin, die sich für die Fin de Siècle-Hysterikerinnen des Pariser Neurologen Charcot interessiert.
Durch Violet bringt Siri Hustvedt, geboren 1955 in Minnesota und verheiratet mit dem Schriftsteller Paul Auster, eine vierte Figur von einer ganz bestimmten intellektuellen Prägung ins Spiel: Allen geht es um die Relativität des Sehens und um die Inszenierungen, die das Wirkliche erst entstehen lassen. Violet beobachtet in Anlehnung an den Wissenschaftshistoriker Georges Didi-Huberman die „Erfindung” der Hysterie. Sie will zeigen, dass die Hysterikerinnen um 1900 genau das Schauspiel bieten, das die Mediziner sich wünschen. Sie imitieren bestimmte Krankheitsformen wie Epilepsie, ohne dass es sich dabei um bewusste Täuschung handelte, und die Ärzte entdecken die Symptome, die ihnen vorschweben. Diesen Zwischenstatus erklärt Violet folgendermaßen: „Ich glaube, ihre Krankheit nahm diese spezielle Form an, weil sie in der Luft lag wie ein Virus – so wie heute Anorexia nervosa.” Bill lässt sich von Violets Idee kultureller Viren anstecken: Seine Installationen thematisieren nicht nur die Patientin Augustine, ein „Pin-Up-Girl der Hysterie”, sondern er verarbeitet auch Violets Forschungen über Essstörungen und Hungerkünstler.
Aber jenseits der geistigen Wechselwirkungen dehnt sich ein unterirdisches erotisches Netz zwischen allen Beteiligten aus. In Bills Kunstwerken und im Leben der Hauptfiguren wimmelt es von Doppelgängern, falschen oder wechselnden Ichs, die das Loft-Idyll zerbröckeln lassen. Ein Todesfall bereitet dieser Welt ein böses Ende, denn 1989 wird Matt, der Sohn von Leo und Erica, Opfer eines Unfalls. Leo besetzt die Leerstelle mit Bills Sohn Mark, der sich immer diabolischer aufführt. Mark entpuppt sich als Lügner und Simulant, der von den ersten Raves nahtlos in ein Leben voller Drogen und Diebstähle abgleitet. „M & M”, wie ihn seine Techno-Freunde nennen, lässt sich mit einem Künstler ein, der durch seine gewaltverherrlichenden Werke bekannt wird und selbst in einen Mordfall verwickelt ist. Bei all den Todesgeschichten geizt die Autorin nicht mit traditioneller Melodramatik, und auch erzähltechnisch riskiert sie wenig. Dass der Roman trotzdem eine fast surrealistische Dichte ausstrahlt, liegt an den Details, die Hustvedt geschickt mit verborgenen Traumwahrheiten ausstattet. Jedes Spielzeugauto lockt mit symbolischem Mehrwert und zwingt zur Spurensuche.
Siri Hustvedt, die seit den Romanen „Die unsichtbare Frau” und „Die Verzauberung der Lily Dahl” längst in der ersten Liga der amerikanischen Schriftsteller spielt, treibt Familiendrama und Psychothriller konsequent ihren Höhepunkten entgegen. Doch im Grunde könnte man „Was ich liebte” als Philothriller bezeichnen: Leos Rückblick ist vor allem ein Rätselraten über den Ursprung des Wechselbalgs, zu dem sich Mark entwickelt hat. Hinter der glatten Unschuldsmiene des Pillenschluckers verbirgt sich eine Welt, zu der die alternden Intellektuellen keinen Zugang mehr haben: Hier die Gewissheit der geistigen Tiefe, die Leo und Violet in der „Kritik”, dem „Zweifel”, der „Subversion” zu finden glauben. Dort die „pure Oberfläche” oder die „seelenlose Mechanik”, die von Mark und seinem unheimlichen Künstlerfreund verkörpert werden. Der Teenager verzichtet auf die klassischen Gesten der Rebellion, die seine liberalen Eltern noch verstehen könnten, und sein Freund produziert Horrorskulpturen, die Gewalt nicht mehr reflektieren, sondern nur noch nachahmen. Die beiden sind eine Form von American Psycho.
Der Clou des Gedankenspiels besteht darin, dass Leos Theorie zum Sehen in der Kunst gerade die Relativität des eigenen Standpunkts hervorhebt. Der Theoretiker des blinden Flecks, der sinnigerweise an einer schweren Augenkrankheit leidet, ist in einem altmodisch-modernen Denken der Tiefe gefangen. Leo starrt auf die Bilder Goyas und übersieht trotzdem, dass er Teil einer Sozialpathologie ist, die boshafte Riesenbabys wie Mark geboren hat. Aber was dem Icherzähler verwehrt bleibt, macht die Vielschichtigkeit des Romans dem Leser möglich. „Was ich liebte” ist ein ebenso spannendes wie intelligentes Panorama der Wechselfälle, die das Leben und die Kunst zu bieten haben.
JUTTA PERSON
SIRI HUSTVEDT: Was ich liebte. Roman. Deutsch von Uli Aumüller, Erica Fischer und Grete Osterwald. Rowohlt Verlag, Reinbek 2003. 480 S., 22,90 Euro.
Die Hysterikerin spielt Ekstase. Eine Abbildung aus Georges Didi-Hubermans „Erfindung der Hysterie. Die photographische Klinik von Jean- Martin Charcot.” (Wilhelm Fink Verlag, 38 Euro).
Foto: Fink
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