Weimar ist nicht nur die Stadt der Klassik ... Der vorliegende Band lädt ein, die Stadt und ihre Umgebung auf zwölf Spaziergängen und Ausflügen zu entdecken. Kenntnisreich führt Annette Seemann durch die Jahrhunderte von der vorklassischen Zeit bis zur Gegenwart. Berücksichtigt werden auch die vielfältigen Beziehungen die die Literatur in Weimar seit jeher mit den anderen Künsten einging: mit der Architektur, der bildenden Kunst, dem Theater und der Musik.
Zu Wort kommen Goethe, Wieland, Herder und Schiller ebenso wie Marie Luise Kaschnitz, Thomas Mann, Wulf Kirsten, Imre Kertész, Jorge Semprun und viele andere.
Zu Wort kommen Goethe, Wieland, Herder und Schiller ebenso wie Marie Luise Kaschnitz, Thomas Mann, Wulf Kirsten, Imre Kertész, Jorge Semprun und viele andere.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Gute Noten vergibt der Rezensent mit dem Kürzel "ric" an diesen Reiseführer, weil darin eher die Legenden und Spuren hinter den Ruhmesinstallationen der Stadt statt ihre bauliche Pracht beschrieben werden. In neun Spaziergängen könne man die "Kultur- und Kultstadt" durchwandern. Als unsichbare Begleiter diene dabei das Personal verschiedener Epochen, Schaffensperioden oder Gesellschaften. Auch vor der traumatischsten Station der Stadt, dem Konzentrationslager Buchenwald mache die Autorin nicht halt. Insgesamt schaffte der "manchmal anekdotische Blick" der Autorin bei Rezensenten die Ahnung dafür, wie sich die bis heute regenerierende Weimarer Kunstszene immer wieder regeneriert habe.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.01.2005Der Despot war ein Mäzen
In Weimar gibt es mehr Gedenktafeln pro Einwohner und Quadratkilometer als in den meisten Orten - da ist ein Stadtführer mit den Legenden hinter und mit den Spuren zwischen den Ruhmesinstallationen hilfreicher als die Beschreibung baulicher Pracht oder kunstsinniger Raumgestaltung. Das besorgt der Reisebegleiter "Weimar" von Annette Seemann in neun Spaziergängen, auf denen das Personal von Epochen, Schaffensperioden oder Gesellschaften als unsichtbarer Begleiter dient. Dabei erscheint die Kultur- und Kultstadt in der Rückschau zunächst als eine von vielen Provinzresidenzen, an der Spitze ein Herrscher so despotisch und so mäzenatisch regiert wie anderswo: Zunächst wurde - zunächst zur eigenen Erbauung - eine Bibliothek angelegt, ein Komödiensaal eingerichtet, eine Hofkapelle finanziert, ein Maler engagiert. In Weimar stand auch Johann Sebastian Bach einige Zeit in Lohn und Brot. Später war Franz Liszt da. Dazwischen Goethe, der sich nicht nur mit seinen Dichtungen beliebt, sondern auch mit seinen Forschungen und politischen Ratschlägen unentbehrlich machte. Seinem Einfluß sind wichtige Bauten und die verzaubernde Synthese von Kunst und Natur in den großen Parks zu danken, der ihn bis heute überdauernden Verehrung wohl auch der Respekt, der das Stadtbild vor der sonst kaum gezügelten Modernisierungswut bewahrte. Dem Erbe Goethes und seines großherzoglichen Gönners fühlten sich die unterschiedlichsten Größen und Geistesgrößen verpflichtet. Die nachfolgenden Großherzöge holten einen Märchendichter in die Stadt, gründeten eine Malerschule oder finanzierten bedeutende Verlagsprojekte. In Weimar mit seinen imponierenden Renaissancebauten wurden die nachfolgende Barockarchitektur von der Klassizistik in den Schatten gestellt - eine seinerzeit als revolutionär geltende und wie die Dichtung am antiken Ideal orientierte Stilrichtung. Der Zuzug kulturbeflissener Zeitgenossen vom Verlagsgründer Kiepenheuer bis zu den Malern Feininger und Kandinsky begünstigte eine bauliche Entwicklung, die als Jahrhundertringe aus Eklektizismus und Jugendstil den gediegenen Kern ansehnlich ergänzt. Eine letzte und makabre Blüte verdankt die Stadt einem größenwahnsinnigen Förderer, dessen vor Ort residierender Reichsstatthalter auf dem nahen Ettersberg ein Kulturdenkmal ganz eigener Art errichtete und dort Autoren wie Jean Améry, Bruno Bettelheim, Imre Kertesz oder Jorge Semprún zwangsverpflichtete. Das Buch führt bewußt auch über diese traumatische Station und begleitet das Ensemble aus Stacheldraht und Wachtürmen ebenso wie die Schloßfassaden und noblen Dichterhäuser mit eingestreuten und eindrucksvollen Leseproben. Der manchmal anekdotische Blick in einzelne Biographien und in das sich fortpflanzende Beziehungsgeflecht genügt keiner indiskreten Neugierde, es schafft die Ahnung dafür, wie sich aus Achtung, Bewunderung oder Liebe, aber auch Ignoranz die bis heute regenerierende Weimarer Kulturszene perpetuiert hat.
ric.
"Weimar - Ein Reisebegleiter" von Annette Seemann. Injsel Taschenbuch. Insel Verlag, Frankfurt 2004. 332 Seiten. Broschiert, 11 Euro. ISBN 3-458-34766-6
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
In Weimar gibt es mehr Gedenktafeln pro Einwohner und Quadratkilometer als in den meisten Orten - da ist ein Stadtführer mit den Legenden hinter und mit den Spuren zwischen den Ruhmesinstallationen hilfreicher als die Beschreibung baulicher Pracht oder kunstsinniger Raumgestaltung. Das besorgt der Reisebegleiter "Weimar" von Annette Seemann in neun Spaziergängen, auf denen das Personal von Epochen, Schaffensperioden oder Gesellschaften als unsichtbarer Begleiter dient. Dabei erscheint die Kultur- und Kultstadt in der Rückschau zunächst als eine von vielen Provinzresidenzen, an der Spitze ein Herrscher so despotisch und so mäzenatisch regiert wie anderswo: Zunächst wurde - zunächst zur eigenen Erbauung - eine Bibliothek angelegt, ein Komödiensaal eingerichtet, eine Hofkapelle finanziert, ein Maler engagiert. In Weimar stand auch Johann Sebastian Bach einige Zeit in Lohn und Brot. Später war Franz Liszt da. Dazwischen Goethe, der sich nicht nur mit seinen Dichtungen beliebt, sondern auch mit seinen Forschungen und politischen Ratschlägen unentbehrlich machte. Seinem Einfluß sind wichtige Bauten und die verzaubernde Synthese von Kunst und Natur in den großen Parks zu danken, der ihn bis heute überdauernden Verehrung wohl auch der Respekt, der das Stadtbild vor der sonst kaum gezügelten Modernisierungswut bewahrte. Dem Erbe Goethes und seines großherzoglichen Gönners fühlten sich die unterschiedlichsten Größen und Geistesgrößen verpflichtet. Die nachfolgenden Großherzöge holten einen Märchendichter in die Stadt, gründeten eine Malerschule oder finanzierten bedeutende Verlagsprojekte. In Weimar mit seinen imponierenden Renaissancebauten wurden die nachfolgende Barockarchitektur von der Klassizistik in den Schatten gestellt - eine seinerzeit als revolutionär geltende und wie die Dichtung am antiken Ideal orientierte Stilrichtung. Der Zuzug kulturbeflissener Zeitgenossen vom Verlagsgründer Kiepenheuer bis zu den Malern Feininger und Kandinsky begünstigte eine bauliche Entwicklung, die als Jahrhundertringe aus Eklektizismus und Jugendstil den gediegenen Kern ansehnlich ergänzt. Eine letzte und makabre Blüte verdankt die Stadt einem größenwahnsinnigen Förderer, dessen vor Ort residierender Reichsstatthalter auf dem nahen Ettersberg ein Kulturdenkmal ganz eigener Art errichtete und dort Autoren wie Jean Améry, Bruno Bettelheim, Imre Kertesz oder Jorge Semprún zwangsverpflichtete. Das Buch führt bewußt auch über diese traumatische Station und begleitet das Ensemble aus Stacheldraht und Wachtürmen ebenso wie die Schloßfassaden und noblen Dichterhäuser mit eingestreuten und eindrucksvollen Leseproben. Der manchmal anekdotische Blick in einzelne Biographien und in das sich fortpflanzende Beziehungsgeflecht genügt keiner indiskreten Neugierde, es schafft die Ahnung dafür, wie sich aus Achtung, Bewunderung oder Liebe, aber auch Ignoranz die bis heute regenerierende Weimarer Kulturszene perpetuiert hat.
ric.
"Weimar - Ein Reisebegleiter" von Annette Seemann. Injsel Taschenbuch. Insel Verlag, Frankfurt 2004. 332 Seiten. Broschiert, 11 Euro. ISBN 3-458-34766-6
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main