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Also sprach Zarathustra ist das berühmteste und das rätselhafteste Werk Nietzsches. Der Philosoph nahm für sich in Anspruch, der Menschheit mit seiner Dichtung das tiefste Buch gegeben zu haben. Um Klarheit über seine "Gabe", eine Parodie der Bibel, zu gewinnen, lautet die entscheidende Frage: Was ist Nietzsches Zarathustra? Ein Erkennender oder ein Gesetzgeber? Ein Versucher oder ein Religionsstifter? Ein Philosoph oder ein Prophet? Heinrich Meiers Buch versucht am Leitfaden der Frage, ob Zarathustra ein Philosoph oder ein Prophet ist, zum Kern des Dramas vorzustoßen. Es begreift Nietzsches…mehr

Produktbeschreibung
Also sprach Zarathustra ist das berühmteste und das rätselhafteste Werk Nietzsches. Der Philosoph nahm für sich in Anspruch, der Menschheit mit seiner Dichtung das tiefste Buch gegeben zu haben. Um Klarheit über seine "Gabe", eine Parodie der Bibel, zu gewinnen, lautet die entscheidende Frage: Was ist Nietzsches Zarathustra? Ein Erkennender oder ein Gesetzgeber? Ein Versucher oder ein Religionsstifter? Ein Philosoph oder ein Prophet?
Heinrich Meiers Buch versucht am Leitfaden der Frage, ob Zarathustra ein Philosoph oder ein Prophet ist, zum Kern des Dramas vorzustoßen. Es begreift Nietzsches Buch für Alle und Keinen als ein Unternehmen der Klärung und der Scheidung, der Selbstverständigung und der Selbstvergewisserung. Es versteht Zarathustra weder als bloßes Gefäß einer Lehre noch als schlichtes Sprachrohr seines Schöpfers. Es bezieht den Gang der Handlung und die Ereignisse ausdrücklich in die philosophische Auseinandersetzung ein und schenkt dem inneren Dialog und der Rolle der Adressaten, der Charakterisierung der Figuren und Situationen nicht minder Beachtung als den Doktrinen. Das Ergebnis der eindringlichen Auslegung von Also sprach Zarathustra ist ein neues Verständnis von Nietzsche und der vielerörterten Lehren des Übermenschen, des Willens zur Macht und der Ewigen Wiederkunft.
Autorenporträt
Heinrich Meier leitet die Carl Friedrich von Siemens Stiftung in München und lehrt als Honorarprofessor für Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie als ständiger Gastprofessor am Committee on Social Thought der University of Chicago.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Uwe Justus Wenzel schreibt sehr gelehrt über Nietzsche und das "riskante Leben auf der philosophischen Probebühne". In welcher Verbindung seine Gedanken über den inszenierten Selbstverlust zu Heinrich Meiers Schrift "Was ist Nietzsches Zarathustra?" stehen, ist indes nicht leicht zu erkennen. Wenzel kommt am Ende seines Textes nur kurz auf den Band zu sprechen, attestiert ihm jedoch eine äußerst komplexe Dramaturgie und eine hermeneutische Analyse, die in ihrer Luzidität ihresgleichen suche.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.07.2017

Worauf sollte es hinaus mit dem Übermenschen?
Rollenspiele zwischen Prophet und Philosoph: Heinrich Meier sondiert Nietzsches "Also sprach Zarathustra"

Manche meinen, Übermenschen träten nur im Film auf - als "Supermen". Das ist ein Irrtum, denn es gibt sie wirklich zuhauf. 1902 erklärte der Sozialist Jean Jaurès die Proletarier zu Übermenschen. Im gleichen Jahr erkannte der Zionist Achad Ha'am im jüdischen Volk "besonders günstige Wachstumsbedingungen für den Übermenschen". 1906 meinte Georges Sorel in seinem Buch "Über die Gewalt", die Yankees seien "Übermenschen", die die Vereinigten Staaten zur "Größe" führten. Im gleichen Jahr beschloss der Expressionist Georg Heym, "ein Pfeil zum Übermenschen zu werden". Später kamen dann diejenigen, die Mussolini oder Hitler als Übermenschen begrüßten. Ende der 1930er Jahre meinte Martin Heidegger die "Übermenschen" in jenen Supertechnokraten zu entdecken, die mit "maschinenmäßiger Durchrechnung" die "Herrschaft über die Erde" an sich rafften. Das Wechselbad nimmt kein Ende, denn genau zur gleichen Zeit erhielt der junge Paul Celan von seinen Mitschülern in Czernowitz den Spitznamen "Übermensch". In jüngster Zeit setzen schließlich die Verfechter des "Transhumanismus" darauf, die Menschen mit Mitteln der Gentechnologie in "Übermenschen" zu verwandeln.

Gründe und Abgründe genug also, um sich mit diesem seltsamen Kerl namens Zarathustra zu befassen, der vor "viel Volk versammelt auf dem Markte" trat und sprach: "Ich lehre euch den Übermenschen." Man nimmt deshalb Nietzsches "Also sprach Zarathustra" wieder zur Hand - und freut sich auf die Erläuterungen in Heinrich Meiers neuem Buch "Was ist Nietzsches Zarathustra?". Freude wird man an diesem Buch freilich nur haben, wenn man seine Erwartungen zurückschraubt und sich in Geduld fasst. Denn über all jene Irrungen und Wirrungen, in die der Übermensch und Nietzsches Zarathustra im Lauf der Zeit geraten sind, verliert Meier kein Sterbenswort, so wie übrigens auch die vielen Nietzsche-Deutungen seiner philosophischen Kollegen bei ihm unerörtert bleiben. Das wirkt auf den ersten Blick ein bisschen gleichgültig oder hochmütig, aber man darf darin eine Übung in geistiger Askese und Konzentration sehen. Dieses Buch will nichts anderes sein als ein Text über einen Text, und das ist nach dem Brimborium um Nietzsche vielleicht gut so.

Man könnte sagen, Meiers Buch sei das Dokument eines Tête-à-tête: Ein Kopf nähert sich einem anderen. Aber eigentlich stimmt das nicht ganz, denn Meier begegnet Nietzsche gar nicht - der Untertitel "Eine philosophische Auseinandersetzung" ist irreführend -, sondern versetzt sich in dessen Kopf hinein, kriecht durch das Labyrinth von Nietzsches Text und schlüpft in die Rollen, die er ihm anbietet. Im Stichwort "Rolle" versteckt sich eine der wichtigsten Botschaften Meiers: Er liest "Also sprach Zarathustra" nicht als pathetische "Verkündigung" von "Doktrinen", sondern als "Drama", in dem Nietzsche diverse Figuren auftreten lässt. Dieses Drama ist, wie Meier zeigt, Tragödie, Komödie und Parodie zugleich. Nicht der Brustton der Überzeugung, sondern die Zwischentöne dominieren. Nietzsche nutzt sein Buch als Plattform, auf der er etwas - oder sich selbst - ausprobiert, auf der er herausfinden will, ob er überhaupt ein Philosoph sein will, und wenn ja, welcher. Nach Meier ist "Also sprach Zarathustra" ein "Denkmal der Selbstverständigung".

Zum Personal auf Nietzsches Bühne gehört neben Zarathustra und dem Übermenschen ein ganzes Bündel anderer Figuren, die sich danach sortieren lassen, ob sie die Welt verwandeln oder verstehen wollen. Beides liegt Nietzsche am Herzen, denn er setzt darauf, dass alles nicht einfach so weitergeht, möchte aber auch wissen, wo er steht. Dem ersten Vorhaben widmen sich etwa der "Seiltänzer", der freilich für Meier mutlos wie ein "konservativer Humanist" auf dem Weg zum Ziel schwankt und stürzt, oder der "Possenreißer", der als "revolutionärer Utopist" eine neue Welt aus dem Hut zaubert, ohne von ihr eine rechte Ahnung zu haben. Für das zweite Vorhaben stehen zum Beispiel die "Gelehrten", die sich, wie Nietzsche sagt, auf das "Nüsseknacken" beschränken und "in Allem nur Zuschauer sein" wollen. Blinder Aktivismus und faule Kontemplation sind Nietzsches Sache nicht, und so entwirft er Zarathustra als Figur, in der die Spannung zwischen Weltverwandlung und Weltverständnis ausgetragen wird: Er tritt als "Prophet" und als "Philosoph" auf. Dieses Verhältnis rückt Meier ins Zentrum seines Buches, und von ihm aus entwickelt er eine originelle These zum Status des Übermenschen bei Nietzsche.

Als Prophet muss Zarathustra eine Botschaft haben - und sich mit denjenigen herumschlagen oder anfreunden, zu denen er predigt. Wenn das Volk, zu dem er spricht, taube Ohren hat, besteht es nur aus jenen "letzten Menschen", die meinen, sie hätten das "Glück erfunden", und keinen Blick über ihre "klein" gewordene Welt hinauswerfen. Wenn sie offene Ohren haben, dann werden sie Zarathustras Jünger und folgen ihm nach, bleiben damit aber nur so gehorsam, wie sie schon sind, und warten brav auf die "Erlösung". Damit die Prophetie kein Geschenk von oben herab bleibt, muss sie sich in ein Projekt verwandeln, in dem Zarathustra keine Jünger mehr um sich schart, sondern "Brüder" oder "Mitschaffende". Meier zeigt, wie dieses von ihm als "futuristisch" bezeichnete Projekt von Nietzsche durchgespielt und ausgekostet, letztlich aber abgewickelt wird.

Die Pointe dieser Interpretation besteht nun darin, dass der Übermensch dabei ins Abseits gerät. Meier erklärt apodiktisch: "Die Lehre vom Übermenschen gehört ganz dem Propheten", also einer Figur, die in den Fallstricken der Weltverwandlung hängen bleibt. Meier schreibt Nietzsche die Absicht zu, "die philosophische Unhaltbarkeit der futuristischen Lehre vom Übermenschen herauszustellen". "Also sprach Zarathustra" erscheint bei ihm als Vorspiel zu einer Wendung vom Propheten zum Philosophen, dessen "höchste Aktivität" in der einsamen "Selbsterkenntnis, Selbstkritik und Selbstkontrolle" besteht. Auf der einen Seite stehen nach dieser Lesart der Übermensch und sein Prophet, auf der anderen der Mensch und sein Philosoph. Demnach würden all die frohgemuten oder martialischen Verfechter des Übermenschen einer Verwechslung aufsitzen: Sie meinen, Nietzsche zu folgen, während sie nur den Ideen eines gewissen Herrn Zarathustra auf den Leim gehen, zu dem sein Erfinder auf Distanz geht.

Meiers These steht und fällt damit, dass die Lehre vom Übermenschen an den "Propheten" gefesselt ist und mit dem "Philosophen", der Nietzsche eigentlich sein will, nichts zu tun hat. Stimmt das? Nein. Meier schüttet das Kind - den Übermenschen - mit dem Bade aus, wenn er ihn in Nietzsches Distanzierung vom Propheten hineinzieht. Im Kern der Lehre vom Übermenschen steht die Idee der "Selbstüberwindung", an der Nietzsche in vielen seiner Schriften mit ganzem Herzen festhält. Diese Selbstüberwindung ist kein futuristisches Projekt, sondern ein Kernstück philosophischer Tätigkeit, die sich im Ausbrechen aus der Selbstverständlichkeit, im Beschreiten neuer Wege und in der Kraft, "unterwegs" zu bleiben, bewährt.

Mit dem Wildwuchs der Übermenschen, die nach seinem Tod aus dem Boden geschossen sind, hätte Nietzsche gehadert - aber nicht deshalb, weil seine Urheber auf ein von ihm inszeniertes Rollenspiel hereingefallen wären, sondern weil dadurch eine Idee in Verruf geraten ist, die ihm lieb und teuer war. Diese Idee ist unbequem, aber viel weniger exaltiert, als sie viele erachten. Schließlich soll es ziemlich häufig vorkommen, dass Menschen über sich hinausgehen - und dann haben sie schon den Zipfel des Übermenschen, der in ihnen steckt, gepackt.

DIETER THOMÄ

Heinrich Meier: "Was ist Nietzsches Zarathustra?" Eine philosophische

Auseinandersetzung.

Verlag C. H. Beck, München 2017. 240 S., geb., 26,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Meier liest 'Also sprach Zarathustra' nicht als pathetische 'Verkündigung' von 'Doktrinen', sondern als 'Drama'. (...) Nach Meier ist 'Also sprach Zarathustra' ein 'Denkmal der Selbstverständigung'."
Dieter Thomä, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7. Juli 2017

"... wenn man Nietzsche und seinen Ausleger hintereinander und dann nebeneinander liest, dann kann man dem seltsamen Meister Zarathustra sehr viel näherkommen, ohne sich zwischen Befremden und Jüngertum entscheiden zu müssen."
Johan Schloemann, Süddeutsche Zeitung, 18. Mai 2017

"Der Münchner Philosoph lässt die Vielstimmigkeit der Selbstverständigung hörbar werden, die Nietzsche da unternimmt."
Uwe Justus Wenzel, Neue Zürcher Zeitung, 2. Mai 2017