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Drei Frauen, drei Städte, drei Lebensalter. Drei Liebesgeschichten, die in den siebziger und achtziger Jahren spielen und denen nur eines gemeinsam ist: sie gehen übel aus. "Weiberroman", sagt Polityckis Romanheld Gregor Schattschneider großspurig und kleinlaut und erzählt sich, Kopf und Kragen riskierend, mitten hinein in die Frage, die uns seit je bewegt, irritiert, fasziniert: warum es so aberwitzig wunderbar und schrecklich zugeht zwischen den Männern und Frauen.

Produktbeschreibung
Drei Frauen, drei Städte, drei Lebensalter. Drei Liebesgeschichten, die in den siebziger und achtziger Jahren spielen und denen nur eines gemeinsam ist: sie gehen übel aus. "Weiberroman", sagt Polityckis Romanheld Gregor Schattschneider großspurig und kleinlaut und erzählt sich, Kopf und Kragen riskierend, mitten hinein in die Frage, die uns seit je bewegt, irritiert, fasziniert: warum es so aberwitzig wunderbar und schrecklich zugeht zwischen den Männern und Frauen.
Autorenporträt
Matthias Politycki, geboren 1955 in Karlsruhe, besuchte die Schule in Ottobrunn und München. Nach dem Abitur studierte er von 1975 bis 1987 Neuere deutsche Literatur, Philosophie, Theater- und Kommunikationswissenschaft an den Universitäten München und Wien. 1981 erlangte er den Grad eines Magisters, 1987 promovierte er bei Walter Müller-Seidel in München zum Doktor der Philosophie. Nach drei Semestern Lehrtätigkeit als Akademischer Rat am Münchner Institut für Deutsche Philologie wechselte er 1990 zum Beruf des freien Schriftstellers. Er lebt in Hamburg und München. 2009 erhielt er den Münchner Ernst Hoferichter-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.10.1997

Taugenichts der alten Republik
Kefir und Sandelholz: Matthias Politycki kann seine Generation nicht riechen / Von Hubert Spiegel

Man kann diesen Roman mit der Nase lesen. Zunächst riecht es nach nassen Parkas, nach Palmkätzchen und Forsythien, nach dem Jungmädchenparfüm "Charlie" (Kristina), nach "wilder Brombeerhecke, Hundescheiße, Hitze". Das sind die frühen siebziger Jahre in Lengerich, einem Provinzstädtchen am Südhang des Teutoburger Waldes. Dann riecht es nach verschwitztem Lederarmband am Handgelenk, nach Haschwolken über der Tanzfläche, nach kleinem Braunen und billigem "Doppler", vor allem aber riecht es nach Sandelholz (Tania). Das ist die zweite Hälfte der siebziger Jahre in Wien. Im dritten und letzten Teil des Buches schließlich riecht es nach frischen Brezeln und verschwitzten Hemden, nach Bodylotion, Kefir im Einmachglas und nach Chanel No. 5 (Katarina). So duften Gregor Schattschneiders achtziger Jahre in Stuttgart.

Durch zwei Jahrzehnte deutscher Geschichte schnüffelt sich Matthias Polityckis Held, ein "realidealistischer Restromantiker" und ein Taugenichts der alten Republik. Während die Ost-Verträge geschlossen werden und im Münchner Olympiapark Geiseln sterben, während der deutsche Herbst kommt und geht und die "Bee Gees" im Kino die deutsche Diskowelle auslösen, während die "Schmach von Córdoba" und das Gladbecker Geiseldrama, die Barschel-Affäre und der Afghanistan-Krieg und zuletzt die Leipziger Montagsdemonstrationen und der Berliner Mauerfall sich ereignen, während all dies geschieht, hofft Gregor Schattschneider, daß die Pickel in seinem Gesicht sich zu einer sinnvollen Anordnung bequemen, daß die Scharniere seiner Nickelbrille ordentlich Grünspan ansetzen und daß sein Buttermilchgesicht endlich einen kräftigen Schritt in Richtung Clint Eastwood tut. Vor allem aber schraubt Gregor Schattschneider an seinen Beziehungskisten herum.

Zwei Jahrzehnte der Zeitgeschichte, das sind zwanzig Bände von Fischers Weltalmanach mit zusammen über zwanzigtausend Seiten. Und es sind drei Frauengeschichten in Polityckis "Weiberroman": die Geschichten von Kristina, Tania und Katarina, auf 370 Seiten, den Anhang nicht mitgerechnet. Aber weil Frauengeschichten keine Geschichten über Frauen sind, sondern immer Geschichten, die Männer mit Frauen haben, erzählt dieser "Weiberroman" nicht von Kristina, Tania und Katarina, sondern von Gregor Schattschneider und von sonst gar nichts.

Das ist ein eher bescheidenes Programm, zumal dieser Schattschneider eine ziemlich trübe Tasse ist. Für Kristina, die Neue in der Lengericher "Photo AG", ist Gregor, der Zweitkleinste in der 11 b, zu schüchtern. Für Tania, das Vollweib aus der Wiener Vorstadt ("Hearst', wüst' mi ois a ganza?"), fühlt sich Gregor, den es auf der Flucht vor der Bundeswehr ans Germanistische Seminar nach Wien verschlagen hat, nicht Manns genug. Und Katarina, die "sehr kühle, sehr fremde, sehr blonde, sehr strenge" Chefstewardeß, kann Gregor nur begehren, solange sie sich unnahbar gibt. So sitzt der dreiunddreißigjährige Germanistikstudent Gregor Schattschneider, als das Wintersemester 1989/90 sich seinem Ende zuneigt, einsam vor seiner Yucca-Palme im Stuttgarter Bohnenviertel: das letzte Weichei unter fröhlichen Machos, ohne Frau, ohne Abschluß, ohne Job. Und ohne jeden Schimmer, was vor sich geht auf der Welt. Wenn er im Radio von Demonstrationen in Leipzig und Jubelstürmen in der Prager Botschaft hört, versteht er nicht, wovon die Rede ist. Dem Unglücklichen schlägt keine Stunde.

Was bleibt so einem noch außer dem Job als Taxifahrer? Allein der Olymp. Also schreibt Gregor Schattschneider seinen ersten Roman, eine Autobiographie, die nun als "Historisch-kritische Gesamtausgabe" erschienen ist, mit Anmerkungsapparat und Zeittafeln versehen. Und weil es allein die Frauen waren, die Gregor zum Schreiben brachten (zwei Gedichte), die zwischen ihm und einer Universitätskarriere (dreißig Semester) standen, die dafür sorgten, daß er die Pubertät für den höchsten Reifegrad des männlichen Wesens hielt, ist dieser Künstler-, Bildungs- und Entwicklungsroman mit der Genrebezeichnung "Weiberroman" nicht schlecht getroffen. Allerdings darf man nicht glauben, man könne aus diesem Buch irgend etwas über Frauen erfahren. Denn Politycki erzählt darin die Geschichte eines Mannes, der nie auf den Gedanken kommen würde, es könnte für die Existenz von Frauen mehr Gründe geben als diese drei: damit Männer sie begehren können, damit Männer sie besitzen können und damit Männer, wenn sie sie verloren haben, jenes Gefühl erfahren, das ihnen offenbar wichtiger ist als alles andere: Selbstmitleid.

Damals, in den Siebzigern, als Schattschneiders Leidensweg beginnt, nennt man das allerdings noch anders. Der Sensibilismus gilt als die größte Errungenschaft einer Generation, die noch nicht ahnt, daß sie in die Geschlechtergrube gefallen ist, die ihr die Achtundsechziger gegraben haben. Denn deren Nachfolgern, jenen zwischen 1955 und 1965 geborenen Ort- und Namenlosen, die Politycki jetzt als "Achtundsiebziger" endlich in der Generationenfolge der Bundesrepublik verankern will, bereitet die Zweierbeziehung weitaus mehr Kopfzerbrechen als die Weltrevolution. Und an Gregor Schattschneider, diesem Schnüffel-Neurotiker und "Spassettelmacher", diesem "Sprüchlklopfa" und Tagedieb, sollen wir sie erkennen, die "Achtundsiebziger".

Es ist ein versprengtes Grüppchen, zu jung für die Studentenbewegung und ihre Folgen, zu alt für den skrupellosen Hedonismus der als "Neunundachtziger" apostrophierten Spaßhaber. Die Achtundsiebziger sind die Generation, der die anti-autoritär erzogenen Bälger in den Altbauwohnungen der Achtundsechziger kaum weniger spießig erschienen als der Geranienterror im Vorgarten des elterlichen Reihenhäuschens. Eine Generation, die einsehen mußte, daß der unkonventionelle Saab nicht besser war als der chromblitzende Mercedes, weil auch Antistatussymbole Statussymbole waren, nur eben für einen anderen Status. Es ist eine Generation, die den Blick auf die Eltern und auf die Achtundsechziger richtete und zu beiden entschlossen den Kopf geschüttelt hat. So lange, bis aus dem trotzigen "weder noch" ein schicksalsergebenes "sowohl, als auch" wurde.

Heute haben die Achtundsiebziger alles, was sie niemals wollten: den Saab und das Reihenhäuschen, Geranien und schlecht erzogene Kinder, die Angestelltenkarriere und die knappe Kasse der Bohème. Einer künftigen Geschichtsschreibung könnten die Achtundsiebziger einmal zur Kerngeneration der alten Bundesrepublik avancieren. In ihrer Zeit wurde nicht nur der Ökokonsumismus erfunden, in ihrer Zeit fielen überhaupt alle Gegensätze ineinander.

Wer verfolgt hat, wie Matthias Politycki seine Altersgenossen in Interviews, Aufsätzen und Podiumsdiskussionen in die Pflicht nehmen wollte, wie er gesellschaftliches Engagement, Verantwortungsbereitschaft und den Abschied vom Privatismus einklagte, mußte für diesen Roman mit dem Schlimmsten rechnen: der gesellschaftspolitisch relevanten Programmschrift. Aber der "Weiberroman" verkündet kein Programm, sondern zeigt, warum Schattschneiders Generation, zumindest ihre männliche Hälfte, kein Programm hat. Er tut dies auf eine Weise, wie sie in der deutschen Gegenwartsliteratur nach wie vor selten ist: geistreich, witzig, virtuos. Polityckis Stil hat etwas Artistisches, und es gibt etwas in seinem Tonfall, das man fast circensisch nennen möchte. Unter den grimmigen Messerwerfern der jüngeren deutschen Literatur ist Matthias Politycki der gelassene Equilibrist.

Zu den Vorzügen dieses Buches zählt nicht nur, daß es drei Orte in ihrer Zeit sehr genau beschreibt und atmosphärisch einfängt, sondern auch, daß Berlin nicht zu diesen Orten zählt. Nicht nur, daß Politycki Dialoge zu schreiben versteht, er versteht sich auch aufs Wienerische und aufs Schwäbische ("Kärle, schwätz koin Bäpp!"). Man kann Politycki vorwerfen, daß seine Herausgeberfiktion eine schrullige Spielerei ist, eine Reverenz an die Postmoderne, die große Theorie der Achtziger, aufgesetzt und letztlich überflüssig, aber man muß ihm konzedieren, daß sein Sprachwitz und seine Lust an Neologismen bis in die kleinste Fußnote tragen. Ökonomie ist seine Sache nicht, und zweifellos hätten ein paar kräftige Striche dem Roman gutgetan, aber dafür entschädigt die Fülle der erzählerischen und sachlichen Details: die Gerüche der Lengericher "Taiga" und die Bierdeckel in den Fahrradspeichen, die zahllosen Songtitel und Bandnamen von Pink Floyd bis Krachmaninow, die Szene-Sprüche und Blödeleien, die Zeitgeist- und Lifestyle-Insignien wie Fogal-Strumpfhosen und Fanta-Dosen.

Wer diesen "Weiberroman" liest, denkt nicht nur an Eichendorff und Arno Schmidt, an Werthers Lust und Leid (hier allerdings mehr an Plenzdorf als an Goethe,) sondern auch an jüngst erschienene Bücher wie Matthias Altenburgs "Landschaft mit Wölfen", Michael Wildenhains neuen Roman "Erste Liebe, deutscher Herbst" und an "Amerikahaus und der Tanz um die Frauen" von F. C. Delius. In allen diesen Büchern geht es um Wut und Mut, ums Steineschmeißen und ums Aufbegehren. Und mehr noch geht es um die Inszenierung eines Affektes, der sich für politisch hielt und dafür gehalten werden wollte. In allen diesen Büchern stehen Sätze wie diese aus Andreas Mands "Kleinstadthelden": "Ich stand daneben, ich stand Schmiere, aber ich war so sehr mit mir selbst beschäftigt, daß ich gar nicht dazu kam, meine Beobachtungen in Handlungen umzusetzen. Ich sah einen unscheinbaren Dreißigjährigen aus einem Hauseingang hervorlugen." Bei Matthias Politycki wäre dieser Satz undenkbar. Denn der unscheinbare Dreißigjährige im Hauseingang, das ist Gregor Schattschneider. Und er hat wie immer keinen blassen Schimmer, was gerade vor sich geht.

Matthias Politycki: "Weiberroman. Historisch-kritische Gesamtausgabe". Luchterhand Literaturverlag, München 1997.

421 S., geb. 44,- DM.

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Die blonde Kristina aus der Foto-AG, Zahnarzthelferin und Fotomodell Tania und Chefstewardess Katarina - das sind drei Frauen, die Gregor Schattschneider in verschiedenen Abschnitten seines Lebens anbetet. Allerdings: Jede der drei Liebesgeschichten endet noch schlechter als vom Helden befürchtet. Zuletzt geht ihm in der Alltäglichkeit des Zusammenlebens mit der schönen Katarina, Typ junge Deneuve, das Begehren verloren. Überhaupt steht Schattschneider seinem Glück ständig selbst im Weg und ist auch mit 33 noch längst nicht erwachsen ... Politycki räsonniert in seinem "Weiberroman" mit viel Witz und Ironie darüber, warum es zwischen Männern und Frauen so aberwitzig zugeht. Dazu tarnt er den Roman als "historisch-kritische Gesamtausgabe" eines angeblich vom Protagonisten Schattschneider selbst verfassten Manuskripts - mit unzähligen besserwisserischen Fußnoten. Für Spaß bei der Lektüre sorgen auch Reminiszenzen an die 70er und 80er Jahre, von Schlaghosen bis Kefirdiät. (www.parship.de)