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Ein kleines großes Buch mit Versen zur Weihnachtszeit: Von 1962 an bis zu seinem Tod 1996 hat der Nobelpreisträger Joseph Brodsky jeweils zu Weihnachten ein Gedicht geschrieben, um an die Geburt Christi zu erinnern. In der atheistischen Sowjetunion eine Provokation. Aber auch im Exil ließ der Dichter nicht von seiner Übung ab. Ein ideales Buch für alle, die sich einen Sinn für das Fest bewahrt haben.

Produktbeschreibung
Ein kleines großes Buch mit Versen zur Weihnachtszeit: Von 1962 an bis zu seinem Tod 1996 hat der Nobelpreisträger Joseph Brodsky jeweils zu Weihnachten ein Gedicht geschrieben, um an die Geburt Christi zu erinnern. In der atheistischen Sowjetunion eine Provokation. Aber auch im Exil ließ der Dichter nicht von seiner Übung ab. Ein ideales Buch für alle, die sich einen Sinn für das Fest bewahrt haben.
Autorenporträt
Joseph Brodsky, 1940 in Leningrad geboren, wurde nach einem Prozess wegen "Parasitentums" und fünfjähriger Zwangsarbeit 1972 aus der Sowjetunion ausgebürgert. Mit Hilfe des Dichters W. H. Auden emigirierte er in die USA, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1996 lebte. 1987 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen. Im Hanser Verlag erschien 2006 Brief in die Oase, eine umfangreiche und repräsentative Auswahl aus Brodskys dichterischem Werk.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2004

Das Auge des Vaters
Ein Salto: Weihnachtsgedichte von Joseph Brodsky

Von sich selbst hat Brodsky einst gesagt, er sei wohl ein "schlechter Russe" und ein "schlechter Jude" dazu, dürfe sich aber zumindest für einen "guten Dichter" halten. Daß er, darüber hinaus, auch "so etwas wie ein Christ" war, ist belegt durch eine lange Reihe von Gedichten, die er zwischen 1962 und 1995 mit einer gewissen Regelmäßigkeit eigens zu Weihnachten geschrieben hat, um seiner "Geburtstagsfreude" Ausdruck zu geben - der Freude nicht nur über Gottes Menschwerdung in der Gestalt Jesu, der Freude auch über den Beginn eines neuen Zeitalters, ja der historischen Zeit überhaupt, die den Kult zur Kunst, den Menschen zum Individuum gemacht habe.

Achtzehn "Weihnachtsgedichte" sind im Lauf der Jahre entstanden, siebzehn davon liegen nun in einer russisch-deutschen Ausgabe vor. Der schmale Band ist freilich weit mehr als nur eine Sammlung von thematisch verwandten Gedichten. Die hier vereinten Texte weisen, ungeachtet ihrer geringen Anzahl, eine solche formale Vielfalt auf und umfassen einen so großen Zeitraum, daß sie insgesamt als eine repräsentative Werkauswahl gelten können, die Brodskys Schaffen in höchster Verdichtung und dennoch in voller Breite vor Augen führt. Hier finden sich Romanzen und Wiegenlieder, politisch und autobiographisch grundierte Gedichte, philosophische und mythologische Lyrik in unterschiedlichsten Vers- und Strophenformen.

Weihnachten ist für Brodskys Schreiben zumeist nur Anlaß, nicht Thema - Gelegenheit, über Gott und die Welt, Geschichte und Freiheit, das Leben und die Liebe, kurz: über "nichts und wieder nichts" poetisch zu räsonieren. Dies kann im Volksliedton, in kruder, wiewohl gereimter Alltagssprache oder auch in erhabenen, didaktisch daherkommenden Versen geschehen. Bisweilen verschmelzen die unterschiedlichen Intonationen zu einem besonderen Sound, der einzig bei Brodsky so zu vernehmen ist: "Marx hatte recht: Für die großen Horden / läßt sich das Dasein nicht besser ordnen! / Nur wäre ich längst beseitigt worden, / ging es nach ihm . . . Wer verdient am Saldo? - / Hab' keinen Schimmer von all dem Plunder. / Daß ich noch lebe, ist ein Wunder, / Verzeihn Sie mir, doch ich bin so munter / und verlass' die Epoche mit einem Salto!"

Wo Brodsky das Weihnachtsfest tatsächlich in den Blick rückt, korrespondiert es mit der Urszene von Betlehem, empfängt sein Licht vom großen Stern ("der das Auge des Vaters war") und vereint die üblichen Requisiten und Personen, die man aus dem Evangelium, aber auch aus der christlichen Ikonographie kennt - Stall und Krippe, Mutter und Kind, die Heiligen Drei Könige: "Dem neugeborenen Kind kam alles gewaltig vor: / die Brust der Mutter, die Nüstern des Ochsen, Kaspar, Melchior, / Balthasar und deren Geschenke, die man hereintrug. Den Kern / bildete aber das Kind selber. Und das war der Stern." In seinen spätesten Weihnachtsgedichten verlegt Brodsky die Geburt Jesu aus der Enge des Stalls in die Weite der Wüste und gibt damit dem Heilsgeschehen, ebenso eindrücklich wie erschreckend, eine neue, zutiefst resignative Dimension - Leere, grenzenlos und menschenfern: "Warst geboren in der Wüste, / liebes Kind, / wo die Könige und Fürsten / machtlos sind . . . / Diese Öde, diese Weiten / sind kein Ort / für die Menschen. Nur die Zeiten / wandern dort."

Der Übersetzung von Brodskys Weihnachtsgedichten, die an formaler Raffinesse und motivischer Komplexität ihresgleichen suchen, hat sich Alexander Nitzberg angenommen. Nitzbergs primäres Interesse gilt dem Reim, der bei Brodsky auf höchstem technischen Niveau gehandhabt wird und dessen konstruktive sowie klangliche Qualität in den deutschen Versionen manch staunenswerte Entsprechung, bisweilen aber auch allzu angestrengte, unnötig manieriert wirkende Nachahmung findet. Das vorrangige Festhalten am Reimschema der Originaltexte führt in den Übersetzungen naturgemäß zu Defiziten auf der Aussageebene - um die Paar- oder Tripelreime zu retten, muß Nitzberg zahlreiche inhaltliche Konzessionen machen. Er tut dies bedenkenlos, indem er fortläßt, was nicht ins Schema paßt, und indem er beifügt (oder umdeutet), was er zu dessen Erfüllung braucht. Das kann zu ingeniösen Lösungen wie auch zu peinlichen Entgleisungen führen; beides ist reichlich vorhanden.

Es gibt auch diverse Mißverständnisse, durch die Brodskys Aussagen massiv verfälscht oder gar in ihr Gegenteil verkehrt werden, etwa dort, wo es im Original heißt: "man zähle ein Jahr für zwei" - was die Zeit logischerweise halbieren würde, anders als im Deutschen, wo es statt dessen heißt: "man zähle die Jahre doppelt"; aber "doppelt" soll sich eben auf "koppelt" reimen. An anderer Stelle evoziert Brodsky ein venezianisches Hotelzimmer - in einem alten, mit blinden Flecken übersäten Spiegel erkennt man ein Möbel, ein "Gestell", das noch feucht ist von "Tränen, Liebkosung und schmutzigen Träumen"; zu deutsch: ". . . im Spiegel, bewachsen / mit Moos, das Gerät, das vor schlüpfrigen Faxen, / Tränen und Zärtlichkeit triefen muß". Bei dem ominösen "Gerät" dürfte es sich ganz einfach um ein Bett handeln, bei dem "mit Moos bewachsenen" Spiegel um eine Vision des Übersetzers. Bei aller Kritik im Detail: Über weite Strecken ist Nitzberg die Verdeutschung von Brodskys anspruchsvollen Gedichten sehr gelungen.

Joseph Brodsky: "Weihnachtsgedichte". Russisch-deutsch. Aus dem Russischen übersetzt von Alexander Nitzberg. Hanser Verlag, München 2004. 93 S., geb., 12,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Weit mehr als eine Sammlung thematisch verwandter Gedichte ist diese Lyrikedition in den Augen von Rezensent Felix Philipp Ingold. Vielmehr sieht er darin eine repräsentative Werkauswahl, die dem Leser Joseph Brodskys Schaffen "in höchster Verdichtung und dennoch in voller Breite" vor Augen führt. Zwar stehen laut Ingold im Zentrum des Buchs siebzehn Weihnachtsgedichte, die der bekennende 'schlechte Jude', wie Brodsky sich selbst genannt habe, zwischen 1962 und 1995 geschrieben hat. Weihnachten sei jedoch meist nur der Anlass und nicht das Thema der Gedichte, die an formaler Raffinesse und motivischer Komplexität nach Ansicht des Rezensenten ihresgleichen suchen. Auch finden sich in der Sammlung Romanzen und Wiegenlieder, politisch und biografisch grundierte Gedichte, philosophische und mythologische Lyrik in unterschiedlichsten Vers- und Strophenformen, freut er sich. Nur die Übersetzung von Alexander Nitzberg gefällt ihm nicht immer. Zwar finde dieser oft staunenswerte Entsprechungen für Brodskys Originale, doch manchmal auch nur "allzu angestrengte, unnötig manieriert wirkende Nachahmungen". Doch "aller Kritik im Detail: Über weite Strecken ist Nitzberg die Verdeutschung von Brodskys anspruchsvollen Gedichten sehr gelungen", findet Ingold.

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