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Produktdetails
  • Verlag: DVA
  • Seitenzahl: 350
  • Abmessung: 210mm
  • Gewicht: 516g
  • ISBN-13: 9783421062048
  • ISBN-10: 3421062048
  • Artikelnr.: 23925942
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.07.2004

Wirtschaftsbuch
Wege in den Osten
Mit dem Vorwurf unpatriotischen Verhaltens mussten sich deutsche Unternehmer schon einmal auseinander setzen. In den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg traf er aber nur jene, die sich ungeachtet der politischen Großwetterlage um die Wiederbelebung des Handels mit dem Osten bemühten. Welchen Anfeindungen die Osthändler ausgesetzt waren, wie sie ihre Ziele dennoch weiterverfolgten und schließlich der politischen Verständigung mit dem Osten den Weg ebneten, zeigt die hervorragende, mit zahlreichen neuen Quellenfunden aufwartende Habilitationsschrift des Bochumer Privatdozenten und nordrhein-westfälischen SPD-Landtagsabgeordneten Karsten Rudolph.
Der Autor beschreibt zunächst die Lage nach 1945, als der Kalte Krieg die westdeutsche Wirtschaft beeinträchtigte, weil „die Deutschen die Regeln des Wirtschaftskrieges zwischen West und Ost nicht bestimmten” und die Osthandelspolitik eng mit der Frage der deutschen Wiedervereinigung verknüpft blieb. Der antikommunistische Kurs der Bundesregierung und die Formel vom „Tod-Feind-Handel”, mit welcher der Nationalökonom Wilhelm Röpke den Osthandel zu diskreditieren versuchte, zeigten in der Wirtschaft rasch Wirkung. Wie die am Ostgeschäft interessierten Unternehmer in diesem ungünstigen Klima agierten, analysiert Rudolph in den folgenden Kapiteln: Gründung des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft 1952, Bemühungen um offizielle Kontakte mit der Sowjetunion und anderen Ostblockstaaten, Abschluss des ersten deutsch-sowjetischen Handelsvertrags 1958.
Eine Zäsur bildete 1962/63 der Streit um das von den Vereinigten Staaten verhängte Röhrenembargo, in dessen Verlauf die westdeutsche Röhrenindustrie die Bundesregierung zwar „an den Rand einer empfindlichen Niederlage” brachte, der aber letztlich damit endete, dass die drei involvierten Konzerne ihre Lieferverpflichtungen gegenüber der Sowjetunion nicht erfüllen durften. Als Folge dieses Konflikts lösten sich die Osthändler langsam von der amtlichen Ostpolitik; es formte sich eine strategische Allianz, bestehend aus SPD, FDP und den am Osthandel interessierten Unternehmen - eine Konstellation, die zum Regierungswechsel 1969 beigetragen habe.
Die drei bedeutendsten Ostdiplomaten - Otto Wolff von Amerongen, Berthold Beitz und Ernst Wolf Mommsen - werden ausführlich porträtiert, ehe Rudolph die Rolle der Industrie bei der Formulierung und Verwirklichung der Neuen Ostpolitik erörtert: Zwar habe diese Politik „letztlich nur aufgrund äußerer Faktoren zum Durchbruch gelangen” können, doch ohne die „diplomatischen, außenpolitischen und politisch-psychologischen Vorleistungen” und ohne das ökonomische Interesse der westdeutschen Investitionsgüterindustrie hätte der sozialliberalen Bundesregierung wohl die Kraft gefehlt, „um im ersten Anlauf die Grundkoordinaten der Bonner Außenpolitik zu verschieben”.
Die Studie überzeugt nicht nur durch ihre Quellennähe, sie zeigt auch Möglichkeiten und Grenzen der Wirtschaftsdiplomatie. Eine beachtliche wissenschaftliche Leistung.
Werner Bührer
Zum Thema
Aus erster Hand
Otto Wolff von Amerongen: Der Weg nach Osten. Vierzig Jahre Brückenbau für die deutsche Wirtschaft. Droemer Knaur, München 1992, 352 Seiten.
Eine um viele Anekdoten angereicherte Bilanz aus erster Hand. Einer der einflussreichsten deutschen Wirtschaftsdiplomaten zeigt in diesem nur noch antiquarisch erhältlichen Buch anschaulich, mit welchen Schwierigkeiten die Pioniere des Osthandels zu kämpfen hatten.
Wie alles anfing
Karl-Heinz Schlarp: Zwischen Konfrontation und Kooperation. Die Anfangsjahre der deutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen in der Ära Adenauer. LIT Verlag Münster 2000, 416 Seiten, 45,90 Euro.
Eine gründliche aktengestützte Untersuchung, die sich auf die politischen Akteure konzentriert.
Beitrag zur Geschichte
Brücke für die deutsche Wirtschaft. 50 Jahre Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, hrsg. vom Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft 2002, 144 Seiten (nur über den Ostausschuss zu beziehen).
Die offizielle Festschrift enthält einen Beitrag zur Geschichte des Ostausschusses, Rückblicke prominenter Akteure, eine hilfreiche, bebilderte Chronologie.
Karsten Rudolph: Wirtschaftsdiplomatie im Kalten Krieg.
Die Ostpolitik der westdeutschen Großindustrie 1945 - 1991.
Campus Verlag, Frankfurt/New York 2004, 455 Seiten, 39 Euro.
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