Alles dreht sich um einen monströsen Tintenfisch. Einen Riesenkalmar. Als dieser ein Tiefseekabel berührt, beginnen seine Arme und Tentakel zu erzählen. Davon, wie es ist, in ständiger Dunkelheit zu leben, wie es ist, für den Menschen ein Ungeheuer zu sein. Sie erzählen von Sanja, die ein Praktikum auf einem Frosttrawler absolviert und sich um einen gefangenen Kalmar kümmert. Sie erzählen von Dagmar, die für einen Geheimdienst in der Antarktis stationiert ist und diesen Kalmar unbemerkt nach Deutschland schaffen soll. Sie erzählen von einer Kindheit als Schäferstochter. Sie erzählen von einer Familie, deren Urahn schon mit einem Kalmar gekämpft hat. Sie erzählen von dem jungen Jules Verne, der von diesem Kampf hört und darüber zu schreiben beginnt. Am Ende erzählen sie davon, wie schwierig es für Menschen ist, von Tieren zu erzählen, und warum sie es dennoch tun.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Für Rezensentin Kathleen Hildebrand erreicht die aktuelle Krakenbegeisterung - erklärbar vielleicht mit deren "Weirdness" im besten Sinne, überlegt sie - mit Luca Kiesers Romanexperiment einen neuen, lesenswerten Höhepunkt: Der Autor, geboren 1992, fühlt sich hier in einen Riesenkalmar ein und erzählt aus der Perspektive eines seiner Arme (da gibt es den "Süßen", den "Blendenden", den "Bisschen-Schüchternen") von dessen Erfahrungen: das Tier begegnet Menschen, wird schwanger, zerkaut eine Zahnbürste. Verknüpft werde das mit der Geschichte eines Seemanns und seiner Nachfahren, die alle ein unterschiedliches Verhältnis zum Wasser und dem Tier haben. Dabei geht es mit großen Zeit- und Perspektivsprüngen und Exkursen in die Geschichte des Oktopus' durchaus recht "wirr" und "irr" zu, so Hildebrand, entwickelt aber dennoch einen starken Sog, auch in der sprachlichen Mischung aus Pathos und Humor, wie die Kritikerin fasziniert beschreibt. Ein ausgefallenes Buch, das von der essenziellen Verflechtung von Tier- und Menschenwelt handelt und dabei die Falle banaler Anthropomorphisierung kreativ umgeht, staunt Hildebrand.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Kieser wagt das Unmögliche: Sich in das Andere, das scheinbar so fremde Meerestier einzufühlen, und aus diesem heraus eine Geschichte von der unweigerlichen Eingebundenheit des Menschen in die Erzählungen der globalen Ökosysteme zu spinnen.« Raphaela Edelbauer