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Die Ereignisse, von denen berichtet wird, liegen 65 Jahre zurück. Für Millionen Menschen waren sie von allergrößter Bedeutung. Hier erinnern sich einige der letzten männlichen Vertreter der sogenannten Kriegsgeneration.Diese Männer waren aktive Teilnehmer am Zweiten Weltkrieg (1939-1945), vor allem als Soldaten des deutschen Heeres. In den zwanziger Jahren geboren, herangewachsen im nationalsozialistischen »Dritten Reich«, galt für sie der Weg an die Front als nahezu unausweichlich. Ihr Soldatendasein endete mit Gefangenschaft - hier mit sowjetischer Gefangenschaft. »Dem Russen«, wie es im…mehr

Produktbeschreibung
Die Ereignisse, von denen berichtet wird, liegen 65 Jahre zurück. Für Millionen Menschen waren sie von allergrößter Bedeutung. Hier erinnern sich einige der letzten männlichen Vertreter der sogenannten Kriegsgeneration.Diese Männer waren aktive Teilnehmer am Zweiten Weltkrieg (1939-1945), vor allem als Soldaten des deutschen Heeres. In den zwanziger Jahren geboren, herangewachsen im nationalsozialistischen »Dritten Reich«, galt für sie der Weg an die Front als nahezu unausweichlich. Ihr Soldatendasein endete mit Gefangenschaft - hier mit sowjetischer Gefangenschaft. »Dem Russen«, wie es im damaligen Sprachgebrauch hieß, dem Hauptkriegsgegner der deutschen Eroberer, mussten sie sich ergeben.Die Autorin befragte Männer, wie ihre Gefangennahme verlief. Die Erzählungen machen deutlich, dass es sich um ganz entscheidende Tage in ihrem Leben handelte. Die Forschung spricht von Grenzerlebnissen, Erlebnissen also, die an die äußerste Grenze dessen gingen, was mit gewohnten zivilen Verhaltensweisen steuerbar ist. Das dominante Empfinden war Angst.
Autorenporträt
Elke Scherstjanoi ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Zeitgeschichte München-Berlin, Abteilung Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.11.2010

Schrecken
Gefangenschaft im Osten

Berichte deutscher Soldaten, die in den Jahren 1942 bis 1945 an der Ostfront in Kriegsgefangenschaft gerieten: Der erste Teil des Bandes besteht aus Abschriften von kurzen Interviews, die im Rahmen eines Oral-History-Projektes seit 2000 geführt wurden. Dieses Material wird im zweiten Teil ergänzt um schriftliche Berichte, die meist aus unveröffentlichten Memoiren stammen. Im Mittelpunkt stehen Schilderungen der Grenzerfahrung der Gefangennahme und jene ersten Eindrücke vom Verhalten des sowjetischen Feindes, die sich den ehemaligen Soldaten bis heute tief in ihr Gedächtnis eingegraben haben. Es kommen Männer der Jahrgänge 1918 bis 1928 zu Wort, die während des Zweiten Weltkrieges meist Mannschaftsdienstgrade waren. 36 lebten nach dem Krieg in der DDR. Ziel des Buches ist es, die Erfahrungen der Kriegsgeneration für den kritischen Geschichtsdiskurs nutzbar zu machen, um "der jungen Generation die Schrecken des Krieges vor Augen" zu führen. Denn: Wer Kriegsgefangenschaft verhindern will, muss Kriege verhindern, so die Herausgeberin. Verfolgt man die volkspädagogische Absicht, jungen Menschen ein Bild des Krieges zu vermitteln, hätten sich sicher eindrücklichere Texte finden lassen. Die Auswahl erklärt sich denn auch viel mehr aus der Intention, den antisowjetischen Kanon des Kalten Krieges zu durchbrechen und Stimmen zu Wort kommen zu lassen, die ein anderes Bild der russischen Soldaten wiedergeben. Der rote Faden der 47 Erinnerungsberichte ist denn auch, dass die Rotarmisten viel besser als ihr Ruf waren, die deutschen Soldaten menschlich behandelten, obwohl die Wehrmacht in ihr Land eingefallen war und zahllose Verbrechen beging. Die Soldaten berichten mehr oder weniger übereinstimmend, wie rasch sich die nationalsozialistische Propaganda als verlogen herausstellte. Diese Erfahrungen "gehören verbreitet", betont Elke Scherstjanoi. Ebenso erfreut sie, dass aus etlichen Erinnerungen die Bereitschaft herauszulesen ist, "das eigene Unglück in Relation zu den Leiden anderer Völker zu setzen".

Die einzelnen Berichte weisen ohne Zweifel auf einen vernachlässigten Aspekt des Russland-Krieges hin: die Menschlichkeit im totalen Krieg. Trotz der beinahe unbeschreiblichen Gewalteruptionen war auch dieser Krieg nie vollkommen regellos, war er nie "total". Der hunderttausendfache Tod gefangener Soldaten war eben nur eine Seite der Medaille. Momente des Mitgefühls und der Fürsorge für den geschlagenen Gegner gab es ebenso, wovon die Berichte eindrucksvoll Zeugnis ablegen. Leider wird aber die Chance vertan, die ganze Bandbreite von Erfahrungen der Gefangennahme aufzuzeigen und diese in einen größeren Kontext einzuordnen. Das Bild der russischen Soldaten erscheint daher stellenweise klischeehaft überzeichnet. Ärgerlich ist zudem, dass der Leser über die Auswahlkriterien der Berichte und Interviews nichts erfährt. Dass mit ihnen offenbar eine Botschaft verfolgt wird, entwertet den Band für die Wissenschaft.

SÖNKE NEITZEL

Elke Scherstjanoi: Wege in die Kriegsgefangenschaft. Erinnerungen und Erfahrungen deutscher Soldaten. Dietz Verlag, Berlin 2010. 304 S., 19,90 [Euro].

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