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Max Kirschner ist ein deutscher Jude, geboren und aufgewachsen um die Jahrhundertwende in München; er dient "seinem Vaterland" als Sanitätsoffizier im Ersten Weltkrieg, wofür ihm das Eiserne Kreuz verliehen wird, das er mit Stolz trägt; arbeitet lange Jahre als Arzt in Frankfurt am Main - bis der Nationalsozialismus auch dieses Leben von Grund auf verändert: Dem Entzug der Approbation folgt der Transport ins Konzentrationslager Buchenwald, der Verlust allen Eigentums, aller sozialen Wurzeln. Kirschner flieht mit seiner Familie nach England, emigriert in die Vereinigten Staaten. Dort beginnt…mehr

Produktbeschreibung
Max Kirschner ist ein deutscher Jude, geboren und aufgewachsen um die Jahrhundertwende in München; er dient "seinem Vaterland" als Sanitätsoffizier im Ersten Weltkrieg, wofür ihm das Eiserne Kreuz verliehen wird, das er mit Stolz trägt; arbeitet lange Jahre als Arzt in Frankfurt am Main - bis der Nationalsozialismus auch dieses Leben von Grund auf verändert: Dem Entzug der Approbation folgt der Transport ins Konzentrationslager Buchenwald, der Verlust allen Eigentums, aller sozialen Wurzeln. Kirschner flieht mit seiner Familie nach England, emigriert in die Vereinigten Staaten. Dort beginnt er, mit über 50 Jahren, noch einmal von vorn, studiert noch einmal, erhält die neue Staatsbürgerschaft, baut eine Praxis auf und lernt dort endlich wieder das Glück des Lebens kennen - mit seinen Kindern und vielen Enkeln.

Max Kirschner ist nie wieder nach Deutschland zurückgekommen, und seine Erinnerungen hat er in englischer Sprache geschrieben. Weinen hat seine Zeit und Lachen hat seine Zeit ist ein ergreifendes Dokument, ein einfacher, auf jede Ausschmückung verzichtender Blick auf eine Existenz, die eine jüdische, deutsche und amerikanische war, ein Bericht, der von der Kraft eines Mannes erzählt, der sich sein Leben nicht nehmen ließ.

Das Manuskript dieser Erinnerungen schenkte Fred Kirschner, Max Kirschners Sohn, nach einer erfolgreichen Behandlung dem Frankfurter Chirurgen Bernd Hontschik. Der vertraute es dem Jüdischen Verlag an.
Autorenporträt
Drolshagen, Ebba D.Ebba D. Drolshagen ist Autorin und übersetzt aus dem Englischen und Norwegischen, bislang u. a. Gertrude Bell, Edith Wharton, Edvard Hoem, Mona Høvring.Hontschik, BerndBernd Hontschik, geboren 1952 in Graz, ist Chirurg in Frankfurt am Main. Abitur und Medizinstudium in Frankfurt am Main. 1978 Beginn der chirurgischen Ausbildung, 1987 Promotion über die Theorie und Praxis der Appendektomie, die als Buch veröffentlicht und 1989 mit dem Roemer-Preis des Deutschen Kollegiums für Psychosomatische Medizin ausgezeichnet wurde. Bis 1991 Oberarzt an der Chirurgischen Klinik des Städtischen Krankenhauses Frankfurt/Main-Höchst, bis 2015 in der Frankfurter Innenstadt niedergelassen in einer chirurgischen Praxis und ambulantem OP-Zentrum.Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.Bernd Hontschik war u.a. Vorstandsmitglied der Thure von Uexküll-Akademie für Integrierte Medizin, ist Herausgeber der Taschenbuchreihe »medizinHuman« im Suhrkamp Verlag, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Zeitschrift Chirurgische Praxis, wurde in die Betriebskommission der Städtischen Klinik Frankfurt am Main/Höchst berufen und schreibt nach zahlreiche

n Veröffentlichungen in Büchern und Zeitschriften eine regelmäßige Kolumne in einer Frankfurter Tageszeitung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.11.2012

Vom Arztbesuch zum brennenden Cello

Max Kirschner, einst vertrieben, ist nie mehr nach Frankfurt zurückgekehrt. Sein Sohn und seine Enkelin dagegen haben hier Freunde gefunden.

Von Hans Riebsamen

Mit einem Straßenschild hat sich der Kreis geschlossen. Max-Kirschner-Weg steht auf diesem Schild. Es bezeichnet keine Allee, sondern nur eine kleine Nebenstraße in Heddernheim, welche die bisherigen Sackgassen-Enden der Heddernheimer Landstraße und der Ludwig-Reinheimer-Straße verbindet. Mit der Benennung nach Max Kirschner hat Frankfurt symbolisch einen Arzt in die Stadt zurückgeholt, der Frankfurt einst als Verfolgter hatte verlassen müssen.

Eine Abszess auf dem Brustkorb seines Sohnes Fred Kirschner hat dem verstorbenen Max Kirschner die Heimkehr zumindest in Frankfurts öffentliches Gedächtnis verschafft. Wegen dieses Abszesses begab sich Fred Kirschner, damals gerade auf Einladung des Magistrats als ehemaliger, von den Nazis aus der Stadt vertriebener Frankfurter in seiner früheren Heimatstadt weilend, in die Behandlung des Chirurgen Bernd Hontschik.

"Mein Vater war auch Arzt, hier in Frankfurt", erzählte der damals fast 80 Jahre alte Patient aus Amerika dem Chirurgen. Aus dem fast beiläufig dahergesagten Satz ist eine große Freundschaft erwachsen. Hontschik, der Fred Kirschner den Abszess herausschnitt, kam während der nachfolgenden Verbandswechsel jeden Tag ein wenig mehr mit seinem Patienten ins Gespräch. Erst auf Englisch, dann auf Englisch mit deutschen Einsprengseln, auf einmal nur noch auf Deutsch. Hier in Frankfurt, hier in der Praxis des Chirurgen kamen dem Besucher aus Amerika seine Kindheit und Jugend in Frankfurt wieder ins Bewusstsein.

Die schlimmste davon war jene an die Festhalle, wo Fred Kirschner zusammen mit seinem Vater und einigen hundert anderen Juden nach der "Kristallnacht" zusammengetrieben worden war, um nach Buchenwald abtransportiert zu werden. Der Vater ist dann aus einem seltsamen Grund aus dem Konzentrationslager bei Weimar wieder entlassen worden. Man brauchte in Frankfurt einen jüdischen Arzt für die der Bürgerrechte beraubten Juden, denn die durften ja nicht mehr von "arischen" Ärzten behandelt werden. Vater Max Kirschner wurde unter den Mediziner-Häftlingen ausgewählt, weil er sich im Ersten Weltkrieg das Eiserne Kreuz verdient hatte. Sein Schicksal und das seiner Familie endete aber nicht in Auschwitz oder einem der anderen Todeslager. Die Kirschners konnten im letzten Augenblick nach Amerika entkommen. Dort hat Max Kirschner seine medizinischen Prüfungen wiederholt und sich eine Existenz als Arzt aufgebaut.

Seit jenem Abszess und den damit verbundenen Gesprächen über den Lebensweg der Familie Kirschner waren Fred Kirschner und der Chirurg Bernd Hontschik Freunde. Auch ihre Familien haben sich angefreundet. Einmal hat der mittlerweile ebenfalls verstorbene Fred Kirschner in seiner Garage in San Rafael in Kalifornien einen Pappkarton hervorgezogen und ihn Hontschik gezeigt. Er enthielt ein verblichenes Manuskript, die selbstverfassten Lebenserinnerungen des Max Kirschner. Hontschik hat sein damaliges Versprechen gehalten, für eine Veröffentlichung zu sorgen. Unter dem Titel "Weinen hat seine Zeit und Lachen hat seine Zeit" ist Max Kirschners Bericht über sein Leben 2004 im Jüdischen Verlag erschienen. Hontschik hat auch dafür gesorgt, dass der Verbindungsweg zwischen zwei Sackgassen in Heddernheim nach Max Kirschner benannt wurde.

Dieser Kreis hat sich geschlossen. Doch längst haben sich Nebenkreise gebildet. Als am 11. September 2008 im Beisein von mehr als zehn Nachkommen von Max Kirschner das Straßenschild symbolisch enthüllt wurde, spielte der Frankfurter Cellist Frank Wolff auf. Nachdem er seinen speziellen Mix aus deutscher und amerikanischen Nationalhymne vorgetragen hatte, sprach ihn aus der Schar der amerikanischen Gäste eine Frau an. "Hi, ich bin Judy, die Enkelin." Sie betreibe bei San Francisco ein Tonstudio, in dem schon Grammy-Titel aufgenommen worden seien. Ob er nicht mal mit seinem Cello rüberfliegen und bei ihr ein paar Aufnahmen machen wolle. Er sei herzlich eingeladen.

Im Herbst ist Wolff bei der Enkelin und ihrem Mann in Petaluma eingetroffen. Ein Cello hat er sich bei einem in dieser kalifornischen Kleinstadt ansässigen Instrumentenbauer geliehen. Die Aufnahmen seien geradezu mühelos gelungen, erzählt der Frankfurter Cellist. "Burning Cello" heißt eines seiner drei dort eingespielten Stücke. Es spielt auf die brennende Gitarre an, mit der einst Jimi Hendrix, einer von Wolffs musikalischen Göttern, Aufsehen erregt hat. Später auf seiner Reise hat Wolff denn auch im Hendrix-Museum in Seattle jene weiße Gitarre bestaunt, auf der die Rock-Ikone damals in Woodstock gespielt hat.

"In der Fremde" heißt ein anderes Stück, das Wolff bei Max Kirschners Enkelin in Amerika aufgenommen hat. Er hat es komponiert zur Eröffnung der Ausstellung "Fremd bin ich den Menschen dort" in der Deutschen Nationalbibliothek, in der Emigranten-Schicksale vorgestellt wurden. In Wolffs nächstem Programm und auf seiner nächsten CD wird es das zentrale Stück sein.

Bei der Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht von 1938 hat er jetzt in der Paulskirche die Komposition in eindrucksvoller Weise vorgetragen. Wolff hat das Stück auch für Max Kirschner gespielt, der nach jener Pogromnacht die Härte der Verfolgung zu spüren bekommen hatte. Er musste, um sein Leben zu retten, damals in die Fremde ziehen. Wahrscheinlich hat er sich nicht vorstellen können, dass sein Sohn einmal mit einem Frankfurter Arzt und seine Enkelin mit einem Frankfurter Musiker befreundet sein würden.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Recht angetan zeigt sich Rezensent Robert Jütte von diesen Erinnerungen des jüdischen Arztes Max Kirschner (1886 bis 1975), die ihren Weg aus dem Archiv des New Yorker Leo-Baeck-Instituts gefunden haben und nun in deutscher Übersetzung vorliegen. Zwar scheinen Jütte weder die Person noch die Lebensgeschichte Kirschners, der für seine Leistungen als Arzt und Offizier im Ersten Weltkrieg mit dem Eiserne Kreuz gewürdigt wurde, in Buchenwald interniert war und dann in die USA emigrierte, wirklich außergewöhnlich verglichen mit anderen Emigrantenschicksalen. Aber er findet Kirschners Erinnerungen von der ersten Seite an packend. So lobt er die "gute Beobachtungsgabe", der sich trotz Verlusts eines Großteils seiner Tagebücher "plastisch" erinnere. Und er hebt hervor, dass Kirschner nicht nur traurige Geschichten erzählt, sondern auch die heiteren Seiten jüdischen Alltags im New Yorker Exil in schwerer Zeit dokumentiert.

© Perlentaucher Medien GmbH