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Als de Gaulle und Adenauer 1963 in Paris den Élysée-Vertrag unterzeichnen, besiegelt dieses Abkommen das Ende einer langen 'Erbfeindschaft'. Hélène Miard-Delacroix zeichnet diese besondere Beziehung im Nachkriegseuropa klar und kenntnisreich nach. Dabei geht sie auch auf gemeinsame wie unterschiedliche Probleme der beiden Länder ein: etwa auf die heftigen Erschütterungen durch 1968, auf den Terrorismus der RAF und der Action Directe oder auf den unterschiedlichen Umgang mit wirtschaftlichen Krisen.

Produktbeschreibung
Als de Gaulle und Adenauer 1963 in Paris den Élysée-Vertrag unterzeichnen, besiegelt dieses Abkommen das Ende einer langen 'Erbfeindschaft'. Hélène Miard-Delacroix zeichnet diese besondere Beziehung im Nachkriegseuropa klar und kenntnisreich nach. Dabei geht sie auch auf gemeinsame wie unterschiedliche Probleme der beiden Länder ein: etwa auf die heftigen Erschütterungen durch 1968, auf den Terrorismus der RAF und der Action Directe oder auf den unterschiedlichen Umgang mit wirtschaftlichen Krisen.
Autorenporträt
Hélène Miard-Delacroix ist seit 2008 Professorin für Histoire et civilisation de l¿Allemagne contemporaine an der Sorbonne.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.01.2012

Adenauers Mission und de Gaulles Vision
Deutsch-französische Beziehungen vom Kriegsende 1945 bis zur Gegenwart - meisterhaft gebündelt

Am 25. August 1944 feierten die Franzosen in Paris erleichtert die Befreiung ihrer Hauptstadt von der deutschen Besatzung. Zur selben Zeit ermordeten nur wenige hundert Kilometer entfernt deutsche Soldaten bei Tours 124 Dorfbewohner, weil zuvor französische Widerstandskämpfer zwei Fahrzeuge der Wehrmacht angegriffen hatten. Das Datum wirkt wie ein Kulminationspunkt der langen Geschichte feindseliger Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland. Vielen Zeitgenossen und Historikern ist vor diesem Hintergrund die rasche deutsch-französische Annäherung nach dem Zweiten Weltkrieg, die im Elysée-Vertrag von 1963 gipfelte, wie ein Wunder erschienen. Doch vermeintliche Wunder haben sich in der Geschichte oft als Ergebnisse nachvollziehbarer Prozesse entpuppt. Es ist die Pflicht von Historikern, solche Begebenheiten aus ihren affektiven Bezügen herauszuschälen und einer wissenschaftlichen Analyse zu unterziehen. Dieser Aufgabe stellen sich auch die beiden Autoren der jüngsten Beiträge zur elfbändigen Gesamtdarstellung der deutsch-französischen Geschichte, die seit 2005 in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft erscheint. Corine Defrance und Ulrich Pfeil sprechen in ihrer Betrachtung der Nachkriegsjahre bis zum deutsch-französischen Vertrag ausdrücklich davon, "den ,Mythos 1963' dekonstruieren" zu wollen. Sie tun das mit präzisen historiographischen Instrumenten, die nicht nur zur Präparation der politischen Handlungsstränge dienen, sondern das ganze Spektrum der nachbarschaftlichen Beziehungen entfalten.

Dabei wird deutlich, dass der Vertrag von 1963 selbstverständlich ein wichtiger Meilenstein der Verständigung, jedoch weder deren Fundament noch deren Schlussstein war. Viel früher begann der Annäherungsprozess auf politischer, wirtschaftlicher, gesellschaftlicher Ebene, gefördert von den übergeordneten Rahmenbedingungen des Ost-West-Konflikts und der aufkeimenden Globalisierung. Schon die französische Besatzungspolitik, von der Forschung lange als reine Obstruktion gegen das Wiedererstarken des deutschen Nachbarn interpretiert, erscheint hier in neuem Licht. Auch die europäische Politik, vom Schuman-Plan bis zu den Römischen Verträgen, wird jenseits der bis heute oftmals idealisierten moralischen Dimensionen als Ergebnis nüchterner Interessenpolitik erkennbar.

Zum Verständnis des Elysée-Vertrags sind allerdings nicht zuletzt die Motive der handelnden Staatsmänner zu berücksichtigen. Es war ja erstaunlich, dass ausgerechnet Charles de Gaulle und Konrad Adenauer sich trotz ihrer eigentlich gegensätzlichen Positionen zusammenfanden, um Frankreich und Deutschland dauerhaft zu verbinden. De Gaulle wollte Frankreich zu neuer Größe führen, Adenauer Deutschland - das heißt zunächst die Bundesrepublik - gleichberechtigt im demokratischen Westen verankern. Des Kanzlers letztes Ziel war es, den Deutschen ein für alle Mal jeden unheilvollen "Sonderweg" zu versperren.

Nachdem sich Amerikaner und Briten in der Berlin-Krise als unsichere Partner erwiesen hatten, setzte er auf de Gaulle. Der General sah seinerseits in der Verbindung mit Deutschland das Modell für eine Einigung Kontinentaleuropas, zu dessen Stimme im Konzert der Groß- beziehungsweise Atommächte Frankreich werden sollte. In dieser Perspektive ergaben seine distanzierte Haltung zu den europäischen Institutionen, sein seit 1958 verfolgtes Ziel eines "Dreierdirektoriums" der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs für die Nato und sein spektakulärer Vorschlag einer deutsch-französischen "Union" ein kohärentes Konzept. Der Elysée-Vertrag von 1963 sollte für de Gaulle ein Aufbruch zu seiner Vision sein. Für Adenauer, dessen Kanzlerschaft im selben Jahr zu Ende ging, war es der Abschluss seiner Mission.

De Gaulles weitreichende Pläne scheiterten bereits wenige Monate später an der vom Deutschen Bundestag in das Ratifizierungsgesetz eingefügten Präambel, die jedem deutsch-französischen Alleingang einen Riegel vorschob. Es begann eine Phase neuer Schwierigkeiten, die von Frankreichs "Politik des leeren Stuhls" in der EWG und seinem Rückzug aus den Strukturen der Nato gekennzeichnet war. Hier setzt die Studie von Hélène Miard-Delacroix ein, deren besonderes Verdienst darin besteht, den vorderhand weniger spektakulären Zeitraum von 1963 bis in die Gegenwart zu einem spannenden Kaleidoskop der deutsch-französischen Beziehungen zu machen. Sie bedient sich dabei methodisch der "histoire croisée", die über die traditionelle vergleichende Darstellung der Nationalgeschichten hinauszugehen sucht. Damit geraten auch, wie die Autorin einleitend erläutert, der "Austausch von Modellen und Praktiken, die Zirkulation von Ideen und die wechselseitigen Einflüsse" zwischen den Gesellschaften in den Blick.

Es entsteht ein komplexes Bild, das der Geschichte eine beeindruckende Multiperspektivität verleiht. So ergeben sich sowohl tiefe Einblicke in die wachsende Verflechtung der Nachbarstaaten als auch interessante Erkenntnisse über fortbestehende Unterschiede, welche im Kontrast die jeweiligen nationalen Eigenheiten besonders hervortreten lassen. Die Themen sind überaus vielfältig: Nicht nur die klassischen Felder der Politik gehören dazu, sondern auch etwa die Ursachen und Wirkungen der Proteste des Jahres 1968 in beiden Ländern, die Herausforderungen des Terrorismus seit den 1970er Jahren, die politische Kultur und kollektive Erinnerung, die Modernisierung und Krise der Arbeitswelt, der Wandel der Werte und Lebensweisen. Wegweisend ist die Einbeziehung der DDR als Teil eines asymmetrischen Interaktionsfelds zwischen Frankreich und den beiden Teilen Deutschlands.

Die Bände gliedern sich jeweils in eine Überblicksdarstellung und thematische Tiefenschnitte, die auch Forschungsdiskussionen skizzieren. Sie heben sich bewusst ab von der klassischen Meistererzählung, bieten jedoch eine meisterhafte Bündelung der vielfältigen Aspekte und dürfen damit als unverzichtbare Nachschlagewerke gelten.

DANIEL KOSTHORST.

Corine Defrance/Ulrich Pfeil: Eine Nachkriegsgeschichte in Europa 1945 bis 1963. Deutsch-französische Geschichte, Band 10. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2011. 324 S., 69,90 [Euro].

Hélène Miard-Delacroix: Im Zeichen der europäischen Einigung 1963 bis in die Gegenwart. Deutsch-französische Geschichte, Band 11. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2011. 404 S., 69,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Daniel Korsthorst annonciert zwei neue Bände der deutsch-französischen Geschichte, in denen er künftig "unverzichtbare Nachschlagewerke" erkennt. In Band zehn der Edition beleuchten die Historiker Corine Defrance und Ulrich Pfeil die Nachkriegszeit bis 1963, und der Rezensent ist besonders dankbar, dass sie Elyseevertrag von 1963, der die deutsch-französische Beziehungen von Erbfeindschaft in Freundschaft umwandelte, nicht als ein weiteres Mal als "Wunder" preisen, sondern als Ergebnis politischer Entwicklungen und Entscheidungen erklären. Für die Zeit ab 1963 attestiert er der Historikerin Helene Miard-Delacroix, die weitaus weniger spektakulären Ereignisse zu einem "spannenden Kaleidoskop" zu bündeln. Dass beide Bücher keine klassische Meistererzählung präsentieren, sondern Überblick, Tiefenbohrungen und Forschungsdiskussionen bieten, weiß der Rezensent zu schätzen.

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