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Papst Franziskus pflegt nicht nur einen neuen Stil der Amtsführung. Er setzt auch ungewohnte Schwerpunkte. Kirche steht für ihn nicht außerhalb der Welt, sondern ist ein Teil von ihr im Guten wie im Schlechten. Sein Anliegen ist, dass aus Kirche wie Gesellschaft niemand ausgeschlossen wird. Alle sollen menschenwürdig in Freiheit und Sicherheit leben können. Dafür reicht ein "Weiter so" nicht aus. Franziskus setzt Zeichen, arbeitet an Grundlagen und Strukturen. Sein erster Besuch galt den überlebenden und den ertrunkenen Flüchtlingen auf Lampedusa. Er rüttelte an der Mauer, die Israelis und…mehr

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Produktbeschreibung
Papst Franziskus pflegt nicht nur einen neuen Stil der Amtsführung. Er setzt auch ungewohnte Schwerpunkte. Kirche steht für ihn nicht außerhalb der Welt, sondern ist ein Teil von ihr im Guten wie im Schlechten. Sein Anliegen ist, dass aus Kirche wie Gesellschaft niemand ausgeschlossen wird. Alle sollen menschenwürdig in Freiheit und Sicherheit leben können. Dafür reicht ein "Weiter so" nicht aus. Franziskus setzt Zeichen, arbeitet an Grundlagen und Strukturen. Sein erster Besuch galt den überlebenden und den ertrunkenen Flüchtlingen auf Lampedusa. Er rüttelte an der Mauer, die Israelis und Palästinenser trennt. An der Grenze Mexikos zu den USA widersprach er Präsident Trumps Mauerbauplänen. Die Weltklimakonferenz in Paris hat er mit einer Enzyklika unterstützt, die den Kern des Christentums mit dem Schutz der Schöpfung und einer gerechten Verteilung der Ressourcen verknüpft. Jürgen Erbacher zieht nach fünf Jahren eine Zwischenbilanz. Er zeigt, warum Franziskus ein zutiefst politischer Papst ist, obwohl er aus eigener Sicht "nur" das umsetzt, was Jesus fordert. Spannend ist zudem die Frage, was es bedeutet, wenn der Papst auch für die katholische Kirche selbst fordert, in Bezug auf Strukturen, Theologie und Haltungen weiter zu denken als bisher.
Autorenporträt
Erbacher, Jürgen
JÜRGEN ERBACHER, Politikwissenschaftler, Theologe und Journalist, ist Redakteur des ZDF mit dem Schwerpunkt Papst und Vatikan, Theologie und Kirche. Dafür ist er regelmäßig in Rom. Er hat Papst Franziskus auf vielen Reisen begleitet. Bekannt ist er nicht nur durch seine Präsenz im Fernsehen, sondern auch durch mehrere Bücher und seinen erfolgreichen Blog "Papstgeflüster".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.07.2018

Franziskus und seine Prinzipien
Zwei Bücher über die Versuche des Papstes zur Reform der katholischen Kirche

Seit März 2013 steht Papst Franziskus an der Spitze der katholischen Kirche. Als er gewählt wurde, war er nicht allein in Deutschland fast unbekannt. Bis dahin hatte Jorge Mario Bergoglio ja schwerpunktmäßig in seiner Heimat Argentinien gewirkt. Nur halb im Scherz meinte er gleich nach der Wahl, er sei vom Ende der Erde nach Rom gekommen. Um das Programm des ersten Südamerikaners auf dem Stuhle Petri zu verstehen, eignet sich Jürgen Erbachers ebenso konzentrierter wie ausgewogener Überblick überaus gut. Der Journalist, der für das ZDF über den Vatikan berichtet, zieht eine Zwischenbilanz des Pontifikates. Leitend ist ihm dabei die titelgebende Formulierung "weiter denken". Diese ist ob ihrer Doppeldeutigkeit geschickt gewählt. Sie ermöglicht nämlich, die Kontinuität zu vorigen Pontifikaten wahrzunehmen. Vieles bei Franziskus finde sich schon bei seinen Vorgängern. Zum Beispiel habe Paul VI. den Dialog mit allen Menschen guten Willens gesucht und Gesten sorgfältig in Szene gesetzt. Benedikt XVI. seien der konsequente Bezug auf Jesus Christus sowie die "Entweltlichung" der Kirche wichtig gewesen. All das werde von Franziskus aufgenommen, doch eigenständig fortgeführt. Ein besonderes Augenmerk gelte dabei sozialethischen Fragestellungen. Wie Erbacher plausibel darlegt, werde die Individualethik damit nicht unwichtig, wohl aber in einen größeren Zusammenhang gerückt. Mitunter gehe Franziskus allerdings auch über das Bisherige hinaus. Wenn er "Barmherzigkeit" zur neuen Leitkategorie mache, habe das unmittelbar Konsequenzen für Moraltheologie und Kirchenrecht. Zudem solle an die Stelle einer pyramidalen, ganz auf den Vatikan ausgerichteten Kirche eine synodal-dezentralisierte treten. Um den Zusammenhang der verschiedenen Reformideen zu verdeutlichen, benennt Erbacher vier Grundprinzipien des Papstes: Prozesse in Gang zu setzen ist wichtiger als der unmittelbare Erfolg. Die Wirklichkeit ist entscheidender als die Idee. Die Einheit geht dem Konflikt vor. Das Ganze ist dem einzelnen Teil übergeordnet, obgleich Letzteres eigenen Wert besitzt.

Bei aller Sympathie für Franziskus und seinen an diesen Prinzipien orientierten Kurs wird Erbacher keineswegs parteiisch. So verweist er auf den brüsken Führungsstil des Papstes, der selbst Wohlmeinende irritieren kann. Unbeschadet dessen stellt er das enorme Potential des aktuellen Pontifikates heraus, das er als weiteren Schritt zur Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils versteht. Wolle die Kirche relevant bleiben, müsse sie sich verändern.

Eine aufschlussreiche Parallellektüre zu Erbachers Buch stellt ein Band mit Interviews dar, die Óscar Andrés Rodríguez Maradiaga einem italienischen Journalisten gegeben hat. Der 1942 geborene Ordensmann ist nicht nur Erzbischof in seiner Heimat Honduras. Schon bald nach seiner Wahl zum Papst ernannte Franziskus ihn zum Leiter des Kardinalsrates - K9 genannt. Es handelt sich um ein neu geschaffenes exklusives Gremium, das die Restrukturierung der Kirchenleitung vorantreiben soll. Maradiaga kennt Franziskus seit langem, hat auch direkten Zugang zu ihm. Frappierend sind die Parallelen zwischen den beiden Männern in Bezug auf kulturelle Herkunft und religiöse Prägung. Beide entstammen einer Welt, in welcher der Katholizismus lebensbestimmend war. Sie besuchten Schulen der Salesianer Don Boscos, eines der Jugendbildung verpflichteten Ordens, dem Maradiaga beitrat, während Bergolio Jesuit wurde. Beide verbindet zudem das Ereignis des Zweiten Vatikanischen Konzils. Dessen vielfältige Anstöße vor Ort umzusetzen, bemühte sich der Lateinamerikanische Bischofsrat (CELAM). An der letzten Generalkonferenz des Rates, die 2007 in Aparecida stattfand, waren Maradiaga und Bergolio federführend beteiligt.

Was bei der Lektüre des Interviewbandes auffällt, ist die selbstverständliche, unbestrittene Präsenz der Religion in der Öffentlichkeit. Beispielsweise begrüßt Maradiaga eine Initiative kolumbianischer Priester, in einem Einkaufszentrum Beichtstühle aufzubauen. Dadurch würde aus einem Tempel des Konsums ein solcher des Bußsakraments. Leider hat sich der Interviewer aber darauf beschränkt, seinem prominenten Gesprächspartner Stichworte zu liefern. Kritische Rückfragen werden nicht gestellt. Wenn Maradiaga etwa die Meinung vertritt, dass die Jugoslawien-Kriege in den neunziger Jahren auf ökonomische Interessen der Großmächte zurückgehen, dann steht dies der gängigen politischen Analyse deutlich entgegen und hätte einer Klärung bzw. Spezifizierung bedurft. Ihm scheint klar, wie das massenhafte Morden verfeindeter Ethnien zustande kam: "Weil Russland und die Vereinigten Staaten ein Interesse daran haben, diesen Völkern Waffen zu verkaufen. Das Kriegsgerät dient der Kriegswirtschaft und macht so die großen Länder immer reicher, vor allem die Vereinigten Staaten. Deren wirtschaftliche Probleme werden gelöst, weil die Fabriken Maschinen produzieren, die Menschen töten." Überhaupt sieht Maradiaga die Vereinigten Staaten für viele der weltweiten Probleme verantwortlich. Außerdem wendet er sich gegen den "Wildwestkapitalismus", worin er sich mit Franziskus einig weiß. Wortkarg ist der Kardinal hingegen bei Themen wie dem Umgang mit dem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Geistliche oder der Ordnung der vatikanischen Finanzen. Zwar beteuert er, dass alles auf einem guten Weg sei und man etwas mehr Geduld haben müsse. Worauf sich diese Auffassung gründet, bleibt weitgehend offen.

Hält man daneben, was Jürgen Erbacher über beide Themen schreibt, kann man zu einer weniger optimistischen Einschätzung als Maradiaga gelangen. Wie der ZDF-Journalist moniert, fehlen trotz aller Bemühungen bisher greifbare Ergebnisse. Damit ist ein sensibler Punkt berührt. Für eine "Kirche im Aufbruch", wie sie Franziskus vorschwebt, ist die Änderung individueller Haltungen gewiss unabdingbar - bei Klerikern (nicht nur der römischen Kurie) wie bei Laien. Mit seinem unprätentiös wirkenden Auftreten will der Papst da selbst ein Vorbild geben. Mindestens ebenso wichtig ist jedoch die institutionelle Ebene. Franziskus weiß das. Vermutlich wird er nicht alle Reformprojekte vollenden können, aber er will ihren Prozess unumkehrbar machen. Seit seiner Wahl hat er bereits 61 überwiegend nicht europäische Kardinäle ernannt, von denen viele ihm persönlich und sachlich verbunden sind. Sie dürften erheblichen Einfluss nehmen, wenn ein neuer Papst gewählt wird.

BENJAMIN DAHLKE.

Jürgen Erbacher: Weiter Denken. Franziskus als Papst und Politiker. Patmos Verlag, Ostfildern 2018. 172 S., 19,- [Euro].

Kardinal Óscar Andrés Rodríguez Maradiaga: Papst Franziskus und die Kirche von morgen. Revolution im Zeichen des Evangeliums. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2018. 144 S., 16,- [Euro].

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