Weit über der smaragdgrünen See kann einen idealen Einstieg in Sandersons Werk bieten, bekommt man dadurch doch die rare Gelegenheit, in sein Schaffen zu schnuppern, ohne sich gleich für eine mehrbändige Reihe verpflichten zu müssen. Denn auch wenn der Roman im Kosmeer-Universum angesiedelt ist,
lässt er sich problemlos als Einzelband lesen und genießen.
Doch worum handelt es sich nun bei diesem…mehrWeit über der smaragdgrünen See kann einen idealen Einstieg in Sandersons Werk bieten, bekommt man dadurch doch die rare Gelegenheit, in sein Schaffen zu schnuppern, ohne sich gleich für eine mehrbändige Reihe verpflichten zu müssen. Denn auch wenn der Roman im Kosmeer-Universum angesiedelt ist, lässt er sich problemlos als Einzelband lesen und genießen.
Doch worum handelt es sich nun bei diesem Roman? Einen guten Anhaltspunkt bietet das Nachwort. Dort lässt uns Sanderson wissen, dass er insbesondere von William Goldings Brautprinzessin inspiriert wurde: So störten er und seine Frau sich daran, dass die weibliche Hauptfigur eine so untergeordnete Rolle spielte. Doch ist ihm mit diesem Roman eine Korrektur gelungen?
Modernes Märchen
Hat man diesen Punkt im Hinterkopf, so überrascht einem zunächst nicht, dass in der Tat vieles an Goldings berühmten Roman erinnert:
Auch hier führt uns im Duktus eines engagierten Geschichtenerzählers eine Figur (Hoid) durch das Geschehen, die selbst Bestandteil der Handlung ist. Der Erzähler weiß dabei in etwa so viel wie ein allwissender Erzähler – und er scheut sich auch nicht davor, uns diesen Umstand immer wieder vor Augen zu führen. Beständig würzt er das Geschehen mit bissigen Kommentaren, greift vor, zieht dann wieder zurück und glänzt insbesondere durch seinen trockenen Humor.
Dies ist oft unterhaltsam, könnte aber auch ob der ungewöhnlichen Erzählform und einiger zu moderner Aussagen einige Leser abschrecken. Jedenfalls muss man dieser Erzählerwahl zugutehalten, dass dadurch elegante Verknappungen ermöglicht werden, die das Erzähltempo insgesamt sehr hochhalten. Verstärkt wird dieser Effekt durch den einfachen Satzbau und das Fehlen umfangreicher (Landschafts-)Beschreibungen. Beeindruckend, wenn man bedenkt, dass relativ wenigen Dialoge vorhanden und erzählerbedingt nur wenige Monologe möglich sind.
Wenig innovative Handlung
Die Handlung an sich dürfte dabei für die meisten Leser nur wenig Neues bereithalten: Es handelt sich um eine weitestgehend klassisch verlaufende Heldenreise. Die Hauptfigur bricht zu einer Reise mit einem klar definierten Ziel auf, muss sich auf ihrem Weg vielen Herausforderungen stellen, an denen sie wachsen kann und vollendet schließlich ihre Reise mitsamt Reifeprozess mit einer schwierigen Entscheidung.
Oft passieren genau die Dinge, die man auch erwartet und die Ergebnisse der großen Handlungsstränge und „Mysterien“ dürften den meisten Lesern nach wenigen Seiten klar sein. Allerdings gilt dies wirklich nur für die großen Aspekte. Gerade in Detailfragen schlägt Sanderson so manches Mal einen so ungewöhnlichen und trockenen Weg ein, dass man als Leser einfach nur laut loslachen muss. Beispielhaft und filmreif sind etwa die Flucht von der Insel, die nur gelingt, weil ihre Eltern sie unterstützen oder das Lösen von Problemen durch Nachdenken.
Spannende Welt
Sanderson wirft uns zu Beginn kopfüber in diese verrückte Welt und nicht von ungefähr erinnert vieles an das chaotische und kreative Worldbuilding eines Jack Vance. Idee folgt auf Idee und es bleibt dem Leser überlassen, diese Ideen weiterzuspinnen. Später folgen (leider) zu viele Erklärungen, die zwar in sich stimmig sind, der ganzen Erzählung aber ein Stück weit von ihrem märchenhaften Charme nehmen.
Natürlich ist auch hier nicht alles bis ins letzte Detail durchdacht und wer es wirklich darauf anlegt, der findet auch hier noch das eine oder andere Haar in der Suppe – man kann aber auch ein Märchen einfach nur Märchen sein lassen und die Geschichte genießen.
Überzeugende Charaktere
Eine große Stärke des Romans ist das gesamte Figurenensemble – soweit man sich vor Augen hält, dass der Märchenaspekt im Vordergrund steht. Der Band ist einfach zu kurz, als dass eine angemessene Charakterisierung der vielen Figuren erfolgen könnte.
Am ehesten ist dies noch bei der Hauptfigur Tress der Fall, die so gar nicht ins Märchenschema passt. Sie ist von Beginn der Erzählung an kein Mauerblümchen, sondern eine starke Frauenfigur, die mit Verstand, Entschlossenheit und Einfühlsamkeit agiert. Besonders sympathisch macht sie, dass sie selbst keine übernatürlichen Kräfte besitzt, sondern oft einfach durch Nachdenken und Teamwork (denkt an den Märchencharakter!) an ihr Ziel gelangt.
Fazit
Brandon Sanderson hat mit Weit über der smaragdgrünen See ein herzerwärmendes und humorvolles modernes Märchen verfasst. Auch wenn nicht jeder Leser mit der Erzählform zurechtkommen dürfte und nicht jeder Aspekt bis ins letzte Detail ausgearbeitet wurde, begeistert der Roman mit skurrilen und liebenswerten Figuren, wichtigen Botschaften, kreativen Einfällen und einer spannenden und innovativen Welt. Die perfekte Lektüre, um unsere Herzen in kalten Zeiten zu erwärmen!