"Fesselnd wie ein Opiumrausch." Le Monde
Wer China verstehen will, sollte diesen Roman lesen: In ihrem zuerst gefeierten, dann verfemten Roman rührt Fang Fang an die Traumata der chinesischen Seele.
Als Weiches Begräbnis 2016 in China erscheint, wird der Roman als wichtigstes chinesisches Werk der letzten Jahrzehnte gefeiert und mit dem renommierten Literaturpreis Lu Yao ausgezeichnet. Doch als bei einer Parteizusammenkunft der Roman mit dem Vokabular der Kulturrevolution als "Giftpflanze" verbrämt wird, verschwindet das Buch vom Markt. Denn Fang Fang rührt darin an ein unverarbeitetes Trauma der chinesischen Gesellschaft, die Landreform nach 1948, als Millionen Chines_innen hingerichtet und in "weichen Begräbnissen", d.h. ohne Sarg, verscharrt wurden.
In einem kleinen Dorf wird eine junge Frau halbtot aus einem Fluss gezogen, sie erinnert sich an nichts. Der Dorfarzt Dr. Wu rettet ihr das Leben, und sie beginnt ein neues: Sie wird Haushälterin des KP-Kaders vor Ort, heiratet ihren Retter Dr. Wu, und sie bekommen einen Sohn. Doch im Laufe der Jahre löst sich der schützende Kokon des Vergessens. Sie sind verdammt zu schweigen, denn das Schweigen schützt die Familie: auch dafür steht "weiches Begräbnis", die Erinnerung so tief zu begraben, dass gefährliches Wissen für immer verlorengeht. Im Schatten dieses Traumas wächst ihr Sohn auf - doch alles ändert sich, als er beginnt, die Vergangenheit zu erforschen.
Wer China verstehen will, sollte diesen Roman lesen: In ihrem zuerst gefeierten, dann verfemten Roman rührt Fang Fang an die Traumata der chinesischen Seele.
Als Weiches Begräbnis 2016 in China erscheint, wird der Roman als wichtigstes chinesisches Werk der letzten Jahrzehnte gefeiert und mit dem renommierten Literaturpreis Lu Yao ausgezeichnet. Doch als bei einer Parteizusammenkunft der Roman mit dem Vokabular der Kulturrevolution als "Giftpflanze" verbrämt wird, verschwindet das Buch vom Markt. Denn Fang Fang rührt darin an ein unverarbeitetes Trauma der chinesischen Gesellschaft, die Landreform nach 1948, als Millionen Chines_innen hingerichtet und in "weichen Begräbnissen", d.h. ohne Sarg, verscharrt wurden.
In einem kleinen Dorf wird eine junge Frau halbtot aus einem Fluss gezogen, sie erinnert sich an nichts. Der Dorfarzt Dr. Wu rettet ihr das Leben, und sie beginnt ein neues: Sie wird Haushälterin des KP-Kaders vor Ort, heiratet ihren Retter Dr. Wu, und sie bekommen einen Sohn. Doch im Laufe der Jahre löst sich der schützende Kokon des Vergessens. Sie sind verdammt zu schweigen, denn das Schweigen schützt die Familie: auch dafür steht "weiches Begräbnis", die Erinnerung so tief zu begraben, dass gefährliches Wissen für immer verlorengeht. Im Schatten dieses Traumas wächst ihr Sohn auf - doch alles ändert sich, als er beginnt, die Vergangenheit zu erforschen.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Sandra Kegel freut sich über die gelungene Übersetzung von Fang Fangs Roman aus dem Jahr 2016 von Michael Kahn-Ackermann. Die Hintergründe des Textes und der Schmähung seiner Verfasserin durch die chinesische Regierung lernt sie im Nachwort kennen. Die Romanhandlung führt Kegel zurück in die chinesische Geschichte, zur Bodenreform ab 1949 und ihren grausamen Folgen. Erzählt als Familiengeschichte erscheint die Vergangenheit Kegel als Mosaikbild, das die Autorin "kunstvoll" arrangiert. Kegel hebt die Herausarbeitung von Ambivalenzen der Historie hervor und dass Fang Fang die Opferperspektive neben die der Täter stellt. Ein literarischer Gegenentwurf zur offiziellen Geschichte, den die Rezensentin nur begrüßen kann.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.05.2021Lebensgefährliche Erinnerung
Ihr "Wuhan-Tagebuch" machte Fang Fang in der Welt berühmt und brachte China gegen sie auf. Ihr Roman "Weiches Begräbnis" stellt sich gegen verklärende Geschichtsschreibung.
Jetzt hat Chloé Zhao das gleiche Schicksal ereilt wie einst Fang Fang. Dass die chinesische Oscar-Gewinnerin soeben als erste Asiatin in der Filmgeschichte mit einem Oscar für die beste Regie ausgezeichnet wurde, war chinesischen Medien keine Zeile wert. Im Gegenteil. Nicht nur wurde Zhaos Film "Nomadland" totgeschwiegen, im Netz wurden überdies alle Beiträge, selbst Glückwünsche gelöscht, ihr Name wurde geblockt. Grund war wohl ein Interview, in dem die Regisseurin sich vor acht Jahren kritisch über ihr Herkunftsland geäußert hatte.
Als die 1955 geborene und in Wuhan aufgewachsene Schriftstellerin Fang Fang im Jahr 2016 ihren Roman "Weiches Begräbnis" veröffentlichte, erging es ihr nicht anders. Auch ihr Roman wurde zunächst von der Kritik als bedeutendes Werk gefeiert und 2017 mit dem wichtigsten Literaturpreis des Landes geehrt. Fang Fang war da längst eine anerkannte Autorin mit einem großen OEuvre und saß bis 2017, obwohl selbst kein Parteimitglied, dem staatlichen Literaturverband der Provinz Hubei vor. Als dann allerdings neonationalistische Kreise auf ihren Roman aufmerksam wurden, fluteten Hasstiraden das Netz: Sie habe die Errungenschaften und Erfolge des chinesischen Sozialismus "verraten und beschmutzt", hieß es. Ein Eingriff von offizieller Seite war nicht mehr nötig, das Buch verschwand, bis heute ist es in China nicht erhältlich.
In der hervorragenden Übersetzung von Michael Kahn-Ackermann ist jetzt auf Deutsch nachzulesen, was es mit diesem Roman auf sich hat. In seinem kenntnisreichen Nachwort liefert der Gründungsdirektor des Pekinger Goethe-Instituts, der heute in Nanjing lebt, überdies wertvolle Hintergründe zum Verständnis der Erzählung.
Schon der Titel gibt die Richtung vor: "Weiches Begräbnis" meint vordergründig das Verscharren von Leichnamen ohne Sarg, was dem Volksglauben zufolge eine Wiedergeburt unmöglich macht. Im übertragenen Sinn bezieht sich das Bild auf jene Menschen, die erlittenes Unglück in der Erinnerung vergraben. Was so im China des vorigen Jahrhunderts im Ringen um seelische Entlastung millionenfach geschah, schlug gleichwohl, so lesen wir diesen Roman, transgenerationell durch. Die Opfer staatlicher Willkür, von denen "Weiches Begräbnis" erzählt, wie auch ihre Nachkommen wurden das beschwiegene Unglück trotzdem nicht los.
Fang Fangs epische multiperspektivisch angelegte Erkundung der jüngeren Vergangenheit Chinas, die von den Anfängen bis in die Gegenwart der Volksrepublik reicht, nimmt dabei einen weniger bekannten, dabei ebenso traumatischen historischen Moment wie die Kulturrevolution oder die Studentenproteste von 1989 in den Blick, die sogenannte Bodenreform. Bis heute darf darüber kein kritisches Wort geäußert werden. Denn die nach der Staatsgründung 1949 einsetzende Agrarrevolution, in deren Verlauf die ländliche Oberschicht enteignet wurde, gehört zum Gründungsmythos des Landes. Dabei verfolgte die Umverteilung, bei der ungezählte Menschen gedemütigt, gefoltert und getötet wurden, zwei harte Ziele: die Schwächung der den Kommunisten kritisch gegenüberstehenden Bauernschaft sowie die unbedingte Loyalität der Profiteure.
Fang Fang betrachtet die Ereignisse anhand des Schicksals einer Familie. Warum die Erinnerung der zentralen Protagonistin Ding Zitao erst einsetzt, als sie im Frühjahr 1952 in der Provinz halb tot aus einem Fluss gezogen wurde, ist dabei ein zentraler Moment des Romans, an dem sich die Frage, wie erinnert und verdrängt, ja wie großes Leid überhaupt auszuhalten ist, exponiert.
Was Ding Zitao widerfahren ist, ehe sie ihren Lebensretter, den Arzt Dr. Wu, getroffen, später geheiratet und mit ihm einen Sohn bekommen hat, legt der Roman Schicht für Schicht frei. Alles beginnt damit, dass Jahrzehnte später die alte verwitwete Frau von ihrem fürsorglichen und inzwischen erfolgreichen Sohn Qinglin in sein Haus geholt wird und sie plötzlich in andauernde Schreckstarre verfällt. Etwas Furchteinflößendes löst die neue, komfortable Umgebung in ihr aus, und Ding Zitao ringt fortan im Dämmerzustand mit ihren ganz eigenen Dämonen.
Erst als der Sohn zufällig auf Hinweise aus der verschütteten Vergangenheit seiner Mutter stößt, beginnt sich das Rätsel allmählich zu lösen. Qinglin beginnt aktiv zu forschen, findet alte Aufzeichnungen des verstorbenen Vaters, aus denen hervorgeht, dass dieser seine Identität gewechselt hat, vor allem aber muss er erfahren, dass seine Mutter die einzige Überlebende ihrer Familie war. Deren Mitglieder nahmen sich in den fünfziger Jahren das Leben, um der brutalen Verfolgung zu entgehen. Mit ihren eigenen Händen und ohne Sarg musste Ding Zitao sie begraben.
Wie Fang Fang die Vergangenheit aus vielen Puzzleteilen zu einem neuen Bild zusammensetzt und dabei Protagonisten und Leser auf unterschiedlichen Wissensniveaus hält, ist kunstvoll gemacht. Vor allem aber gelingt es ihr mit den Mitteln der Literatur, die Ereignisse in all ihrer Ambivalenz zu zeichnen. Womöglich ja aus Furcht vor den Zensoren hat sich die Autorin mit Urteilen ihrerseits zurückgehalten. Die Täter, Mitwisser, Verdränger stehen jedenfalls außerhalb ihrer Bewertung. In der Gegenüberstellung mit der Perspektive der Opfer, die schweigen mussten oder vergessen wollten, erfährt die Erzählung jedoch ihre dramatische Fallhöhe.
Fang Fangs literarischer Gegenentwurf erzählt eine andere Geschichte als die offizielle Historie ihres Landes. Sie selbst hat in einem Interview bekannt, dass sie zwischen Wut und Hilflosigkeit schwankt ob der Tatsache, dass ihre Bücher in China nicht mehr erhältlich sind. Dass sie sich von den Reaktionen gleichwohl nicht beeindrucken lässt, davon zeugte zuletzt ihr millionenfach gelesenes "Wuhan-Tagebuch", in dem sie in ihrem Blog den sechzig Tage währenden ersten Lockdown nach dem Corona-Ausbruch in Wuhan beschrieben hat. Das "Tagebuch" liegt inzwischen in fast zwanzig Sprachen in Buchform vor, nur in China nicht, wo sie auch dafür als "Vaterlandsverräterin" beschimpft wurde und Morddrohungen erhielt.
Dass Erinnerungen lebensgefährlich sein können, davon handelt ihr beeindruckender Roman "Weiches Begräbnis". Und dass Fang Fang nicht aufhört, für diese Erinnerungen einen literarischen Raum bereitzuhalten, ist die kühne Entscheidung einer mutigen Frau. Fang Fang weiß, dass nur der Gedanke an gestern und vorgestern Menschen davon abhalten kann, morgen die alten Fehler zu wiederholen.
SANDRA KEGEL
Fang Fang: "Weiches Begräbnis". Roman.
Aus dem Chinesischen von Michael Kahn-Ackermann. Hoffmann und Campe, Hamburg 2021. 442 S., geb., 26,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ihr "Wuhan-Tagebuch" machte Fang Fang in der Welt berühmt und brachte China gegen sie auf. Ihr Roman "Weiches Begräbnis" stellt sich gegen verklärende Geschichtsschreibung.
Jetzt hat Chloé Zhao das gleiche Schicksal ereilt wie einst Fang Fang. Dass die chinesische Oscar-Gewinnerin soeben als erste Asiatin in der Filmgeschichte mit einem Oscar für die beste Regie ausgezeichnet wurde, war chinesischen Medien keine Zeile wert. Im Gegenteil. Nicht nur wurde Zhaos Film "Nomadland" totgeschwiegen, im Netz wurden überdies alle Beiträge, selbst Glückwünsche gelöscht, ihr Name wurde geblockt. Grund war wohl ein Interview, in dem die Regisseurin sich vor acht Jahren kritisch über ihr Herkunftsland geäußert hatte.
Als die 1955 geborene und in Wuhan aufgewachsene Schriftstellerin Fang Fang im Jahr 2016 ihren Roman "Weiches Begräbnis" veröffentlichte, erging es ihr nicht anders. Auch ihr Roman wurde zunächst von der Kritik als bedeutendes Werk gefeiert und 2017 mit dem wichtigsten Literaturpreis des Landes geehrt. Fang Fang war da längst eine anerkannte Autorin mit einem großen OEuvre und saß bis 2017, obwohl selbst kein Parteimitglied, dem staatlichen Literaturverband der Provinz Hubei vor. Als dann allerdings neonationalistische Kreise auf ihren Roman aufmerksam wurden, fluteten Hasstiraden das Netz: Sie habe die Errungenschaften und Erfolge des chinesischen Sozialismus "verraten und beschmutzt", hieß es. Ein Eingriff von offizieller Seite war nicht mehr nötig, das Buch verschwand, bis heute ist es in China nicht erhältlich.
In der hervorragenden Übersetzung von Michael Kahn-Ackermann ist jetzt auf Deutsch nachzulesen, was es mit diesem Roman auf sich hat. In seinem kenntnisreichen Nachwort liefert der Gründungsdirektor des Pekinger Goethe-Instituts, der heute in Nanjing lebt, überdies wertvolle Hintergründe zum Verständnis der Erzählung.
Schon der Titel gibt die Richtung vor: "Weiches Begräbnis" meint vordergründig das Verscharren von Leichnamen ohne Sarg, was dem Volksglauben zufolge eine Wiedergeburt unmöglich macht. Im übertragenen Sinn bezieht sich das Bild auf jene Menschen, die erlittenes Unglück in der Erinnerung vergraben. Was so im China des vorigen Jahrhunderts im Ringen um seelische Entlastung millionenfach geschah, schlug gleichwohl, so lesen wir diesen Roman, transgenerationell durch. Die Opfer staatlicher Willkür, von denen "Weiches Begräbnis" erzählt, wie auch ihre Nachkommen wurden das beschwiegene Unglück trotzdem nicht los.
Fang Fangs epische multiperspektivisch angelegte Erkundung der jüngeren Vergangenheit Chinas, die von den Anfängen bis in die Gegenwart der Volksrepublik reicht, nimmt dabei einen weniger bekannten, dabei ebenso traumatischen historischen Moment wie die Kulturrevolution oder die Studentenproteste von 1989 in den Blick, die sogenannte Bodenreform. Bis heute darf darüber kein kritisches Wort geäußert werden. Denn die nach der Staatsgründung 1949 einsetzende Agrarrevolution, in deren Verlauf die ländliche Oberschicht enteignet wurde, gehört zum Gründungsmythos des Landes. Dabei verfolgte die Umverteilung, bei der ungezählte Menschen gedemütigt, gefoltert und getötet wurden, zwei harte Ziele: die Schwächung der den Kommunisten kritisch gegenüberstehenden Bauernschaft sowie die unbedingte Loyalität der Profiteure.
Fang Fang betrachtet die Ereignisse anhand des Schicksals einer Familie. Warum die Erinnerung der zentralen Protagonistin Ding Zitao erst einsetzt, als sie im Frühjahr 1952 in der Provinz halb tot aus einem Fluss gezogen wurde, ist dabei ein zentraler Moment des Romans, an dem sich die Frage, wie erinnert und verdrängt, ja wie großes Leid überhaupt auszuhalten ist, exponiert.
Was Ding Zitao widerfahren ist, ehe sie ihren Lebensretter, den Arzt Dr. Wu, getroffen, später geheiratet und mit ihm einen Sohn bekommen hat, legt der Roman Schicht für Schicht frei. Alles beginnt damit, dass Jahrzehnte später die alte verwitwete Frau von ihrem fürsorglichen und inzwischen erfolgreichen Sohn Qinglin in sein Haus geholt wird und sie plötzlich in andauernde Schreckstarre verfällt. Etwas Furchteinflößendes löst die neue, komfortable Umgebung in ihr aus, und Ding Zitao ringt fortan im Dämmerzustand mit ihren ganz eigenen Dämonen.
Erst als der Sohn zufällig auf Hinweise aus der verschütteten Vergangenheit seiner Mutter stößt, beginnt sich das Rätsel allmählich zu lösen. Qinglin beginnt aktiv zu forschen, findet alte Aufzeichnungen des verstorbenen Vaters, aus denen hervorgeht, dass dieser seine Identität gewechselt hat, vor allem aber muss er erfahren, dass seine Mutter die einzige Überlebende ihrer Familie war. Deren Mitglieder nahmen sich in den fünfziger Jahren das Leben, um der brutalen Verfolgung zu entgehen. Mit ihren eigenen Händen und ohne Sarg musste Ding Zitao sie begraben.
Wie Fang Fang die Vergangenheit aus vielen Puzzleteilen zu einem neuen Bild zusammensetzt und dabei Protagonisten und Leser auf unterschiedlichen Wissensniveaus hält, ist kunstvoll gemacht. Vor allem aber gelingt es ihr mit den Mitteln der Literatur, die Ereignisse in all ihrer Ambivalenz zu zeichnen. Womöglich ja aus Furcht vor den Zensoren hat sich die Autorin mit Urteilen ihrerseits zurückgehalten. Die Täter, Mitwisser, Verdränger stehen jedenfalls außerhalb ihrer Bewertung. In der Gegenüberstellung mit der Perspektive der Opfer, die schweigen mussten oder vergessen wollten, erfährt die Erzählung jedoch ihre dramatische Fallhöhe.
Fang Fangs literarischer Gegenentwurf erzählt eine andere Geschichte als die offizielle Historie ihres Landes. Sie selbst hat in einem Interview bekannt, dass sie zwischen Wut und Hilflosigkeit schwankt ob der Tatsache, dass ihre Bücher in China nicht mehr erhältlich sind. Dass sie sich von den Reaktionen gleichwohl nicht beeindrucken lässt, davon zeugte zuletzt ihr millionenfach gelesenes "Wuhan-Tagebuch", in dem sie in ihrem Blog den sechzig Tage währenden ersten Lockdown nach dem Corona-Ausbruch in Wuhan beschrieben hat. Das "Tagebuch" liegt inzwischen in fast zwanzig Sprachen in Buchform vor, nur in China nicht, wo sie auch dafür als "Vaterlandsverräterin" beschimpft wurde und Morddrohungen erhielt.
Dass Erinnerungen lebensgefährlich sein können, davon handelt ihr beeindruckender Roman "Weiches Begräbnis". Und dass Fang Fang nicht aufhört, für diese Erinnerungen einen literarischen Raum bereitzuhalten, ist die kühne Entscheidung einer mutigen Frau. Fang Fang weiß, dass nur der Gedanke an gestern und vorgestern Menschen davon abhalten kann, morgen die alten Fehler zu wiederholen.
SANDRA KEGEL
Fang Fang: "Weiches Begräbnis". Roman.
Aus dem Chinesischen von Michael Kahn-Ackermann. Hoffmann und Campe, Hamburg 2021. 442 S., geb., 26,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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