Ob "Ötzi", schmelzende Gletscher, Tunnelunglücke, Naturkatastrophen oder einfach Naturschönheit und lohnendes Reiseziel, die Alpen sind immer wieder Thema.Seit jeher haben die Alpen die Menschen gleichermaßen angezogen und abgestoßen, fasziniert und erschreckt. Früh wollten sie die Alpen überwinden, suchten Wege durch bzw. über die Alpen. Doch wie ging diese Erschließung vor sich? Und warum nahmen Menschen überhaupt die Strapazen einer Überquerung auf sich? Handel und Wandel spielten dabei ebenso eine Rolle wie Expansionsbestrebungen und kriegerische Aktivitäten wer dächte nicht sofort an Hannibals berühmten Zug über die Alpen. Doch wie muss man sich Reise und Transport über die Alpen in verschiedenen Jahrhunderten vorstellen?Der Text-Bildband erzählt die Geschichte der Alpenüberquerungen: von den Alpen als Lebensraum in Ur- und Frühgeschichte über den Alpentransfer in Antike, Mittelalter und früher Neuzeit bis in unsere Gegenwart, in der ausgebaute Passstraßen und Tunnelröhren den modernen Blechlawinen den Weg bahnen.Historisches Bildmaterial und aktuelle Farbfotos illustrieren den Text. Je Kapitel werden relevante Pässe in Form von Pass-Exkursen auf je zwei Doppelseiten ausführlich vorgestellt. Großformatige Panoramabilder, fotografiert mit der Rundum-Kamera, eröffnen die Exkurse.Der Anhang bietet zusätzlich einen tabellarischen Überblick über die Alpenpässe, der über Geschichte, Streckenverlauf, Sehenswürdigkeiten und berühmte Reisende in Kürze informiert.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.08.2006Serpentinen durch Geist und Landschaft
Anfangs haben sie bloß gestört. Den Ötzi am Similaun-Joch bei der Flucht vor seinen Verfolgern oder Hannibal, von dessen Elefanten kein einziger die kühne Überschreitung der Alpen überlebte. Später wurde es besser. Die Römer nutzten Brenner und Reschenpaß für ihre Via Claudia Augusta - und einige kulinarische Jahrhunderte lang war die Versorgung mit italienischem Wein und Olivenöl in Germanien gesichert. Im Mittelalter zogen die deutschen Könige zur Kaiserkrönung in Rom über die Alpen, die Pilger taten es ihnen nach und wußten nach den "furchtbaren Felsenmeeren" die Freuden Italiens um so mehr zu schätzen. Man wählte zum Reisen die warme Jahreszeit, nur der unglückliche Heinrich IV. mußte 1077 zu seinem Bußgang nach Canossa im Winter aufbrechen. Als die Romantiker in der Nachfolge Rousseaus die Schönheit der wilden Natur entdeckten, wurde es in den Alpen voll. Goethe kam mit seinem Herzog, Napoleon mit seinen Truppen, und die von den genialen Ingenieuren des Korsen projektierten Trassen waren noch für die kommenden Innovationen, für Eisen- und Autobahnen brauchbar. Uwe A. Oster zerlegt nun die Geschichte dieser Alpenüberquerungen in fünf Kapitel. Fünf Exkurse greifen besonders wichtige Übergänge, den Großen St. Bernhard, Brenner, San Bernardino, Gotthard und Stilfser Joch heraus. Oster hat viel Mühe darauf verwendet, ausgewiesene Wissenschaftler als Autoren zu gewinnen. So schreibt Urs Leuzinger, der Direktor des Museums für Archäologie des Kantons Thurgau, über die Zeiten der Prähistorie in den Alpen und der Innsbrucker Römerstraßenspezialist Gerald Grabherr über die Alpenpässe in der Antike. Den bisweilen etwas trockenen Stoff, der aber durch eine reiche Fülle von Informationen stets interessant und lesbar bleibt, lockert Oster, stellvertretender Chefredakteur des Geschichtsmagazins "Damals", mit anekdotenreichen Beiträgen über die berühmtesten Alpenpässe auf. Die Alpingeschichtlerin Ingeborg Schmidt-Mummert widmet sich der Erschließung des Alpenraums, und nachgerade eine kleine, wunderbar anschaulich erzählte Kulturgeschichte ist Anneliese Gidls Text über die Alpenreisen im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert. Die opulente Bebilderung tut ein übriges, den Band gelungen zu nennen. Doppelseitige Panoramafotos von Erhard Hehl beeindrucken durch die Zusammenschau von Kargheit und Schönheit. Historische Stiche und Gemälde, zeitgenössische Fotos, vorzügliche Karten, dies alles in bester Wiedergabe- und Druckqualität, dazu ein ordentliches Literaturverzeichnis. Anregungen für den Urlaub gibt es auch: Schon beim Durchblättern und dem Blick auf die kühngeschwungenen Straßen wird man sich fragen, ob man wirklich noch Tunnel benutzen soll oder nicht endlich einmal über die schönsten Pässe fährt, vor allem die, von denen die Spediteure und rasenden Transitreisenden nichts mehr wissen wollen. Wie nebenbei erfährt man dann, wer und warum hier früher seines Wegs zog.
rpm
"Wege über die Alpen. Von der Frühzeit bis heute", herausgegeben von Uwe A. Oster. Primus Verlag, Darmstadt 2006. Gebunden, 29,90 Euro. ISBN 3-89678-269-X.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Anfangs haben sie bloß gestört. Den Ötzi am Similaun-Joch bei der Flucht vor seinen Verfolgern oder Hannibal, von dessen Elefanten kein einziger die kühne Überschreitung der Alpen überlebte. Später wurde es besser. Die Römer nutzten Brenner und Reschenpaß für ihre Via Claudia Augusta - und einige kulinarische Jahrhunderte lang war die Versorgung mit italienischem Wein und Olivenöl in Germanien gesichert. Im Mittelalter zogen die deutschen Könige zur Kaiserkrönung in Rom über die Alpen, die Pilger taten es ihnen nach und wußten nach den "furchtbaren Felsenmeeren" die Freuden Italiens um so mehr zu schätzen. Man wählte zum Reisen die warme Jahreszeit, nur der unglückliche Heinrich IV. mußte 1077 zu seinem Bußgang nach Canossa im Winter aufbrechen. Als die Romantiker in der Nachfolge Rousseaus die Schönheit der wilden Natur entdeckten, wurde es in den Alpen voll. Goethe kam mit seinem Herzog, Napoleon mit seinen Truppen, und die von den genialen Ingenieuren des Korsen projektierten Trassen waren noch für die kommenden Innovationen, für Eisen- und Autobahnen brauchbar. Uwe A. Oster zerlegt nun die Geschichte dieser Alpenüberquerungen in fünf Kapitel. Fünf Exkurse greifen besonders wichtige Übergänge, den Großen St. Bernhard, Brenner, San Bernardino, Gotthard und Stilfser Joch heraus. Oster hat viel Mühe darauf verwendet, ausgewiesene Wissenschaftler als Autoren zu gewinnen. So schreibt Urs Leuzinger, der Direktor des Museums für Archäologie des Kantons Thurgau, über die Zeiten der Prähistorie in den Alpen und der Innsbrucker Römerstraßenspezialist Gerald Grabherr über die Alpenpässe in der Antike. Den bisweilen etwas trockenen Stoff, der aber durch eine reiche Fülle von Informationen stets interessant und lesbar bleibt, lockert Oster, stellvertretender Chefredakteur des Geschichtsmagazins "Damals", mit anekdotenreichen Beiträgen über die berühmtesten Alpenpässe auf. Die Alpingeschichtlerin Ingeborg Schmidt-Mummert widmet sich der Erschließung des Alpenraums, und nachgerade eine kleine, wunderbar anschaulich erzählte Kulturgeschichte ist Anneliese Gidls Text über die Alpenreisen im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert. Die opulente Bebilderung tut ein übriges, den Band gelungen zu nennen. Doppelseitige Panoramafotos von Erhard Hehl beeindrucken durch die Zusammenschau von Kargheit und Schönheit. Historische Stiche und Gemälde, zeitgenössische Fotos, vorzügliche Karten, dies alles in bester Wiedergabe- und Druckqualität, dazu ein ordentliches Literaturverzeichnis. Anregungen für den Urlaub gibt es auch: Schon beim Durchblättern und dem Blick auf die kühngeschwungenen Straßen wird man sich fragen, ob man wirklich noch Tunnel benutzen soll oder nicht endlich einmal über die schönsten Pässe fährt, vor allem die, von denen die Spediteure und rasenden Transitreisenden nichts mehr wissen wollen. Wie nebenbei erfährt man dann, wer und warum hier früher seines Wegs zog.
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"Wege über die Alpen. Von der Frühzeit bis heute", herausgegeben von Uwe A. Oster. Primus Verlag, Darmstadt 2006. Gebunden, 29,90 Euro. ISBN 3-89678-269-X.
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