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Die Geschichte einer Frau, der im Leben alles genommen wird. Die Eltern, der Name, die Kindheit, die Jugend, die Erinnerung.
Trezza Azzopardi hat ihr eine Stimme gegeben.

Produktbeschreibung
Die Geschichte einer Frau, der im Leben alles genommen wird. Die Eltern, der Name, die Kindheit, die Jugend, die Erinnerung.

Trezza Azzopardi hat ihr eine Stimme gegeben.
Autorenporträt
Trezza Azzopardi wurde in Cardiff geboren und lebt heute in Norwich. Ihr Debütroman wurde für den Booker Prize nominiert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.06.2005

Unheil unter blonder Perücke
Trezza Azzopardi erzählt die Geschichte einer Obdachlosen

Man sollte nicht die Bücher anderer Leute schreiben. Die Waliserin Trezza Azzopardi hat sich des Lebens einer Cardiffer Obdachlosen angenommen und ihr, wie man so schön sagt, eine Stimme verliehen. Das Vorwort verrät nicht, ob Nora Bridle damit einverstanden war, aber wohl, daß es zahlreiche Zuträger gab, die der Autorin ihre Erinnerungen brieflich anvertrauten. Trezza Azzopardi nennt das Buch dennoch Roman und unterstreicht den literarischen Anspruch, indem sie ihre Heldin mit einem Rückgriff auf Becketts "Glückliche Tage" Winnie tauft. Auch bei ihr geht es um den Lebensrückblick einer Frau, die nach dem frühen Tod der Mutter nie eine Chance zur Selbstverwirklichung erhielt.

Von einem überforderten Vater wird sie an den verhaßten Schwiegervater weitergereicht, der sie im Zweiten Weltkrieg aufs Land zu einer Tante schickt. Von dort gerät sie in die Fänge eines Hochstaplerpaars, das sie aufgrund eines verblüffenden seherischen Talents zur Schaustellerin ausbildet. Die nächste Station ist ein Schuster, der das junge Mädchen im Oberstübchen gefangenhält und es auch sexuell gefügig macht. Trezza Azzopardi deutet gegen Ende überraschend an, daß er ähnliches schon mit Winnies Mutter unternommen hat und somit ihr wahrer Vater ist. In der Ruine seines Ladens fristet sie gemeinsam mit einer streunenden Jungenbande noch als Greisin ihre Tage, nachdem ein vierundzwanzig Jahre langer Aufenthalt in einer katholischen Besserungsanstalt sie um einen großen Teil ihres Lebens brachte. Der Diebstahl eines Koffers voller Erinnerungsstücke regt sie schließlich zur Erzählung ihres Leidenswegs an.

Die resultierende Prosa gibt sich avantgardistisch verrätselt, springt hin und her, ihre Zeitebenen vermischen sich, und der Leser präpariert nur mühsam die Fabel heraus. Das ist der Preis, den er dafür zahlt, daß er die Ereignisse direkt aus dem Mund der Betroffenen erfährt - ein fragwürdiger Vorteil, denn die Autorin wählte einen pseudonaiven, pedantischen Ton und das träge Tempo eines Menschen, der an sprachliche Äußerungen nicht gewohnt ist. Bedeutungsschwanger ist dennoch alles. Nie vergessen wir, daß die lakonisch berichteten Vorkommnisse, die Trennung von einer Jugendliebe, eine roh vollzogene Abtreibung und die blonde Perücke, die dem rothaarigen Mädchen Tag und Nacht aufgezwungen wird, ein trauriges Schicksal konditionieren.

Der Roman setzt auf diese moralische Fallhöhe zwischen den Zeilen, auf den bösen Zauber des Begriffslosen und die mimetische Nähe, in die der Leser unwillkürlich zur blutlosen Heldin gerät. Abgesehen von ihrem kurzen Liebesglück, bleibt Winnies Dasein eine Litanei der Privation und des Mangels, die, anders als bei Beckett, kaum an die Neugier auf ein Leben am Rande, aber vehement ans Mitleid appelliert. Winnies Ausschmückung zur Geisterseherin und archetypischen Hexenfigur gibt ihrer Außenseiterexistenz vielleicht einen folkloristischen Anstrich, aber verkürzt den Weg der Einfühlung nicht. "Was ich nicht vergessen darf" ist weder Fisch noch Fleisch, eine literarische Form des Kolonialismus, nicht besser als das Erziehungshaus, in dem die Nonnen Winnie mit Vorschriften quälen: eine penetrante Observation, deren Scharfblick gute Absichten trübt.

INGEBORG HARMS

Trezza Azzopardi: "Was ich nicht vergessen darf". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Monika Schmalz. Berlin Verlag, Berlin 2005. 317 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

" Enttäuscht ist Rezensentin Ingeborg Harms von diesem Roman der walisischen Autorin Trezza Azzopardi. Es geht, schreibt sie, um eine Obdachlose, die von ihrem schweren Schicksal erzähle. "Bedeutungsschwanger" sei diese Prosa und langweilig, denn die Obdachlose erzähle zugleich wie eine Frau, die nicht sehr redegewandt ist. Die ganze Geschichte sei ein Appell an das Mitleid des Lesers, und der lässt Harms offenkundig vollkommen kalt.

© Perlentaucher Medien GmbH"