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Walter Kempowski hat in dieser Sammlung glänzende Prosaminiaturen die Erinnerungsplitter einer Kindheit zusammengetragen. Sie fügen sich zusammen zu der sehr subjektiven Biographie eines Jungen, der in den dreißiger Jahren in einer norddeutschen Kleinstadt aufwächst. In gestochen scharfen Bildern entsteht eine versunkene Welt: der behütete Innenraum einer Familie, die Landschaft eines bürgerlichen Interieurs mit Spielzeug, Mobiliar und Gegenständen, die längst aus unserem Alltagsleben verschwunden sind, mit Sonderlingen, mit Straßenszenen und Begegnungen. Zwischen Geborgenheit und leisen…mehr

Produktbeschreibung
Walter Kempowski hat in dieser Sammlung glänzende Prosaminiaturen die Erinnerungsplitter einer Kindheit zusammengetragen. Sie fügen sich zusammen zu der sehr subjektiven Biographie eines Jungen, der in den dreißiger Jahren in einer norddeutschen Kleinstadt aufwächst. In gestochen scharfen Bildern entsteht eine versunkene Welt: der behütete Innenraum einer Familie, die Landschaft eines bürgerlichen Interieurs mit Spielzeug, Mobiliar und Gegenständen, die längst aus unserem Alltagsleben verschwunden sind, mit Sonderlingen, mit Straßenszenen und Begegnungen. Zwischen Geborgenheit und leisen Verstörungen formt sich ein empfindsames, leicht verletzliches Ich, dessen Spuren der Autor, vergleichbar einem Archäologen, Schicht um Schicht offenlegt.
Autorenporträt
Walter Kempowski wurde am 29. April 1929 als Sohn eines Reeders in Rostock geboren. Er besuchte dort die Oberschule und wurde gegen Ende des Krieges noch eingezogen. 1948 wurde er aus politischen Gründen von einem sowjetischen Militärtribunal zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Nach acht Jahren im Zuchthaus Bautzen wurde Walter Kempowski entlassen. Er studierte in Göttingen Pädagogik und ging als Lehrer aufs Land. Seit Mitte der sechziger Jahre arbeitete Walter Kempowski planmäßig an der auf neun Bände angelegten "Deutschen Chronik", deren Erscheinen er 1971 mit dem Roman "Tadellöser & Wolff" eröffnete und 1984 mit "Herzlich Willkommen" beschloss. Kempowskis "Deutsche Chronik" ist ein in der deutschen Literatur beispielloses Unternehmen, dem der Autor das mit der "Chronik" korrespondierende zehnbändige "Echolot", für das er höchste internationale Anerkennung erntete, folgen ließ.

Walter Kempowski verstarb am 5. Oktober 2007 im Kreise seiner Familie. Er gehört zu den bedeu

tendsten deutschen Autoren der Nachkriegszeit. Seit 30 Jahren erscheint sein umfangreiches Werk im Knaus Verlag.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.01.1996

Blechmüllers Museum
Walter Kempowski liefert Kinderszenen · Von Walter Hinck

Im Roman "Hundstage" von 1988 blickt Walter Kempowski mit Humor, aber auch Melancholie auf die Sonnen- und Schattenseiten des Älterwerdens. Jetzt trägt eine Sammlung von hundert "Kinderszenen" den hochgreifenden Titel "Weltschmerz". Aber vom "Weltschmerz" handelt nur eine Episode (den Jungen überfällt, als seine Eltern fortgegangen sind, beim Anblick einer schwarzen Wetterwand der "Weltschmerz"). Es ist wohl auch in den Kinderszenen Altersmelancholie, die den Autor bewegt.

Über den autobiographischen Bezug auf die Rostocker Kindheit Kempowskis täuscht die erzählerische Er-Form (Sigmund Korbach ist ein Einzelkind) nicht hinweg. Als Bestandteil der autobiographischen Chronik-Folge des Autors ordnen sich die "Kinderszenen" vor "Tadellöser & Wolff" (1971) ein, vor Kempowskis Roman über seine Rostocker Jugendzeit zwischen dem Ende der dreißiger Jahre und dem Ende des Krieges. Mit der atmosphärischen Dichte, mit der in "Tadellöser & Wolff" die bürgerliche Familie erfaßt und in ihren Sprachfloskeln ironisiert wird, wartet das neue Buch nicht auf. Gewiß, Erzählepisoden fügen sich zu Szenen, in denen der Zeit- und Landschaftshintergrund der Kindheit lebendig wird. Und erinnern kann man sich an vieles: Gesang von Mädchen in der Sommernacht und Marschkolonnen in den Straßen der Hafenstadt, Schlittschuhlaufen oder die Fahrt mit dem altmodischen Schlitten und das Staunen über die neuesten "Schlitten", das Phaeton-Auto aus Berlin, Ausflüge aufs Land oder an die Ostsee, die Festwagen des "plattdeutschen Volkstags" oder die Meerschweinchen im Zoo, die sich vergnügt in einem Miniaturdorf aus Bauernhäuschen tummeln - Impressionen wie diese sieht das Kameraauge der Erinnerung scharf. Aber andere Szenen bleiben unterbelichtet.

Grundsätzlich entwickelt Kempowski, was er mitteilen will, an seinen Romanfiguren; er greift als Erzähler selten über deren Bewußtseinshorizont hinaus. Diese Technik kann in Kindheitsberichten mißlich werden; erstaunlicherweise aber spitzt Kempowski sie hier noch einmal zu. So unbestimmt und idyllisch wie hier - Rolle und Name des "Führers" werden betulich umschrieben - pflegten Schulkinder von damals die Wirklichkeit des Hitler-Staates nicht zu erleben.

Mit Genauigkeit dagegen wird der Sammeleifer des Jungen registriert, etwa bei der Vervollständigung des Briefmarkenalbums. Ja, die bekannte archivarische Leidenschaft Kempowskis prägt sich überhaupt den "Kinderszenen" auf. Alle Beschreibungen von Kinderspielzeugen sind in Kursivschrift gesetzt und dadurch hervorgehoben, sie werden zu Verweilstationen im Gang der Erzählung. Eine ganze Kollektion von altem Spielzeug, vermutlich aus Kempowskis Haussammlung, wird vorgeführt: das Hoo-Boo-Hopp-Spiel, der "Blechmüller", das "Kugelspiel", die Dampfmaschine, das "Mikadospiel", der Holzkreisel oder die Blechbahn, auch der Panzer mit Gummiraupen. Kempowskis archivarische Meisterleistung, die Collage "Echolot" (1993), das "kollektive Tagebuch" der Anfangsmonate des Jahres 1943, hat den Leser überwältigt; hier bleibt der Leser in der Distanz des Museumsbesuchers. Immerhin hilft die kleine Welt der Spielzeuge den geschichtlichen Ort einer Kindheit markieren.

Walter Kempowski: "Weltschmerz". Kinderszenen fast zu ernst. Albrecht Knaus Verlag, Berlin 1995. 160 S., geb., 29,80 DM.

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