Tommy, Andy und Steve leben in gut situierten Verhältnissen. Sie sind verheiratet, haben Kinder, sind beliebte Mitglieder im Golfclub und trinken hier und da ein Bierchen miteinander: Wer würde sie nicht für fürsorgliche Familienväter halten? Niemand ahnt etwas von ihrem lukrativen Nebengeschäft; einem Geschäft, das einst von Männern betrieben wurde, die, ebenso wie die drei Freunde, als anständig galten. Alles könnte so reibungslos weiterlaufen wie bisher, denn ihre Ware ist begehrt. Doch als eine Frau aus ihrem Bekanntenkreis tot aufgefunden wird, stößt nicht nur die Polizei auf sie, sondern auch der Privatdetektiv Jackson Brodie. Sein jüngster, völlig harmloser Auftrag führt ihn direkt zu den drei Ehrenmännern - und bald ist Brodie mittendrin in einem Fall um verschwundene junge Frauen und eine Zeugin, die sich nichts sehnlicher wünscht, als endlich ihre schreckliche Vergangenheit hinter sich lassen zu können ...»Die meisterhafte Erzählerin Kate Atkinson hat wieder einen Krimigeschrieben. Mit jedem ihrer Krimis schreibt sie ein detailliertes, realitätsnahes, erdverbundenes Gesellschaftsporträt.« Frankfurter Rundschau
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Rezensentin Sonja Hartl wird mitten hineingezogen in die Schattenwelt, in die Kate Atkinson ihren Ermittler Jackson Brodie im fünften Band ihrer Krimireihe führt: Hinter der Idylle einer nordenglischen Küstenstadt, in der sich Brodie eigentlich zur Ruhe setzen will, lauern Menschenhandel, Kindesmissbrauch und Gewalt. Eine Distanz zum Geschehen wird dem Leser da nicht vergönnt, meint Hartl. Besonders interessant zwischen den vielen Figuren, denen sich der Roman widmet, findet sie die Figur der Crystal: Wie alle Frauen in dem Roman, so Hartl, duldet sie die verbrecherischen Machenschaften ihres Mannes, um den Schein vom Glück aufrechtzuerhalten - die gewaltvolle und kriminelle Welt werde als eine männergemachte akzeptiert, analysiert die Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.05.2021Entführt im Plattenbau
Krimis in Kürze: Groschupf, Atkinson und Jaumann
Vor ziemlich genau zwei Jahren hat Johannes Groschupf ein Buch veröffentlich, das zugleich Kriminal- und Großstadtroman auf der Höhe der Zeit war: "Berlin Prepper". Klar, dass man jetzt mit großen Erwartungen den diese Woche erscheinenden Thriller "Berlin Heat" (Suhrkamp, 256 S., br., 14,95 [Euro]) liest. Derjenige, den man den Helden nennen könnte, ist kein Prepper, sondern Zocker. Tom Lohoff ist Stammkunde in einem Wettbüro an der Potsdamer Straße, er ist beim Paten der Albaner-Mafia hoch verschuldet, und die Wohnungen samt Drogen, Mädchen und anderen Vergnügungen, die er als eine Art gehobener Hausmeister für Berlin-Touristen organisiert, sorgen gerade so für den Cashflow, mit dem das Zocken weitergehen kann. Tom ist definitiv nicht in Topform.
Auch als Ich-Erzähler ist er nur eine mäßig interessante Figur. Das hat Groschupf wohl gemerkt. Da musste also aufgerüstet werden. Nicht nur beim Wetter: Es ist ein heißer Sommer, der erste nach der Pandemie, was die große Gier nach all den Dingen auflodern lässt, die man entbehren musste. Auch beim Personal wird nicht gespart. Toms Vater ist ein ehemaliger DDR-Polizist, der sich etwas zu sehr mit der Stasi eingelassen hatte und jetzt bitter und sehr geschäftstüchtig ist; Romina, die Polizistin mit rumänischen Sinti- oder Roma-Wurzeln, redet übermäßig viel daher und findet großen Gefallen an Tom. Und mitspielen darf auch eine jederzeit wiedererkennbare Rechtspartei, deren Vorsitzender entführt und in einer von Lohoffs Plattenbauwohnungen gefangen gehalten wird.
Groschupf hat einen zügigen, lässigen Stil, der manchmal etwas zu selbstverliebt wirkt, was jedoch ganz gut zu Tom Lohoff passt. Damit ließe sich leben, wenn nicht der ganze Roman in Plot, Figuren und verrückten Einfällen ein bisschen überinstrumentiert wirkte. "Berlin Prepper" war da deutlich fokussierter.
Hart und krass wie bei Groschupf geht es auch in "Weiter Himmel" von Kate Atkinson (Dumont, 480 S., geb., 24,- [Euro]) zu. Aber wir sind in England, an der Ostküste, das Wetter ist schlechter, und natürlich ist es nicht so fiebrig und hip wie in Berlin. Man muss auch Atkinsons Privatdetektiv Jackson Brodie nicht kennen, um in den Roman zu finden. Brodie ist keine dominante Figur, bei der alle Fäden zusammenlaufen. Atkinson erzählt lieber aus verschiedenen Blickwinkeln und setzt die Perspektiven geduldig zum Panoramabild zusammen.
Es geht hier um Mädchenhandel mit jungen Frauen aus Osteuropa oder von den Philippinen. Die Männer, die das Geschäft betreiben, sind Familienväter, spielen Golf, sind Anwalt oder Transportunternehmer und haben eher das Problem, deutlich mehr zu verdienen, als ihr Brotberuf abwirft. Brodie, angeheuert von der Ehefrau eines dieser Männer, macht keine sonderlich überzeugende Figur.
Seine Klientin, Crystal, klassisches trophy wife mit trister Vergangenheit, die sie energisch hinter sich zu lassen beschlossen hat, ist die wahre Heldin dieses Romans, der nicht nur klug komponiert und gut geschrieben ist. Es imponieren vor allem die Empathie und Detailgenauigkeit, die Kate Atkinson jeder Akteurin und jedem Akteur ihres nicht gerade kleinen Ensembles gewidmet hat.
Mit seinem Kunstdetektiv Rupert von Schleewitz hat Bernhard Jaumann eine Nische erschlossen, die dem Verlag wohl ausbaufähig erschien. "Der Turm der blauen Pferde" (F.A.Z. vom 4. März 2019) brachte Freunde der Kunst mit nicht allzu blutdurstigen Freunden des Krimis zusammen. Der diese Woche erscheinende zweite Anlauf heißt "Caravaggios Schatten" (Galiani Berlin, 304 S., br., 15,- [Euro]) und nimmt ein Bild ins Visier, das in der Bildergalerie im Park von Schloss Sanssouci hängt: "Der ungläubige Thomas". Ein Kunstattentäter zückt das Messer, dann wird das Gemälde auf dem Weg zur Restaurierung auch noch gestohlen, und ein Schulfreund Schleewitz' ist der Attentäter.
Das bringt die Münchner Detektei mit ihren beiden verdienten Mitarbeitern ins Spiel, macht Schleewitz verdächtig und führt zurück in seine Internatszeit. Zugleich soll er bei der Rückgabe des Gemäldes, beim Artnapping, einer Variante des Kidnappings, vermitteln. Richtig Fahrt nimmt die Geschichte nie auf. Die Erzählweise ist viel zu behäbig, die Querverbindungen zwischen Bild und Handlung sind recht hölzern konstruiert, und die Motive des Diebstahls inklusive der Aufklärung haben etwas leicht Amateurhaftes. Es muss halt nicht alles gleich in Serie gehen.
PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Krimis in Kürze: Groschupf, Atkinson und Jaumann
Vor ziemlich genau zwei Jahren hat Johannes Groschupf ein Buch veröffentlich, das zugleich Kriminal- und Großstadtroman auf der Höhe der Zeit war: "Berlin Prepper". Klar, dass man jetzt mit großen Erwartungen den diese Woche erscheinenden Thriller "Berlin Heat" (Suhrkamp, 256 S., br., 14,95 [Euro]) liest. Derjenige, den man den Helden nennen könnte, ist kein Prepper, sondern Zocker. Tom Lohoff ist Stammkunde in einem Wettbüro an der Potsdamer Straße, er ist beim Paten der Albaner-Mafia hoch verschuldet, und die Wohnungen samt Drogen, Mädchen und anderen Vergnügungen, die er als eine Art gehobener Hausmeister für Berlin-Touristen organisiert, sorgen gerade so für den Cashflow, mit dem das Zocken weitergehen kann. Tom ist definitiv nicht in Topform.
Auch als Ich-Erzähler ist er nur eine mäßig interessante Figur. Das hat Groschupf wohl gemerkt. Da musste also aufgerüstet werden. Nicht nur beim Wetter: Es ist ein heißer Sommer, der erste nach der Pandemie, was die große Gier nach all den Dingen auflodern lässt, die man entbehren musste. Auch beim Personal wird nicht gespart. Toms Vater ist ein ehemaliger DDR-Polizist, der sich etwas zu sehr mit der Stasi eingelassen hatte und jetzt bitter und sehr geschäftstüchtig ist; Romina, die Polizistin mit rumänischen Sinti- oder Roma-Wurzeln, redet übermäßig viel daher und findet großen Gefallen an Tom. Und mitspielen darf auch eine jederzeit wiedererkennbare Rechtspartei, deren Vorsitzender entführt und in einer von Lohoffs Plattenbauwohnungen gefangen gehalten wird.
Groschupf hat einen zügigen, lässigen Stil, der manchmal etwas zu selbstverliebt wirkt, was jedoch ganz gut zu Tom Lohoff passt. Damit ließe sich leben, wenn nicht der ganze Roman in Plot, Figuren und verrückten Einfällen ein bisschen überinstrumentiert wirkte. "Berlin Prepper" war da deutlich fokussierter.
Hart und krass wie bei Groschupf geht es auch in "Weiter Himmel" von Kate Atkinson (Dumont, 480 S., geb., 24,- [Euro]) zu. Aber wir sind in England, an der Ostküste, das Wetter ist schlechter, und natürlich ist es nicht so fiebrig und hip wie in Berlin. Man muss auch Atkinsons Privatdetektiv Jackson Brodie nicht kennen, um in den Roman zu finden. Brodie ist keine dominante Figur, bei der alle Fäden zusammenlaufen. Atkinson erzählt lieber aus verschiedenen Blickwinkeln und setzt die Perspektiven geduldig zum Panoramabild zusammen.
Es geht hier um Mädchenhandel mit jungen Frauen aus Osteuropa oder von den Philippinen. Die Männer, die das Geschäft betreiben, sind Familienväter, spielen Golf, sind Anwalt oder Transportunternehmer und haben eher das Problem, deutlich mehr zu verdienen, als ihr Brotberuf abwirft. Brodie, angeheuert von der Ehefrau eines dieser Männer, macht keine sonderlich überzeugende Figur.
Seine Klientin, Crystal, klassisches trophy wife mit trister Vergangenheit, die sie energisch hinter sich zu lassen beschlossen hat, ist die wahre Heldin dieses Romans, der nicht nur klug komponiert und gut geschrieben ist. Es imponieren vor allem die Empathie und Detailgenauigkeit, die Kate Atkinson jeder Akteurin und jedem Akteur ihres nicht gerade kleinen Ensembles gewidmet hat.
Mit seinem Kunstdetektiv Rupert von Schleewitz hat Bernhard Jaumann eine Nische erschlossen, die dem Verlag wohl ausbaufähig erschien. "Der Turm der blauen Pferde" (F.A.Z. vom 4. März 2019) brachte Freunde der Kunst mit nicht allzu blutdurstigen Freunden des Krimis zusammen. Der diese Woche erscheinende zweite Anlauf heißt "Caravaggios Schatten" (Galiani Berlin, 304 S., br., 15,- [Euro]) und nimmt ein Bild ins Visier, das in der Bildergalerie im Park von Schloss Sanssouci hängt: "Der ungläubige Thomas". Ein Kunstattentäter zückt das Messer, dann wird das Gemälde auf dem Weg zur Restaurierung auch noch gestohlen, und ein Schulfreund Schleewitz' ist der Attentäter.
Das bringt die Münchner Detektei mit ihren beiden verdienten Mitarbeitern ins Spiel, macht Schleewitz verdächtig und führt zurück in seine Internatszeit. Zugleich soll er bei der Rückgabe des Gemäldes, beim Artnapping, einer Variante des Kidnappings, vermitteln. Richtig Fahrt nimmt die Geschichte nie auf. Die Erzählweise ist viel zu behäbig, die Querverbindungen zwischen Bild und Handlung sind recht hölzern konstruiert, und die Motive des Diebstahls inklusive der Aufklärung haben etwas leicht Amateurhaftes. Es muss halt nicht alles gleich in Serie gehen.
PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Entführt im Plattenbau
Krimis in Kürze: Groschupf, Atkinson und Jaumann
Vor ziemlich genau zwei Jahren hat Johannes Groschupf ein Buch veröffentlich, das zugleich Kriminal- und Großstadtroman auf der Höhe der Zeit war: "Berlin Prepper". Klar, dass man jetzt mit großen Erwartungen den diese Woche erscheinenden Thriller "Berlin Heat" (Suhrkamp, 256 S., br., 14,95 [Euro]) liest. Derjenige, den man den Helden nennen könnte, ist kein Prepper, sondern Zocker. Tom Lohoff ist Stammkunde in einem Wettbüro an der Potsdamer Straße, er ist beim Paten der Albaner-Mafia hoch verschuldet, und die Wohnungen samt Drogen, Mädchen und anderen Vergnügungen, die er als eine Art gehobener Hausmeister für Berlin-Touristen organisiert, sorgen gerade so für den Cashflow, mit dem das Zocken weitergehen kann. Tom ist definitiv nicht in Topform.
Auch als Ich-Erzähler ist er nur eine mäßig interessante Figur. Das hat Groschupf wohl gemerkt. Da musste also aufgerüstet werden. Nicht nur beim Wetter: Es ist ein heißer Sommer, der erste nach der Pandemie, was die große Gier nach all den Dingen auflodern lässt, die man entbehren musste. Auch beim Personal wird nicht gespart. Toms Vater ist ein ehemaliger DDR-Polizist, der sich etwas zu sehr mit der Stasi eingelassen hatte und jetzt bitter und sehr geschäftstüchtig ist; Romina, die Polizistin mit rumänischen Sinti- oder Roma-Wurzeln, redet übermäßig viel daher und findet großen Gefallen an Tom. Und mitspielen darf auch eine jederzeit wiedererkennbare Rechtspartei, deren Vorsitzender entführt und in einer von Lohoffs Plattenbauwohnungen gefangen gehalten wird.
Groschupf hat einen zügigen, lässigen Stil, der manchmal etwas zu selbstverliebt wirkt, was jedoch ganz gut zu Tom Lohoff passt. Damit ließe sich leben, wenn nicht der ganze Roman in Plot, Figuren und verrückten Einfällen ein bisschen überinstrumentiert wirkte. "Berlin Prepper" war da deutlich fokussierter.
Hart und krass wie bei Groschupf geht es auch in "Weiter Himmel" von Kate Atkinson (Dumont, 480 S., geb., 24,- [Euro]) zu. Aber wir sind in England, an der Ostküste, das Wetter ist schlechter, und natürlich ist es nicht so fiebrig und hip wie in Berlin. Man muss auch Atkinsons Privatdetektiv Jackson Brodie nicht kennen, um in den Roman zu finden. Brodie ist keine dominante Figur, bei der alle Fäden zusammenlaufen. Atkinson erzählt lieber aus verschiedenen Blickwinkeln und setzt die Perspektiven geduldig zum Panoramabild zusammen.
Es geht hier um Mädchenhandel mit jungen Frauen aus Osteuropa oder von den Philippinen. Die Männer, die das Geschäft betreiben, sind Familienväter, spielen Golf, sind Anwalt oder Transportunternehmer und haben eher das Problem, deutlich mehr zu verdienen, als ihr Brotberuf abwirft. Brodie, angeheuert von der Ehefrau eines dieser Männer, macht keine sonderlich überzeugende Figur.
Seine Klientin, Crystal, klassisches trophy wife mit trister Vergangenheit, die sie energisch hinter sich zu lassen beschlossen hat, ist die wahre Heldin dieses Romans, der nicht nur klug komponiert und gut geschrieben ist. Es imponieren vor allem die Empathie und Detailgenauigkeit, die Kate Atkinson jeder Akteurin und jedem Akteur ihres nicht gerade kleinen Ensembles gewidmet hat.
Mit seinem Kunstdetektiv Rupert von Schleewitz hat Bernhard Jaumann eine Nische erschlossen, die dem Verlag wohl ausbaufähig erschien. "Der Turm der blauen Pferde" (F.A.Z. vom 4. März 2019) brachte Freunde der Kunst mit nicht allzu blutdurstigen Freunden des Krimis zusammen. Der diese Woche erscheinende zweite Anlauf heißt "Caravaggios Schatten" (Galiani Berlin, 304 S., br., 15,- [Euro]) und nimmt ein Bild ins Visier, das in der Bildergalerie im Park von Schloss Sanssouci hängt: "Der ungläubige Thomas". Ein Kunstattentäter zückt das Messer, dann wird das Gemälde auf dem Weg zur Restaurierung auch noch gestohlen, und ein Schulfreund Schleewitz' ist der Attentäter.
Das bringt die Münchner Detektei mit ihren beiden verdienten Mitarbeitern ins Spiel, macht Schleewitz verdächtig und führt zurück in seine Internatszeit. Zugleich soll er bei der Rückgabe des Gemäldes, beim Artnapping, einer Variante des Kidnappings, vermitteln. Richtig Fahrt nimmt die Geschichte nie auf. Die Erzählweise ist viel zu behäbig, die Querverbindungen zwischen Bild und Handlung sind recht hölzern konstruiert, und die Motive des Diebstahls inklusive der Aufklärung haben etwas leicht Amateurhaftes. Es muss halt nicht alles gleich in Serie gehen.
PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Krimis in Kürze: Groschupf, Atkinson und Jaumann
Vor ziemlich genau zwei Jahren hat Johannes Groschupf ein Buch veröffentlich, das zugleich Kriminal- und Großstadtroman auf der Höhe der Zeit war: "Berlin Prepper". Klar, dass man jetzt mit großen Erwartungen den diese Woche erscheinenden Thriller "Berlin Heat" (Suhrkamp, 256 S., br., 14,95 [Euro]) liest. Derjenige, den man den Helden nennen könnte, ist kein Prepper, sondern Zocker. Tom Lohoff ist Stammkunde in einem Wettbüro an der Potsdamer Straße, er ist beim Paten der Albaner-Mafia hoch verschuldet, und die Wohnungen samt Drogen, Mädchen und anderen Vergnügungen, die er als eine Art gehobener Hausmeister für Berlin-Touristen organisiert, sorgen gerade so für den Cashflow, mit dem das Zocken weitergehen kann. Tom ist definitiv nicht in Topform.
Auch als Ich-Erzähler ist er nur eine mäßig interessante Figur. Das hat Groschupf wohl gemerkt. Da musste also aufgerüstet werden. Nicht nur beim Wetter: Es ist ein heißer Sommer, der erste nach der Pandemie, was die große Gier nach all den Dingen auflodern lässt, die man entbehren musste. Auch beim Personal wird nicht gespart. Toms Vater ist ein ehemaliger DDR-Polizist, der sich etwas zu sehr mit der Stasi eingelassen hatte und jetzt bitter und sehr geschäftstüchtig ist; Romina, die Polizistin mit rumänischen Sinti- oder Roma-Wurzeln, redet übermäßig viel daher und findet großen Gefallen an Tom. Und mitspielen darf auch eine jederzeit wiedererkennbare Rechtspartei, deren Vorsitzender entführt und in einer von Lohoffs Plattenbauwohnungen gefangen gehalten wird.
Groschupf hat einen zügigen, lässigen Stil, der manchmal etwas zu selbstverliebt wirkt, was jedoch ganz gut zu Tom Lohoff passt. Damit ließe sich leben, wenn nicht der ganze Roman in Plot, Figuren und verrückten Einfällen ein bisschen überinstrumentiert wirkte. "Berlin Prepper" war da deutlich fokussierter.
Hart und krass wie bei Groschupf geht es auch in "Weiter Himmel" von Kate Atkinson (Dumont, 480 S., geb., 24,- [Euro]) zu. Aber wir sind in England, an der Ostküste, das Wetter ist schlechter, und natürlich ist es nicht so fiebrig und hip wie in Berlin. Man muss auch Atkinsons Privatdetektiv Jackson Brodie nicht kennen, um in den Roman zu finden. Brodie ist keine dominante Figur, bei der alle Fäden zusammenlaufen. Atkinson erzählt lieber aus verschiedenen Blickwinkeln und setzt die Perspektiven geduldig zum Panoramabild zusammen.
Es geht hier um Mädchenhandel mit jungen Frauen aus Osteuropa oder von den Philippinen. Die Männer, die das Geschäft betreiben, sind Familienväter, spielen Golf, sind Anwalt oder Transportunternehmer und haben eher das Problem, deutlich mehr zu verdienen, als ihr Brotberuf abwirft. Brodie, angeheuert von der Ehefrau eines dieser Männer, macht keine sonderlich überzeugende Figur.
Seine Klientin, Crystal, klassisches trophy wife mit trister Vergangenheit, die sie energisch hinter sich zu lassen beschlossen hat, ist die wahre Heldin dieses Romans, der nicht nur klug komponiert und gut geschrieben ist. Es imponieren vor allem die Empathie und Detailgenauigkeit, die Kate Atkinson jeder Akteurin und jedem Akteur ihres nicht gerade kleinen Ensembles gewidmet hat.
Mit seinem Kunstdetektiv Rupert von Schleewitz hat Bernhard Jaumann eine Nische erschlossen, die dem Verlag wohl ausbaufähig erschien. "Der Turm der blauen Pferde" (F.A.Z. vom 4. März 2019) brachte Freunde der Kunst mit nicht allzu blutdurstigen Freunden des Krimis zusammen. Der diese Woche erscheinende zweite Anlauf heißt "Caravaggios Schatten" (Galiani Berlin, 304 S., br., 15,- [Euro]) und nimmt ein Bild ins Visier, das in der Bildergalerie im Park von Schloss Sanssouci hängt: "Der ungläubige Thomas". Ein Kunstattentäter zückt das Messer, dann wird das Gemälde auf dem Weg zur Restaurierung auch noch gestohlen, und ein Schulfreund Schleewitz' ist der Attentäter.
Das bringt die Münchner Detektei mit ihren beiden verdienten Mitarbeitern ins Spiel, macht Schleewitz verdächtig und führt zurück in seine Internatszeit. Zugleich soll er bei der Rückgabe des Gemäldes, beim Artnapping, einer Variante des Kidnappings, vermitteln. Richtig Fahrt nimmt die Geschichte nie auf. Die Erzählweise ist viel zu behäbig, die Querverbindungen zwischen Bild und Handlung sind recht hölzern konstruiert, und die Motive des Diebstahls inklusive der Aufklärung haben etwas leicht Amateurhaftes. Es muss halt nicht alles gleich in Serie gehen.
PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main