Mit viel Fantasie entstehen hier mit Blüten und Blättern aus Wald und Garten die verrücktesten Tiere: ein Pusteblumen-Pudel, ein Chicorée-Kakadu, eine Seerosen-Ente, eine Maroni-Maus oder gar ein Wirsing-Elefant. Begleitet werden diese zarten Gebilde von humorvoll satirischen Versen mit unerwarteten Wendungen, viel Witz und Nonsense. Ein ungewöhnliches Geschenkbuch, das zum Nachahmen anregt.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Hannes Hintermeier ist sehr angetan von Eva Häberles Pflanzentieren wie auch von Thomas Gsellas mal an Rilke, mal an Benn erinnernden Dichtungen. Wie Gsellas leichte Reime Häberles fantasievollen tierischen Gebilde aus Wirsing und Magnolienblüten begleiten, scheint ihm kongenial. Wenn sich die Bilder wie die Gedichte auch für sich lesen und genießen lassen, wie H. H. versichert, umso besser. Entstanden ist ein ungewöhnliches Buch für große und kleine Leser, findet der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.03.2016Aus Laub und Blüten
Am Anfang war die Eule, wenn auch nicht die Eule der Minerva. Eva Häberles Eule entstand, als die renommierte Fotografin, die sonst Porträts und Reportagen gestaltet, auf einem kleinen Bahnhof in Cornwall warten musste und aus Langeweile Laub und Blüten hin und her schob, bis eine Eule mit zwei gelben Augen entstand. Sie geriet so sprechend, dass eine Fotoserie mit solchen aus Pflanzen komponierten Tieren entstand; und daraus dieses Buch, zu dem Thomas Gsella die Gedichte schrieb. Der Titel fragt: "Was macht das Blättertier denn hier." Die Antwort muss lauten: Das Blättertier erfreut uns. Es ist etwas Seltenes, nämlich ein Buch für Kinder wie für Erwachsene, ja ein Buch für die ganze Familie.
Wer Kunst liebt, mag sich an die aus Blumen und Früchten komponierten Figuren Arcimboldos erinnert fühlen, wenn hier auch alles im Miniformat erscheint. Wer Häberles aus einer Magnolienblüte zusammengesteckten Flamingo betrachtet, mag an Rilke denken. Gsellas leicht gesetzte Reime über den Flamingo sind ihrer Verwandtschaft mit Rilkes Sonett nicht unwürdig: "So viel Schönheit, so viel Leichtes / In den Federn, in den Beinen. / So viel Nahrung, so viel Seichtes / In den Wassern, die sie meinen." Ja, Gsella setzt in diesem wie in einigen anderen Gedichten eine politische Pointe, die zeigt, dass er mehr ist als ein Spaßmacher und Stimmenimitator: "So viel Vorsicht ist in ihnen, / Wenn Flamingos sich bewegen. / So als ob sie von den Minen / Wüssten, die die Menschen legen."
Der Reiz des Buches liegt in der Phantastik seines kleinen Kosmos. Da gibt es eine Ratte aus Borke, einen Pudel aus Pusteblumen, einen Elefanten aus Wirsingblättern, ein Walross aus Fels und Muscheln oder den grünen Frosch, der helle Johannisbeeren laicht. Die Gebilde sind so reizend und amüsant, dass sie für sich stehen und sprechen könnten. Keine einfache Aufgabe also für den Dichter! Umso mehr ist Thomas Gsella zu rühmen, der sich achtbar aus der Affäre zieht. Er bedichtet Häberles Blättertiere nicht einfach, sondern liefert Paraphrasen, Interpretationen, weiterführende Einfälle. Der Leser mag die Probe machen und die Gedichte einmal für sich, ohne Blick auf die Fotos lesen. Gsella transferiert das Eichhörnchen zum Hörncheneich oder verleiht dem denkschwachen Nashorn Skrupel vor einem Scheideweg: "Wie soll es sich für einen Weg entscheiden, / Wenn zwar der linke durchaus möglich wär, / Doch ebenfalls der rechtere der beiden?" Mehr noch: Das aus Steinen gefügte Krokodil sieht er von ganz oben, als Relikt einer erstorbenen wasserlosen Erdlandschaft: "Als größtes Rätsel endete der Nil. - / Dann sah man es. Auf Satellitenbildern: / Ein durstiges monströses Krokodil." Das ist eine groteske Apokalypse à la Gottfried Benn.
Manchmal befreit Gsella sich vollends vom vorgegebenen Sujet. Wenn das Lama partout nicht mit den großen Fragen in Verbindung zu bringen ist, kommt der Dichter zum radikalen Schluss: "Was ist das Glück? Leid: Stählt es mich? / Hat Schlechtes so - sein Gutes?" / Mit derlei Fragen quält es sich. / Nein? Tut es nicht? Doch tut es." So behauptet der Dichter seine dichterische Freiheit. Und der Leser, der Betrachter? Er hat in dem Blättertier-Buch zweier Künstler eine schöne Synthese, aber auch zwei verschiedene Bücher. Beide gleich reizend.
H.H.
Eva Häberle und Thomas Gsella: "Was macht das Blättertier denn hier". Bilder und Gedichte. Knesebeck Verlag, München 2016. 112 S., geb., 14,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Am Anfang war die Eule, wenn auch nicht die Eule der Minerva. Eva Häberles Eule entstand, als die renommierte Fotografin, die sonst Porträts und Reportagen gestaltet, auf einem kleinen Bahnhof in Cornwall warten musste und aus Langeweile Laub und Blüten hin und her schob, bis eine Eule mit zwei gelben Augen entstand. Sie geriet so sprechend, dass eine Fotoserie mit solchen aus Pflanzen komponierten Tieren entstand; und daraus dieses Buch, zu dem Thomas Gsella die Gedichte schrieb. Der Titel fragt: "Was macht das Blättertier denn hier." Die Antwort muss lauten: Das Blättertier erfreut uns. Es ist etwas Seltenes, nämlich ein Buch für Kinder wie für Erwachsene, ja ein Buch für die ganze Familie.
Wer Kunst liebt, mag sich an die aus Blumen und Früchten komponierten Figuren Arcimboldos erinnert fühlen, wenn hier auch alles im Miniformat erscheint. Wer Häberles aus einer Magnolienblüte zusammengesteckten Flamingo betrachtet, mag an Rilke denken. Gsellas leicht gesetzte Reime über den Flamingo sind ihrer Verwandtschaft mit Rilkes Sonett nicht unwürdig: "So viel Schönheit, so viel Leichtes / In den Federn, in den Beinen. / So viel Nahrung, so viel Seichtes / In den Wassern, die sie meinen." Ja, Gsella setzt in diesem wie in einigen anderen Gedichten eine politische Pointe, die zeigt, dass er mehr ist als ein Spaßmacher und Stimmenimitator: "So viel Vorsicht ist in ihnen, / Wenn Flamingos sich bewegen. / So als ob sie von den Minen / Wüssten, die die Menschen legen."
Der Reiz des Buches liegt in der Phantastik seines kleinen Kosmos. Da gibt es eine Ratte aus Borke, einen Pudel aus Pusteblumen, einen Elefanten aus Wirsingblättern, ein Walross aus Fels und Muscheln oder den grünen Frosch, der helle Johannisbeeren laicht. Die Gebilde sind so reizend und amüsant, dass sie für sich stehen und sprechen könnten. Keine einfache Aufgabe also für den Dichter! Umso mehr ist Thomas Gsella zu rühmen, der sich achtbar aus der Affäre zieht. Er bedichtet Häberles Blättertiere nicht einfach, sondern liefert Paraphrasen, Interpretationen, weiterführende Einfälle. Der Leser mag die Probe machen und die Gedichte einmal für sich, ohne Blick auf die Fotos lesen. Gsella transferiert das Eichhörnchen zum Hörncheneich oder verleiht dem denkschwachen Nashorn Skrupel vor einem Scheideweg: "Wie soll es sich für einen Weg entscheiden, / Wenn zwar der linke durchaus möglich wär, / Doch ebenfalls der rechtere der beiden?" Mehr noch: Das aus Steinen gefügte Krokodil sieht er von ganz oben, als Relikt einer erstorbenen wasserlosen Erdlandschaft: "Als größtes Rätsel endete der Nil. - / Dann sah man es. Auf Satellitenbildern: / Ein durstiges monströses Krokodil." Das ist eine groteske Apokalypse à la Gottfried Benn.
Manchmal befreit Gsella sich vollends vom vorgegebenen Sujet. Wenn das Lama partout nicht mit den großen Fragen in Verbindung zu bringen ist, kommt der Dichter zum radikalen Schluss: "Was ist das Glück? Leid: Stählt es mich? / Hat Schlechtes so - sein Gutes?" / Mit derlei Fragen quält es sich. / Nein? Tut es nicht? Doch tut es." So behauptet der Dichter seine dichterische Freiheit. Und der Leser, der Betrachter? Er hat in dem Blättertier-Buch zweier Künstler eine schöne Synthese, aber auch zwei verschiedene Bücher. Beide gleich reizend.
H.H.
Eva Häberle und Thomas Gsella: "Was macht das Blättertier denn hier". Bilder und Gedichte. Knesebeck Verlag, München 2016. 112 S., geb., 14,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main