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»Der Sommer, von dem ich erzählen will, ist die einzige Zeit von Bedeutung.Es ist die Zeit, an die ich denken werde, wenn ich sterbe, so wie sich andere vielleicht einen verlorenen Liebhaber ins Gedächtnis rufen oder einer Liebe nachtrauern, die nie zustande kam. Für mich gibt es nur eine Geschichte.Es ist die meiner Schwester - Frankies Geschichte.«

Produktbeschreibung
»Der Sommer, von dem ich erzählen will, ist die einzige Zeit von Bedeutung.Es ist die Zeit, an die ich denken werde, wenn ich sterbe, so wie sich andere vielleicht einen verlorenen Liebhaber ins Gedächtnis rufen oder einer Liebe nachtrauern, die nie zustande kam. Für mich gibt es nur eine Geschichte.Es ist die meiner Schwester - Frankies Geschichte.«
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Autorenporträt
Alice Greenway, 1964 in Washington D.C. geboren, aufgewachsen in Hongkong, Bangkok, Washington, Jerusalem und Massachusetts. Studium an der Yale University. Heute lebt die Autorin mit ihrer Familie in Edinburgh, Schottland. Weiße Geister ist ihr erster Roman; der zweite ist in Arbeit.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.03.2009

Die Vertreibung aus dem Paradies

Ihre Sprache ist ein Kampf gegen das Vergessen: In Alice Greenways Romandebüt "Weiße Geister" gerät eine Familie aus Hongkong in die Wirren des Vietnam-Krieges.

Das Titelbild des "Time Magazine" zeigt einen zusammengekauerten Marine-Soldaten. Um ihn herum spritzt Matsch von einer einschlagenden Granate auf. Er hält zum Schutz die Hände über den Kopf. "Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, bist du nicht nah genug dran." Robert Capa hat das gesagt, bevor er in Vietnam von einer Landmine zerfetzt wurde. Capa ist das Vorbild. Der Krieg ist das andere Bild, ein morbides Abenteuer, das Geschichten hervorbringt, die das normale Leben in den Schatten stellen. In seiner Dunkelkammer sammelt Kates Vater Kriegsrelikte: "Granatsplitter, die er sich aus dem Bein gepult hat, den Zündstift einer Handgranate, eine geschmuggelte AK-47, die er unter dem Waschbecken verstaut." Niemand kann mit diesen Gegenständen konkurrieren. "Manchmal ist es schwer für ihn, sich an uns zu erinnern. So sehr liebt er Vietnam."

Aus der Perspektive der dreizehnjährigen Kate schildert Alice Greenway das Schicksal einer Familie, die 1967 von Hongkong aus in die Wirren des Vietnam-Krieges gerät. Hongkong, der Außenposten der westlichen Zivilisation, in dessen Gartenrefugien sich ein amerikanischer Kriegsfotograf vom Dschungel, den Bomben und den Bildern in seinem Kopf erholt und nicht bemerkt, wie ihm das eigene Leben langsam aus dem Blick gerät.

Die Autorin hat selbst einen Teil ihrer Kindheit in Hongkong verbracht. In ihrem Erstlingsroman beschwört sie ihre Erinnerungen mit solch frappierender Sinnlichkeit herauf, dass der Text bald selbst verfängt wie eine exotische Schlingpflanze. Man kann sich seinem Todessog, der doch immer von den Lebenden, vom Vegetativen her erzählt ist, kaum entziehen.

Kate und ihre ältere Schwester Frankie verbünden sich in den Ausläufern des heimischen Gartens mit den Vietcong, spielen unbekümmert Krieg, bis eines Tages eine Leiche in ihr Leben gespült wird. "Wie eine Boje" bläht sie sich im jadegrünen Wasser des Hafens vor den "Geheimnisschwestern" auf. Die Frau hat einen leeren Gesichtsausdruck: "Sie hat keine Augäpfel. An ihrer Stelle schwärmen winzige weiße Fische in ihren Augenhöhlen, die es aus der Tiefe heraufgespült hat. Die Fische zappeln hektisch in der glühenden, grellen Sonne, nicht willens, die süßen, verrotteten Fleischfasern preiszugeben." Es ist die Fäulnis der Revolution, die in diesen Tagen an Hongkongs Küste strandet, Flüchtlinge, die vor den Roten Garden oder Maos Volksbefreiungsarmee verzweifelt ins Wasser gingen.

Das Ereignis ist ein Fanal, und es gleicht einer Vertreibung aus dem Paradies: "Wir haben gesehen, was mein Vater in Vietnam sieht. Minenopfer, Napalmopfer, Erschossene, Verbrannte. Auch wir haben jetzt eine Leiche. Eine Ertrunkene." Der Zwischenfall enthüllt nicht nur die Machtlosigkeit der Erwachsenen, er macht auch deutlich, dass es keinen Schutz geben kann vor der Faktizität des Krieges.

Der initiale Tod der Chinesin markiert eine Zäsur in der Beziehung der Schwestern. Frankies Verhalten wird immer leichtsinniger. Eifersüchtig auf den Krieg, auf die Aufmerksamkeit, die er beansprucht, beginnt ihr frivoler Kampf um die Liebe des Vaters. Viel zu laut, viel zu affektiert macht sie seinen Freunden Avancen, setzt ihren Körper ein "wie eine Waffe", kompromittiert die Mutter - und bleibt dennoch ungehört. Als die chinesische Kinderfrau die Schwestern eines Tages mit zu ihrem Tempel nach Lantau nimmt, stiftet Frankie ihre Schwester zum Ungehorsam an. Die beiden büxen aus und geraten in einen Tumult. Zwei revolutionäre Aufwiegler drängen die Mädchen in einen Schlachterladen und schicken Kate mit einem Beutel frischer Litschis (ein Geschenk für den Polizeihauptmann) zum Anleger. "Wenn du nicht zurückkommen, du keine große Schwester mehr!", sagen die Männer mit lüsternem Grinsen. Wieder wird Kates Loyalität auf die Probe gestellt. Wie ein unsichtbarer "weißer Geist" schreitet sie zur Erfüllung ihrer Aufgabe, doch als sie erkennt, dass ihr der Weg zum Bootsanleger versperrt ist, lässt sie die viel zu schweren Litschis in eine Öltonne fallen. Dort landen sie mit einem dröhnenden Geräusch von "Eisen, das auf Eisen trifft". Eine Frau und ein Junge seien bei einem Bombenanschlag schwer verbrannt worden, steht am nächsten Tag in der Zeitung.

Wieder zu Hause füllt Kate die Vase auf der Terrasse mit Wasser aus dem Gartenschlauch. "Es ist Wassertag, und meine Mutter fragt mich nicht nach der Explosion auf Lantau. Sie fragt nur, ob ich die Vase fülle." Das Wasser brauchen sie für "rote Katzenschwänze, süßen Jasmin, fleischige rosa Begonien. Um die Blumen die Woche über am Leben zu halten, während in den Einwandererlagern Menschen vor öffentlichen Wasserhähnen Schlange stehen."

Wie Alice Greenway diese Unvereinbarkeiten schildert, wie sie ihre Leser in der gärenden Atmosphäre der Tropen, ihrem hypertrophen Wachstum und der gnadenlosen Verwesung auf die Katastrophe hinführt, gehört zum besten elegischen Ton der Gegenwart. Das welterschließende Vermögen ihrer Sprache ist auch ein Kampf gegen das Vergessen. Es ist der Versuch, dem Dschungel, dem "lauernden Tiger" aus den Erzählungen des Vaters, eine verlorene Kindheit zu entreißen.

KATHARINA TEUTSCH

Alice Greenway: "Weiße Geister". Roman. Aus dem Amerikanischen von Uwe-Michael Gutzschahn. Marebuchverlag, Hamburg 2009, 220 S., br., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als sei sie in den Schlingen einer Tropenpflanze gefangen, so in etwa muss sich die Rezensentin bei der Lektüre gefühlt haben. Klingt nicht so reizvoll, gehört in den Worten Katharina Teutschs allerdings zum "besten elegischen Ton der Gegenwart". Die welteröffnende Kraft der Sprache, mit der Alice Greenway eine Kindheit in Hongkong und das Ende der Unschuld beschreibt, steht für Teutsch außer Zweifel. Die Konfrontation der Schwestern Kate und Frankie mit dem Vietnam-Krieg und das Schicksal einer Familie erscheinen ihr in diesem Buch "frappierend" sinnlich erfasst und vermittelt. Ein Kampf gegen das Vergessen der eigenen Geschichte, packend erzählt aus der Perspektive einer Dreizehnjährigen, findet Teutsch.

© Perlentaucher Medien GmbH