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Gibt es einen Weg zwischen Realpolitik und Idealpolitik? Eine Weltwirtschaftspolitik zwischen Wohlfahrtsstaat und Kapitalismus pur? Welche Rolle spielen die Religionen in den gegenwärtigen Krisen? Mit der vorliegenden Studie bietet der Theologe Hans Küng eine konkrete Grundorientierung für eine humanere Weltordnung an.

Produktbeschreibung
Gibt es einen Weg zwischen Realpolitik und Idealpolitik? Eine Weltwirtschaftspolitik zwischen Wohlfahrtsstaat und Kapitalismus pur? Welche Rolle spielen die Religionen in den gegenwärtigen Krisen? Mit der vorliegenden Studie bietet der Theologe Hans Küng eine konkrete Grundorientierung für eine humanere Weltordnung an.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.06.1997

Wer will weise Lehren nicht alleweil hören?
Globales Sendungsbewußtsein: Die Welt liegt im argen - Hans Küng weiß Rettung

Nach den Bestsellern "Projekt Weltethos", "Erklärung zum Weltethos" und "Ja zum Weltethos" hat Hans Küng, der Präsident der "Stiftung Weltethos", jetzt ein neues Werk vorgelegt. Es heißt "Weltethos für Weltpolitik und Weltwirtschaft"; behandelt werden aber auch der Weltfrieden, die Weltreligionen, das "Weltchaos", die "Weltgesellschaft", die "Weltgerechtigkeit", die "Weltrepublik", eine "bessere Weltordnung" und eine "ethisch motivierte Weltordnungspolitik", hinter welcher allmählich Küngs Ambitionen auf die Weltherrschaft zum Vorschein kommen.

Denn Küng weiß, was zu tun ist: "Statt einer unstillbaren Gier nach Geld, Prestige und Konsum ist wieder neu der Sinn für Maß und Bescheidenheit zu finden!" Nicht allein in Rechnungssachen soll der Mensch sich Mühe machen, sondern auch der Weisheit Lehren muß man mit Vergnügen hören. Daß dies mit Verstand geschah, war Herr Lehrer Lämpel da, bis Hans Küng die Planstelle übernahm und in Chicago vor das "Parlament der Weltreligionen" trat, um eine "Weltethos-Erklärung" ratifizieren zu lassen.

Auf den trivialen Gedanken, der Menschheit nahezulegen, daß sie sich bessern solle, ist Hans Küng nicht als erster gekommen, aber besser als allen Vorgängern ist es ihm geglückt, Mäzene zu finden, die den schlichten Gedanken unterstützen, und eine steile Spätkarriere als Weltpolitiker ohne Mandat ins Werk zu setzen. Küng reist, Küng fliegt, Küng konsultiert, Küng empfängt und Küng spricht: Über die Welt, denn er kennt sie - und über die Menschheit, denn er möchte sie retten. Und deshalb erteilt er ihr in der "Orientierungskrise an der Jahrtausendwende" den Ratschlag, "die zügellose Gier nach Geld und Glamour, Glanz und Glitter" endlich abzulegen.

100000 Exemplare, teilt der Verlag mit, seien von Küngs Brevier "Projekt Weltethos" in Deutschland bereits verkauft worden; Übersetzungen in zehn Sprachen zeigten die Weltgeltung an, die Küngs Ideengut erlangt habe. Zu seinem eigenen Maßhalte-Appell stehen das globale Sendungsbewußtsein des Autors und die Prahlerei seines Verlags in auffälligem Kontrast. Für den Vorschlag, einen neuen Sinn für Maß und Bescheidenheit zu kultivieren, scheint keiner seiner 100000 deutschen Leser so taub zu sein wie Hans Küng persönlich, der von Symposion zu Symposion eilt, um die Weltgesellschaft auf ein neues Weltethos einzuschwören und zu verkünden, daß wir in einem "epochalen Paradigmenwechsel" lebten, dessen Tragweite niemand so exakt wie er, Hans Küng, erkannt habe.

Kolumbus und Kopernikus sind in die Weltgeschichte eingegangen; mit dem "Projekt Weltethos" eifert Küng ihnen nach. Der Traum, im Gedächtnis der Menschheit als bedeutender Mann fortzuleben, ist verbreitet. In seinem Roman "Rolltreppe oder Die Herkunft der Dinge" hat der US-amerikanische Schriftsteller Nicholson Baker jemanden zu Wort kommen lassen, der aus dem kühnen Knabentraum erwacht ist: "Ich war einer jener Menschen, deren größte Entdeckung wahrscheinlich Kniffe waren, wie man Toilettenartikel aufträgt, wenn man schon angezogen ist. Ich war ein Mann, aber ich war nicht annähernd der großartige Mann, der zu werden ich mir erhofft hatte", berichtet der ernüchterte Erzähler. Von solcher Bescheidenheit ist Hans Küng weit entfernt, obwohl seine donnernd verbreiteten Einsichten in den Lauf der Welt noch viel kümmerlicher sind als die winzigen, vom Erzähler in Bakers Roman entdeckten Deostiftkniffe.

"Menschliche Macht kann gut, wahrhaft menschlich, human angewandt werden: zum Wohl der betroffenen Menschen, ihrer Mit- und Umwelt", führt Küng aus und fügt wohlgemut hinzu: "Menschliche Macht kann auch schlecht, unmenschlich, inhuman eingesetzt werden: zum Schaden der betroffenen Menschen, ihrer Mit- und Umwelt." Darauf wäre man zur Not auch noch ohne Professur für ökumenische Theologie gekommen. Sein Gesetz für die Menschheit präsentiert Küng im Fettdruck: "Jeder Mensch muß menschlich behandelt werden!"

Das ist der Geist, in dem vor mehr als dreißig Jahren auch der große Arnold Hau gesprochen hat: "Ihr dürft nicht euren Mitmenschen eins ins Kreuz schlagen und dann sagen: ,Nicht so gemeint, bitteschön, alles halb so schlimm.'" Hans Küng allerdings meint alles, was er sagt, todernst. Über das Verhalten der Repräsentanten der großen Weltreligionen verfügt er: "Wenn sie Vorurteile, Haß und Feindschaft gegenüber Andersgläubigen schüren, wenn sie Fanatismus predigen oder gar Glaubenskriege initiieren oder legitimieren, verdienen sie die Verurteilung der Menschen und den Verlust ihrer Gefolgschaft." Küng scheint allen Ernstes zu erwarten, daß sich die Feindschaftsschürer fürderhin nach seinen Kanzelworten richten werden - dabei wurden doch sogar die von Arnold Hau erlassenen Gesetze weltweit ignoriert ("So einer seinen Schwestervater mit einem Beil bedroht, so soll man ihm einmal ganz deutlich klarmachen, daß es so nicht geht").

Die Sorge ums Weltganze hat Küng jedoch nicht davon abgehalten, auch die "fade Suppe der Gleichgültigkeit" im deutschen Kulturbetrieb zu verkosten und speziell die zeitgenössische "Literaturszene, wo Fäkalsprache, Zynismus und Hämismus hoffähig geworden sind", zu rügen. Mehr als ein einziges Beispiel aus dem Jahr 1991 zieht Küng, um seine Diagnose zu stützen, allerdings nicht heran, und er führt auch nicht genauer aus, was es mit dem bösartigen "Hämismus" auf sich habe, einer Menschheitsgeißel, die im Duden ebensowenig erwähnt wird wie der "Indifferentismus", den Hans Küng dem "Konsumismus" und dem "Hedonismus" an die Seite stellt.

Mit den literarischen Salons ist auch die Salonfähigkeit verschwunden, ganz zu schweigen von ästhetisch maßgebenden Höfen und der Hoffähigkeit. Küngs Behauptung, ein von ihm persönlich ausgetüfteltes Laster ("Hämismus") sei im Deutschland dieser Tage "hoffähig" geworden, deutet darauf hin, daß er keine Minute Zeit hatte, seine Thesen zu belegen und seine Wortwahl zu überdenken, weil er rasch wieder hinauf mußte, aus dem Tausendsten ins Hundertste und ins Erste, wo ihm, wie er anzunehmen scheint, die ganze Welt zu Füßen liegt und lauscht.

Aber was hat er ihr zu sagen? "Freie Bahn vielleicht nicht nur dem Tüchtigen, sondern auch dem Süchtigen nach Macht, Einfluß, Prestige und Sex? Nein, so weit kann auch größte Toleranz und Liberalität nicht gehen", entscheidet Küng, verrät aber nicht, wo und wie, mit welchen Mitteln und Maßnahmen er sich den Prestige- und Sex-Süchtigen nun eigentlich in den Weg zu stellen plant.

Küng greift nicht ein in den Lauf der Welt; das ist nicht seines Amtes. Er predigt und doziert, und so gedeiht sein Prestige als Prediger und Dozent, und ausschließlich darum geht es ihm. Daß daraus niemals etwas Praktikables für die Menschheit, von der er fortlaufend spricht, resultieren kann, beweisen seine wolkigen Handlungsanweisungen. Wir sollten "traumatische Erinnerungen aufarbeiten" und "stereotype Feindbilder auflösen" sowie "Haß und Destruktivität abbauen", rät Küng, und zwar "auf allen Ebenen" - aber was hülfe es dem Menschen, wenn er das ganze Weltethos für Weltpolitik und Weltwirtschaft gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?

Küng selbst hat es jedenfalls nicht geholfen. Im September 1996 unterzog Robert Spaemann im "Merkur" Küngs hochfliegendes "Projekt Weltethos" einer klugen und genauen Kritik. Im Anmerkungs-Apparat seines neuen Buchs geht Küng darauf ein, doch er setzt den "unbegreiflichen Tiraden", wie er sie nennt, kein einziges Argument entgegen. Statt dessen spekuliert er über "persönliche Hintergründe" des Kritikers Spaemann, bezeichnet ihn als "Wirrgeist", der es nicht verdiene, "ernsthaft widerlegt zu werden", und bescheinigt ihm: "Die moralischen Invektiven und die Diffamierung meines Christenglaubens zeigen einen Grad des Hasses, der mich aus pastoralen Gründen dann auch wieder erschreckt. Was mag ich diesem Mann angetan haben?"

Daß man sein "Projekt Weltethos" auch aus sachlichen Gründen, ohne zu kennen, für töricht und verstiegen halten könne, will Hans Küng nicht in den Kopf. Der Kritiker, der dem Präsidenten der "Stiftung Weltethos" einmal ganz deutlich klarzumachen vermag, daß es so nicht geht und daß er nicht annähernd der große Mann ist, für den er sich hält, muß erst noch geboren werden. GERHARD HENSCHEL

Hans Küng: "Weltethos für Weltpolitik und Weltwirtschaft". Piper Verlag, München, Zürich 1997. 398 S., geb., 39,80 DM.

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