Jedermann in der Politik und am Intellektuellenstammtisch redet seit Jahren über Weltkultur. Die Arbeiten jenes Soziologen, der die diesem Begriff möglicherweise entsprechende Radikalität am genauesten untersucht hat, sind im deutschsprachigen Raum jedoch beinahe unbekannt und bisher nicht übersetzt. Der vorliegende Band versammelt zum ersten Mal die wichtigsten Arbeiten von John W. Meyer. Trotz nationaler Grenzen und kultureller Unterschiede ist auf der globalen Ebene eine erstaunliche Gleichförmigkeit der Konzepte von Staatlichkeit, Organisation und Individualität zu beobachten. Wie läßt sich dieses Phänomen erklären? Für John W. Meyer stellt die sich entwickelnde Weltgesellschaft allgemeine Handlungsmodelle zur Verfügung, wie sich Staaten, Organisationen und Individuen als zentrale Akteure der Moderne zu verhalten haben, um gesellschaftliche Anerkennung zu finden. Die Modelle sind ebenso wie die Weltgesellschaft selbst in der Kultur der Moderne begründet. Ihre Genese, Strukturmerkmale und Folgen werden theoretisch hergeleitet und empirisch an unterschiedlichen Beispielen (Staatsaufgaben, Bildung, Umweltschutz) aufgezeigt. Damit stellen John W. Meyers Thesen einen originellen Beitrag zur gegenwärtigen Globalisierungsdiskussion dar, der sich von ökonomischen Verengungen und der Vorstellung eines grundlegenden Kulturkonflikts gleichermaßen abgrenzt.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Überall auf der Welt, glaubt John W. Meyer, sehen Universitäten, Versicherungen, Justizapparate und Armeen gleich aus, überall gebe es Ministerien, untergeordnete Behörden und Richter in Roben. Wie kommt's? Weil sich alle Länder auf diese funktionalste und effizienteste Form geeinigt haben? Wie naiv!, meint Meyer in seiner Schrift zum Export westlicher Prinzipien, und Niels Werber kann ihm da nur beipflichten. Die globale Verbreitung westlicher Institutionen und Strukturen folge keiner Zweckrationalität, sondern werde von "unzähligen Agenten" - angeblich interesseunabhängigen NGOs, Wissenschaftler, Experten - durchgeführt, die mitnichten der "best practice" folgen, stellt Werber Meyers Thesen dar. Die ganze westlich geprägte Weltkultur ist eine einzige Fiktion, lernt Werber von Meyer, zu deren Irrtümern offenbar auch der Glaube an die Handlungsmacht von Individuen, Staat und Organisationen gehört.
© Perlentaucher Medien GmbH
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