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Es ist höchste Zeit, die Weltgeschichte zu ergänzen: um all ihre vergessenen Heldinnen. Jenseits der üblichen Klischees - die schöne Kleopatra, die grausame Lucrezia Borgia, die mutige Jeanne d`Arc - erzählt dieses Buch von Frauen, die Geschichte machten und die trotzdem kaum jemand kennt: von Sitt-al-Mulk, die in den Wirren des Streits zwischen Schiiten und Sunniten das Amt des Kalifen von Kairo übernahm. Von Malintzin, ohne deren Hilfe die Spanier Mexiko nicht erobert hätten. Von Wu-Zetian, die als "chinesischer Kaiser" dazu beitrug, den Buddhismus in China zu verbreiten. Und von Ada…mehr

Produktbeschreibung
Es ist höchste Zeit, die Weltgeschichte zu ergänzen: um all ihre vergessenen Heldinnen. Jenseits der üblichen Klischees - die schöne Kleopatra, die grausame Lucrezia Borgia, die mutige Jeanne d`Arc - erzählt dieses Buch von Frauen, die Geschichte machten und die trotzdem kaum jemand kennt: von Sitt-al-Mulk, die in den Wirren des Streits zwischen Schiiten und Sunniten das Amt des Kalifen von Kairo übernahm. Von Malintzin, ohne deren Hilfe die Spanier Mexiko nicht erobert hätten. Von Wu-Zetian, die als "chinesischer Kaiser" dazu beitrug, den Buddhismus in China zu verbreiten. Und von Ada Lovelace, die das erste Computerprogramm schrieb und damit nicht nur das digitale Zeitalter einläutete, sondern auch Fragen zur künstlichen Intelligenz stellte.
Autorenporträt
Kerstin Lücker, 1974 geboren, Studium der Musikwissenschaft, Philosophie und Slawistik und Promotion in Musiktheorie. Sie arbeitet freiberuflich als Übersetzerin, Autorin und Redakteurin für verschiedene Verlage und lebt in Berlin. Ute Daenschel wurde 1978 in Göttingen geboren. Sie studierte Germanistik und Geschichte und promovierte über den »Mythos Titanic in Deutschland«. Sie arbeitet als freiberufliche Redakteurin für verschiedene Verlage und lebt mit ihrer Familie in Berlin. Linda Hüetlin, geboren 1997, hat bereits mit Illustrationen in der »Welt« und für den Chelsea Farmers Club auf sich aufmerksam gemacht. Sie lebt in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.04.2017

Frauen haben Geschichte geschrieben
Ute Daenschel und Kerstin Lücker erzählen von den Heldinnen der Jahrtausende

Als Kerstin Lücker und Ute Daenschel an ihren Doktorarbeiten saßen, tauschten sie gelegentlich ihren Computer, schreiben sie in ihrer kurzen Vita am Ende ihres Buchs. Und sie "stellten fest, dass man im Text des anderen freier und unbeschwerter herumschreiben kann". Es gibt vermutlich nicht viele Dissertationsprojekte, in denen von fremder Hand und noch dazu unbeschwert herumgeschrieben worden ist. Und dass zwei Frauen, die ausgerechnet eine Weltgeschichte für Leserinnen schreiben, so konsequent "man" und "anderer" verwenden, statt sich um eine weibliche Form zu bemühen, die in diesem Fall doch frei und unbeschwert hätte herumgeschrieben werden können, ist dann doch ein bisschen erstaunlich.

Ihr Buch ist noch erstaunlicher. Lücker und Daenschel machen sich, ebenfalls geradezu unbeschwert, mit ihrem gemeinsamen Erstling daran, gleich eine ganze "Weltgeschichte für junge Leserinnen" zu schreiben. Ein Vorhaben, das sich im Zeitalter des atomisierten Wissens so rasch niemand zutrauen würde. Ernst Gombrichs "Kurze Weltgeschichte für junge Leser", heute noch faszinierend, ist immerhin gute 80 Jahre alt. Um die Lücken, die fehlenden Puzzleteile, geht es den beiden Autorinnen auf 517 schlanken Seiten, spärlich mit einigen Randvignetten bebildert, optisch aufgelockert nur durch Marginalien mit wichtigen Daten und Fakten in Himmelblau (nicht etwa Rosa). Um jene Frauen also, deren Taten nicht miterinnert oder sogar gelöscht worden sind wie in jenen Pergamenten, die streifenweise da abgeschnitten wurden, wo von den Töchtern Dschinghis Khans, den Mongolenherrscherinnen, berichtet wurde. Angesichts einer neuen Debatte um die Rolle von Frauen, in der heutige junge Leserinnen zwischen "bitch" und "girl" ihre eigene Definition finden müssen und ihre Mütter längst nicht von Gleichberechtigung im Arbeits-, Gesellschafts- und Familienleben ausgehen können, wirkt so ein Vorhaben nur auf den ersten Blick von gestern: Es ist, im Gegenteil, eine höchst aktuelle und nötige Sache.

Lücker und Daenschel wollen nicht nur, sondern auch von Frauen und ihrem Wirken über Jahrtausende hinweg berichten. Sie schreiben also keine radikal feminin umgestülpte, sondern eine erweiterte Geschichte, in kurzen Kapiteln: In Europa und Asien, in Amerika und Australien, von der Antike bis hin zur Gegenwart suchen sie die Spuren der Frauen. Solche, deren Namen man kennt, aber oft vergisst, und solche, die in Europa lebende junge Leserinnen, für die das Buch offenkundig verfasst ist, noch nie gehört haben werden. Manchmal rücken die Autorinnen aber auch forsch Frauen ins Rampenlicht, wo sie es offenbar unbedingt für nötig halten: Indem sie etwa ostentativ die Rolle von Mohammeds Lieblingsfrau betonen oder jene Gräfin Mathilde, zu deren Burg Canossa Heinrichs Gang führte.

Das wäre nicht nötig, ist oft grobschlächtig und deutlich weniger überzeugend als andere Perspektivwechsel und Gewichtungen in fünftausend Jahren Geschichte, wie etwa auf weibliche Autorschaft oder die "Querelle des femmes". Diese sind in der Tat bereichernd, nicht nur für junge Leserinnen, auch für ältere und männliche Leser, die mit dem Band verstaubtes Schulwissen auffrischen können. Dafür ist der himmelblaue Klotz sehr tauglich. Zumal er das Nachdenken extrem fördert - vor allem durch Widerspruch. Nicht nur, weil er so munter zwischen Mythos, religiöser Tradierung und dokumentierten Ereignissen springt, zwischen den Kontinenten sowieso.

Ärgerlicher ist das, was zurechtgebogen, falsch oder unreflektiert wiedergegeben wird. Ob der Name der Pharaonin Hatschepsut nach ihrem Tod aus Steinen nur deshalb wieder herausgemeißelt wurde, weil sie eine Frau war? Auch der "Ketzer" Echnaton wurde aus dem Gedächtnis gelöscht. Die Mumie der Königin Nofretete weist keine Unfallspuren auf - man hat sie nicht gefunden, noch jedenfalls. Und ihre Büste ist auch nicht "in einem Berliner Museum" zu sehen, sondern im Neuen Museum, seit dem Jahr 2009. Die Autorinnen, die immerhin auch Geschichte studiert haben und in Berlin leben, hätten mal vorbeigehen können. Oder auch ein bisschen mehr einschlägige Literatur lesen. Immerhin haben sie ja ein Mammutwerk gestemmt, dem an der einen oder anderen Stelle ein Hinweis gutgetan hätte, dass manches etwas komplizierter ist, als die Autorinnen es darstellen. So schön es ist, Olympe de Gouges, Madame de Staël und andere Heldinnen in einer umfangreichen Weltgeschichte als unentbehrlich beschrieben zu sehen: Wer über Napoleon behauptet, er habe halt Glück gehabt und sei größenwahnsinnig gewesen, der macht es sich dann doch extrem einfach. So einfach brauchen auch ganz junge Leserinnen die Weltgeschichte nicht.

EVA-MARIA MAGEL

Kerstin Lücker und Ute Daenschel: "Weltgeschichte für junge Leserinnen".

Verlag Kein & Aber, Zürich 2017, 517 S., geb. 25,- [Euro]. Ab 12 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.03.2018

Lucy trifft
Calamity Jane
Kerstin Lücker und Ute Daenschel
vergendern die Weltgeschichte
„Männer machen die Geschichte“: Der berüchtigte Ausspruch des Historikers Heinrich von Treitschke steht für eine Geschichtsauffassung, die Macht und Gewalt mit „Größe“ und „Manneskraft“ gleichsetzte und ihren Helden Siegesalleen und Ruhmeshallen errichtete. Zur Zielscheibe des Spotts wurde der Historismus des 19. Jahrhunderts durch Heinrich Heine, der einen reisenden Engländer an Myladys Seite ein Skulpturenkabinett der Kaiser, Könige und Feldherren besichtigen ließ: „Da aber der arme Engländer die Reihe von oben anfing, statt von unten, wie es der Guide de voyageurs voraussetzte, so geriet er in die ergötzlichsten Verwechslungen, die noch komischer wurden, wenn er an eine Frauenstatue kam, die er für einen Mann hielt und umgekehrt.“
Torheit kennt kein Geschlecht, Machtgier auch nicht. Was heute keinem Herrn Treitschke mehr recht sein darf, sollte auch Frau Treitschke nicht billig sein. Ungestraft könnte kein Historiker mehr eine komplette „Weltgeschichte“ als Versammlung „großer Männer“ und ihrer tollkühnen Taten an den Mann oder die Frau bringen. Im machtstaatsfixierten Deutschland hat es zwar lange gedauert, eine auf persönliche Akteure zentrierte Geschichtsschreibung zu überwinden, doch kann nicht „ausgleichende Gerechtigkeit“ dort reklamiert werden, wo ein feministisches Nachholbedürfnis den verblassten Unsinn männlicher Vorgänger wiederaufbereitet – mit umgekehrten Vorzeichen oder unter vertauschten Rollen.
Im Blick auf Marktlücken, wie sie das Genre der „Reiseführer für Frauen“ bereits füllt, und animiert von einem unübertroffenen Klassiker – Ernst H. Gombrichs „Eine kurze (!) Weltgeschichte für junge Leser“ –, haben sich zwei Berliner Hobbyhistorikerinnen arglos gleich eine ganze „Weltgeschichte für junge Leserinnen“ vorgelegt. Den Adressatinnen sei das ansonsten hübsch und gediegen aufgemachte Buch nicht einmal für die Märchenstunde zugemutet. Unerfindlich bleibt auch nach der Lektüre, worin der Gewinn einer Geschichtsschreibung bestehen soll, die in Wiedergutmachung des Unrechts, das historiografisch vernachlässigten, vergessenen, verdrängten Frauengestalten widerfahren ist – als seien männliche Verlierer der Geschichte unter der Hand der Sieger je glimpflicher davongekommen –, beinahe jedem historischen Helden (oder Tyrannen) eine vermeintlich ebenbürtige Heldin (oder Tyrannin) an die Seite stellt. Partnerschaftliche Ergänzung findet Ötzi durch Lucy, Hernán Cortez durch die Mayasklavin Malintzin, Buffalo Bill durch Calamity Jane, Karl Marx durch Mathilde Anneke und Adolf Hitler durch Leni Riefenstahl.
Ehrenrettung wird dem berüchtigten Borgia-Papst Alexander VI. und seiner Tochter Lucrezia zuteil, wohingegen die katholischen Marien, Mary Tudor („Bloody Mary“) und Mary Stuart, ganz schlecht wegkommen, weil die Autorinnen da kritiklos der protestantischen Gräuelpropaganda auf den Leim gehen. Denn Quellenkritik ist ihnen fremd, nichts wird nachgewiesen, alles ist nach Gusto zusammengeschrieben: „Als die Titanic nach ihrer Begegnung mit dem Eisberg im Atlantik versank, hatte Marie Curie bereits zwei Nobelpreise erhalten, einen in Physik und einen in Chemie.“ Anekdote reiht sich an Anekdote, Legende an Legende, Klischee an Klischee („In der DDR fuhren alle einen Trabant.“), und es finden sich nur wenige Figuren – wie die spätmittelalterliche Poetin und Philosophin Christine de Pizan –, über die man mit Gewinn etwas erfährt.
Hingegen häufen sich die Fehler und Halbwahrheiten: Ausgerechnet Isabella von Kastilien, die in ihrer spanischen Reichshälfte Juden und Mauren grausam verfolgen ließ, soll sich über die Blut- und Raffgier der überseeischen Eroberer „entsetzt“ gezeigt haben. Oliver Cromwells Sieg im englischen Bürgerkrieg wird mit der „Glorious Revolution“, die „Boston Tea Party“ mit einer Abstinenzbewegung verwechselt.
Der unerwähnte Genozid an der armenischen Bevölkerung des Osmanischen Reiches wird zum türkischen „Befreiungskrieg gegen Armenien“ verdreht. Und blindlings geglaubt wird dem Wegschauargument, wonach die Nazis ihre Vernichtungslager „meist im Wald versteckt“ hätten. So bieder und betulich, wie dieses Buch daherkommt, fehlt ihm auch jedweder Aufklärungswert für die jungen Leserinnen. Viel ist zwar von Gender und Geschlecht die Rede, an keiner Stelle aber auch nur andeutungsweise von Sexualität – als hätte sie keine Geschichte.
VOLKER BREIDECKER
Die katholischen Marien,
Mary Tudor und Mary Stuart,
kommen ganz schlecht weg
Cromwells Sieg im englischen
Bürgerkrieg wird mit der
„Glorious Revolution“ verwechselt
Kerstin Lücker / Ute Daenschel: Weltgeschichte für junge Leserinnen. Kein & Aber Verlag, Zürich 2017. 517 Seiten, 25 Euro. E-Book 20,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eva-Maria Magel findet den Versuch der Autorinnen Kerstin Lücker und Ute Daenschel respektabel, eine Weltgeschichte für junge Leserinnen mit besonderem Blick auf die weiblichen Protagonisten zu stemmen. Im Zeitalter des atomisierten Wissens sehr mutig, meint sie. Bei genauerem Hinsehen fallen Magel allerdings Mängel auf. Die spärliche Bebilderung etwa, die für die Rezensentin nicht immer nachvollziehbare Gewichtung oder auch Sachfehler und so manche Ungenauigkeit. Davon abgesehen aber hält Magel die Geschichten über Madame de Stael oder die Pharaonin Hatschepsut für so bereichernd wie notwendig.

© Perlentaucher Medien GmbH
Lucy trifft
Calamity Jane

Kerstin Lücker und Ute Daenschel
vergendern die Weltgeschichte

„Männer machen die Geschichte“: Der berüchtigte Ausspruch des Historikers Heinrich von Treitschke steht für eine Geschichtsauffassung, die Macht und Gewalt mit „Größe“ und „Manneskraft“ gleichsetzte und ihren Helden Siegesalleen und Ruhmeshallen errichtete. Zur Zielscheibe des Spotts wurde der Historismus des 19. Jahrhunderts durch Heinrich Heine, der einen reisenden Engländer an Myladys Seite ein Skulpturenkabinett der Kaiser, Könige und Feldherren besichtigen ließ: „Da aber der arme Engländer die Reihe von oben anfing, statt von unten, wie es der Guide de voyageurs voraussetzte, so geriet er in die ergötzlichsten Verwechslungen, die noch komischer wurden, wenn er an eine Frauenstatue kam, die er für einen Mann hielt und umgekehrt.“

Torheit kennt kein Geschlecht, Machtgier auch nicht. Was heute keinem Herrn Treitschke mehr recht sein darf, sollte auch Frau Treitschke nicht billig sein. Ungestraft könnte kein Historiker mehr eine komplette „Weltgeschichte“ als Versammlung „großer Männer“ und ihrer tollkühnen Taten an den Mann oder die Frau bringen. Im machtstaatsfixierten Deutschland hat es zwar lange gedauert, eine auf persönliche Akteure zentrierte Geschichtsschreibung zu überwinden, doch kann nicht „ausgleichende Gerechtigkeit“ dort reklamiert werden, wo ein feministisches Nachholbedürfnis den verblassten Unsinn männlicher Vorgänger wiederaufbereitet – mit umgekehrten Vorzeichen oder unter vertauschten Rollen.

Im Blick auf Marktlücken, wie sie das Genre der „Reiseführer für Frauen“ bereits füllt, und animiert von einem unübertroffenen Klassiker – Ernst H. Gombrichs „Eine kurze (!) Weltgeschichte für junge Leser“ –, haben sich zwei Berliner Hobbyhistorikerinnen arglos gleich eine ganze „Weltgeschichte für junge Leserinnen“ vorgelegt. Den Adressatinnen sei das ansonsten hübsch und gediegen aufgemachte Buch nicht einmal für die Märchenstunde zugemutet. Unerfindlich bleibt auch nach der Lektüre, worin der Gewinn einer Geschichtsschreibung bestehen soll, die in Wiedergutmachung des Unrechts, das historiografisch vernachlässigten, vergessenen, verdrängten Frauengestalten widerfahren ist – als seien männliche Verlierer der Geschichte unter der Hand der Sieger je glimpflicher davongekommen –, beinahe jedem historischen Helden (oder Tyrannen) eine vermeintlich ebenbürtige Heldin (oder Tyrannin) an die Seite stellt. Partnerschaftliche Ergänzung findet Ötzi durch Lucy, Hernán Cortez durch die Mayasklavin Malintzin, Buffalo Bill durch Calamity Jane, Karl Marx durch Mathilde Anneke und Adolf Hitler durch Leni Riefenstahl.

Ehrenrettung wird dem berüchtigten Borgia-Papst Alexander VI. und seiner Tochter Lucrezia zuteil, wohingegen die katholischen Marien, Mary Tudor („Bloody Mary“) und Mary Stuart, ganz schlecht wegkommen, weil die Autorinnen da kritiklos der protestantischen Gräuelpropaganda auf den Leim gehen. Denn Quellenkritik ist ihnen fremd, nichts wird nachgewiesen, alles ist nach Gusto zusammengeschrieben: „Als die Titanic nach ihrer Begegnung mit dem Eisberg im Atlantik versank, hatte Marie Curie bereits zwei Nobelpreise erhalten, einen in Physik und einen in Chemie.“ Anekdote reiht sich an Anekdote, Legende an Legende, Klischee an Klischee („In der DDR fuhren alle einen Trabant.“), und es finden sich nur wenige Figuren – wie die spätmittelalterliche Poetin und Philosophin Christine de Pizan –, über die man mit Gewinn etwas erfährt.

Hingegen häufen sich die Fehler und Halbwahrheiten: Ausgerechnet Isabella von Kastilien, die in ihrer spanischen Reichshälfte Juden und Mauren grausam verfolgen ließ, soll sich über die Blut- und Raffgier der überseeischen Eroberer „entsetzt“ gezeigt haben. Oliver Cromwells Sieg im englischen Bürgerkrieg wird mit der „Glorious Revolution“, die „Boston Tea Party“ mit einer Abstinenzbewegung verwechselt.

Der unerwähnte Genozid an der armenischen Bevölkerung des Osmanischen Reiches wird zum türkischen „Befreiungskrieg gegen Armenien“ verdreht. Und blindlings geglaubt wird dem Wegschauargument, wonach die Nazis ihre Vernichtungslager „meist im Wald versteckt“ hätten. So bieder und betulich, wie dieses Buch daherkommt, fehlt ihm auch jedweder Aufklärungswert für die jungen Leserinnen. Viel ist zwar von Gender und Geschlecht die Rede, an keiner Stelle aber auch nur andeutungsweise von Sexualität – als hätte sie keine Geschichte.

VOLKER BREIDECKER

Die katholischen Marien,
Mary Tudor und Mary Stuart,
kommen ganz schlecht weg

Cromwells Sieg im englischen
Bürgerkrieg wird mit der
„Glorious Revolution“ verwechselt

Kerstin Lücker / Ute Daenschel: Weltgeschichte für junge Leserinnen. Kein & Aber Verlag, Zürich 2017. 517 Seiten, 25 Euro. E-Book 20,99 Euro.

DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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