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Pierre Hadot lädt uns ein, wiederzuentdecken, was die Philosophie einst war: eine geistige Übung, aufs engste mit dem Leben verschränkt. Anaximander, Anaximenes, Anaxagoras, Anthistenes, Antipater, Aristoteles, Attikos, Augustinus, Aulus Gellius, Cato, Celsus, Chrysippos, Cicero, Diodoros von Sizilien, Diogenes Laertius, Empedokles, Epiktet, Epikur, Eudoxis, Euklid, Eusebius von Caesaria, Gorgias, Heraklit, Iamblichos, Isokrates, Kleanthes, Lukrez, Marc Aurel, Melissos, Numenios, Parmenides, Philon von Alexandria, Platon, Plinius, Plotin, Plutarch, Porphyrios, Proklos, Pyrrhon, Seneca,…mehr

Produktbeschreibung
Pierre Hadot lädt uns ein, wiederzuentdecken, was die Philosophie einst war: eine geistige Übung, aufs engste mit dem Leben verschränkt. Anaximander, Anaximenes, Anaxagoras, Anthistenes, Antipater, Aristoteles, Attikos, Augustinus, Aulus Gellius, Cato, Celsus, Chrysippos, Cicero, Diodoros von Sizilien, Diogenes Laertius, Empedokles, Epiktet, Epikur, Eudoxis, Euklid, Eusebius von Caesaria, Gorgias, Heraklit, Iamblichos, Isokrates, Kleanthes, Lukrez, Marc Aurel, Melissos, Numenios, Parmenides, Philon von Alexandria, Platon, Plinius, Plotin, Plutarch, Porphyrios, Proklos, Pyrrhon, Seneca, Sextius, Sextus Empiricus, Sokrates, Straton, Thales, Theophrast, Xenophon, Zenon und viele mehr.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.11.1999

Ein echtes Original, der alte Herr
Weil die alten Philosophen das Gold ihres Wissens auf die Straße trugen, hatten sie keine Schwierigkeiten, Freunde zu finden: Pierre Hadot prüft, ob alles echt war / Von Kurt Flasch

Das Buch fängt harmlos, fast heiter an: Es erklärt, was die Griechen sich unter "Philosophie" dachten, nämlich in erster Linie eine Lebensform, nicht eine Ansammlung von Theorien; es geht die verschiedenen antiken Philosophenschulen durch und findet, dass sie bei allen theoretischen Unterschieden einig darin waren, vor allem eine gemeinsame Lebensweise zu sein; es untersucht schließlich, wie es dazu kam, dass Philosophie als reine Theorie verstanden wurde. Dies ist die stoffliche Außenseite des Buches; ein hervorragender Kenner der antiken, besonders der spätantiken Philosophie skizziert mit leichter Hand den Gang des griechischen Denkens. Er zieht eine Bilanz seiner Lebensarbeit: Die antike Philosophie war keine Professorenphilosophie; sie war Anleitung zum richtigen Leben; sie war Einübung und Seelsorge. Sie gab praktische Ratschläge, wie man sich vorbereitet zum Schlaf und wie man im Unglück unerschüttert bleibt. Sie lehrte die Kunst, zu leben und zu sterben.

Hadot trägt dies in ruhigem Erzählton vor, doch das Buch hat eine brisante Seite: Es bestreitet der heutigen Universitätsphilosophie das Recht, Namen und Ansehen des griechischen Begriffs von Philosophie zu beanspruchen. Die antike Philosophie beruhte auf dem Grundsatz: Man kann nur unter Freunden philosophieren. Sie setzt Vertrauen und Zuneigung voraus, ist ein Kind des Eros und des Gesprächs. Die Philosophie ist nichts für die Universität. Ihrem modernen Lehrbetrieb fehlen mindestens zwei Voraussetzungen: Die Kathederphilosophie geht nicht aus Gesprächen von Menschen hervor, die sich für ein gemeinsames Leben entschieden haben. Und sie beruht nicht mehr auf Freundschaft. Sie ist nicht mehr eine Lebenspraxis, aus der die Theorienvielfalt erst erwächst. Sie respektiert den Unterschied von Theorie und Praxis; sie versteht sich als kontemplatives Leben im Gegensatz zur vita activa. Die antiken Philosophen hingegen unterschieden zwei Lebensweisen - die Lebensform des Philosophen, die durch gesprächsweise Klärung der Begriffe ein gerechtes und vernünftiges Leben erstrebt, und die Lebensform der anderen, der Nicht-Philosophen, die ihre Intelligenz nur zur Durchsetzung eigener Vorteile benutzen.

Die Lebensarbeit von Pierre Hadot besteht darin, die moderne Stilisierung zu entfernen, mit deren Hilfe die Universitätsphilosophen das antike Denken so lange umgeformt haben, bis es als der Vorläufer der neuzeitlichen Denkbeamten erschien. Dabei bestreitet Hadot die Einflüsse des antiken Denkens auf spätere Epochen nicht. Allerdings kommt die Entstehung des Naturwissens aus dem Geist der griechischen Philosophie bei ihm vielleicht etwas zu kurz. Vielleicht akzentuiert er die Rolle von "Leben" und "Entscheidung" - Grundbegriffen der Philosophie des zwanzigsten Jahrhunderts - etwas zu sehr. Aber Hadot vermeidet eine extreme Position. Die antike Philosophie habe "zwei Pole" gehabt: zum einen die Wahl und Praxis einer Lebensform, die Weisheit sucht, nicht zu besitzen behauptet, sodann die Themen freundschaftlicher Gespräche über die Voraussetzungen der philosophischen Lebensform.

Theorien, die das Kostbarste zerstören, was wir haben, das Miteinander-Reden, können Philosophierende nicht als Ergebnis gemeinsamen Nachdenkens stehen lassen. Wir sind gewöhnt, von verschiedenen "Schulen" antiken Denkens zu sprechen, von platonischer, aristotelischer, stoischer und skeptischer "Schule". In Wahrheit handelte es sich um Lebensgemeinschaften, nicht um Theoriebündel oder staatliche Einrichtungen. Eine antike Philosophenschule war keine kommerzielle Anstalt und keine Kultgemeinschaft. Zwar waren mit den gemeinsamen Mahlzeiten auch gemeinsame religiöse Zeremonien üblich, die antike Philosophie war jedoch eine Gruppenbildung zur gemeinsamen rationalen Suche von Weisheit und Glück.

Wir verdanken Hadot eine anregende, wenn auch nicht ganz neue Richtigstellung. Die Platon-Deutung der Marburger Schule, entwickelt von Cohen und Natorp, begann mit einem Platon der Methodenlehre und Ethik. Sie endete, erschüttert durch den Ersten Weltkrieg, mit der Hervorhebung von Gemeinschaftsleben, Seelentrost und Mystik. Natorps Abhandlung über "Platons Ideenlehre" (1902) erhielt nach einem halben Menschenalter ein Nachwort, das die Weichen umwarf. Dann entdeckten andere "Platon als Erzieher"; sie betonten, in der Antike sei es um die Vereinigung von "Einsicht und Leidenschaft" gegangen; sie rückten, wie Hadot, Platons Symposion in den Mittelpunkt des Interesses. "Eros" und "Dialog" wurden Schlüsselbegriffe.

Hadot zieht diese Linien, übrigens im Kontakt mit der deutschen Forschung, neu aus. Hier korrigiert ein Professor von heute das Bild, das die Professoren von gestern sich von der Antike gemacht haben. Sie haben die griechische Philosophie als das Ausdenken von Weltformeln stilisiert; sie dachten, Philosophie müsse ein "System" bilden, und suchten Vorläufer für dieses moderne Konzept. Dies klargestellt zu haben ist die Bedeutung von Hadots Buch, das 1995 in Paris erschienen ist. Die deutsche Übersetzung teilt uns zwar weder Ort noch Jahr der Originalausgabe mit, ist aber ansonsten klar und korrekt, so dass man über kleine Unsicherheiten gern hinwegsieht.

Das Buch arbeitet die Differenz zwischen Antike und Gegenwart heraus. Der Leser fragt sich: Seit wann gibt es eine "Philosophie", die sich als reine Theorie versteht? Wie konnte sie sich durchsetzen, wenn die antike Tradition in eine andere Richtung wies? Hadot sah diese Frage voraus und beantwortet sie in seinem Schlusskapitel. Es sei, meint er, das Christentum gewesen, das die Philosophie griechischen Typs aus der Leitung des Lebens verdrängt hat, weil es sich selbst als die wahre Philosophie verstand und jedenfalls die öffentliche wie die private Lebensführung bestimmen wollte. Es habe früh nicht nur philosophische Begriffe übernommen, sondern auch Lebensgewohnheiten der Philosophenschulen, zum Beispiel die Selbsterforschung und tägliche Gewissensprüfung.

Anfangs, erzählt Hadot, habe er den durch das Christentum gesetzten Bruch stärker empfunden, dann aber habe er zunehmend Kontinuität entdeckt; die lebensprägende Philosophie sei doch auch im Mittelalter nicht völlig verschwunden. Es habe neben der Philosophie als Dienerin der Theologie und neben ihrer universitären Spezialisierung, vor allem als Logik, doch auch eine Tradition gegeben, die Philosophie als Lebensform wachgehalten habe; als deren Zeugen nennt er Petrarca, Erasmus und Montaigne.

Der Schlussabschnitt des Buches ist besonders anregend, weil das Christentum in Deutschland seit Karl Barth vorwiegend antiphilosophisch konstruiert wird. Hadots Buch gibt nicht nur eine verlässliche Einführung in die antike Philosophie als Lebensform, wobei die theoretischen Konflikte allerdings etwas zu sehr zurücktreten; es bringt auch moderne Philosophen in heilsame Verlegenheit. Mit welchem Recht können sie sich noch "Philosophen" nennen?

Pierre Hadot: "Wege zur Weisheit". Oder: Was lehrt uns die antike Philosophie? Aus dem Französischen von Heiko Pollmeier. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 1999. 398 S., geb., 49,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Mit großer Sympathie zeichnet Kurt Flasch nach, wie Hadot in seinem Buch die griechische Philosophie als eine Praxis darstelle und mit welcher Polemik er sich gegen die universitäre Philosophie der Neuzeit wende, die die antike Philosophie nach ihrem eigenen Bilde vor allem als Denksysteme darstellen wolle. Bei den philosophischen „Schulen“ der Antike handele es sich nach Hadot in Wahrheit um Lebensgemeinschaften. Darum gehe Hadot sogar so weit der heutigen beamteten Philosophie diesen Titel streitig zu machen. Obwohl Hadots Richtigstellung nicht ganz neu sei, und er die theoretischen Konflikte unter antiken Philosophen zu weit zurückstelle, findet der Rezensent Hadots Anliegen höchst verdienstvoll. Er bewundert Hadots „leichte Hand“ in der Skizzierung der Geschichte. Die Übersetzung sei „klar und korrekt“.

© Perlentaucher Medien GmbH"
"Hadots Sicht nimmt der antiken Philosophie vieles von ihrer Musealität. Auf einmal sind es wir, die Modernen, die im Licht des antiken Philosophierens blaß und anämisch wirken. Wer hat der Philosophie den Lebensfaden abgeschnitten?" (Ulrich Raulff, FAZ)