Eine interdisziplinäre Reise durch die Welt der Gedanken
Wenn führenden Köpfen aus interdisziplinären Bereichen die gleiche Frage gestellt wird, darf man auf die Antworten gespannt sein. Die Edge-Frage 2011 lautet: Welcher wissenschaftliche Begriff würde den kognitiven Werkzeugkasten eines jeden
bereichern?
In „Was macht uns schlauer?“ sind auf über 500 Seiten Antworten von 150 großen…mehrEine interdisziplinäre Reise durch die Welt der Gedanken
Wenn führenden Köpfen aus interdisziplinären Bereichen die gleiche Frage gestellt wird, darf man auf die Antworten gespannt sein. Die Edge-Frage 2011 lautet: Welcher wissenschaftliche Begriff würde den kognitiven Werkzeugkasten eines jeden bereichern?
In „Was macht uns schlauer?“ sind auf über 500 Seiten Antworten von 150 großen Denkern der Zeitgeschichte enthalten. Gleich im ersten Beitrag relativiert der Kosmologe Martin Rees die Stellung des Menschen im Kosmos, indem er auf die gewaltigen (Entwicklungs-)Zeiträume verweist. Dennoch können wir uns wichtig fühlen, weil wir die Macht besitzen, unser evolutionäres Erbe zu gestalten. (37)
Eine thematische Wende leitet der Evolutionsbiologe Richard Dawkins ein, indem er zum kritischen Denken auffordert und gleich das notwendige Werkzeug beschreibt. (55/56) Der Physiker Max Tegmark fordert einen „wissenschaftlichen Lebensstil“ (57) und für den Psychologen Roger Schank ist jeder Aspekt des Lebens ein Experiment. (63)
Nach diesem Hoch auf die Wissenschaft folgt durch Journalistin Kathryn Schulz wiederum eine Relativierung. „Im Unterschied zu all den Trotteln, die auf die flache Erde oder das geozentrische Universum oder die kalte Kernverschmelzung hereinfielen, haben wir selbst das große Glück, gerade während der Blütezeit korrekten menschlichen Denkens zu leben.“ (71)
Wenn schon der (objektive) Erkenntnisgewinn nur zeitkernige Gültigkeit besitzt, wie sieht es dann mit der Selbstwahrnehmung aus? Sozialpsychologe David G. Myers liefert eine Antwort dazu: „Die günstige Wahrnehmung von uns selbst und unserer Gruppe schützt uns vor Depressionen, wirkt stressdämpfend und erhält unsere Hoffnungen aufrecht.“ (81)
Letztlich ist alles in Bewegung, wie Altphilologe James O'Donnell zum Ausdruck bringt. (188) „Raum, Zeit und Gegenstände könnten einfach nur Aspekte eines Sinnesdesktops sein, der spezifisch für den Homo sapiens ist. Sie sind vielleicht gar keine tiefen Einsichten in objektive Wahrheiten, sondern nur bequeme Konventionen, die sich entwickelt haben, um unser Überleben in unserer Nische zu ermöglichen.“ (201)
Aus dem gleichen Grund sind wir blind für viele Informationen, die unterhalb der Oberfläche unseres Bewusstseins verarbeitet werden. Psychologe Adam Alter nennt Beispiele für unbewusst wahrgenommene Hinweisreize und ihre Auswirkungen. (215) Neben dieser eher psychologischen Betrachtung untersucht der Physiker Frank Wilczek verborgene Schichten im physischen Sinne in Form sich verändernder neuronaler Netzwerke. (261)
Tief gehende Hirnstrukturen im psychischen und im physischen Sinne ändern aber nichts daran, dass wir für langsame und stetige Veränderungen keine Antenne haben. Diesen, auch von der Ökologiebewegung aufgegriffenen Gedanken, verfolgt Alun Anderson in seinem Essay. (286)
Ja, wir haben nicht nur kein Gespür für langsame Veränderungen, wir wissen noch nicht einmal wo das „Wir“, oder in erster Person gesprochen das „Ich“, im Gehirn zu verorten ist. Und so ist der Weg nicht weit zu Thomas Metzingers phänomenal transparentes Selbstmodell. (291) Thomas Metzinger vertritt die These, dass das erlebte Ich von unserem Gehirn erzeugt wird, und dass das, was wir wahrnehmen, nur ein virtuelles Selbst in einer virtuellen Realität ist.
Die Erklärungen der Wissenschaft sind nicht immer einfach, und manchmal auch demütigend. Dennoch sind wir, wie der Künstler Brian Eno es zum Ausdruck bringt, Teil eines unvorstellbar großen und schönen Dramas, welches Leben heißt. (386)
Die Essays diese Buches lassen sich wie ein Puzzle zusammensetzen und offenbaren damit eine wunderbare, ja fantastisch anmutende Gesamtschau des Menschen in der Welt. Vielleicht gleicht die Welt einem Hologramm. Jedenfalls wirken Struktur und Inhalt des Buches, welches letztlich die Welt beschreibt, so. Mit jedem Kapitel wird das Gesamtbild klarer, ohne dass wir es wirklich verstehen können.