Die Ungleichheitsforschung befasst sich mit Diskrepanzen zwischen Sein und Sollen: zwischen einem weithin anerkannten Gleichheitsideal und einer davon abweichenden sozialen Wirklichkeit. Zumindest implizit geht sie davon aus, dass die (meisten der) von ihr ermittelten Ungleichheiten als sozial problematisch, mithin veränderungsbedürftig gelten müssen. Diese Annahme ist aber nicht selbstverständlich; zum einen, weil sie auf normativen Prämissen beruht, die nicht nur meist unausgewiesen bleiben, sondern mit empirisch-analytischen Forschungsmethoden auch gar nicht ausweisbar sind; zum anderen, weil bereits ein flüchtiger Blick in die einschlägige normative Theoriebildung zeigt, dass die Frage, welche Gleichheiten (vorrangig) anzustreben und welche Ungleichheiten (vorrangig) zu beseitigen sind, hoch umstritten ist. Es gibt nicht die Gleichheit oder die Ungleichheit, sondern es gibt ganz unterschiedliche Gleichheits- und Ungleichheitsdimensionen, und zwischen diesen Dimensionen bestehen nicht nur zahlreiche Querverbindungen, sondern oft genug auch Zielkonflikte, so dass mehr Gleichheit in einer Hinsicht notwendig mehr Ungleichheit in einer anderen Hinsicht bedeuten würde.
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