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Was sollte ein Kind in seinen ersten sieben Lebensjahren erfahren haben, können, wissen? Womit sollte es zumindest in Berührung gekommen sein? Donata Elschenbroich hat über Jahre in einer großangelegten Studie Menschen aller Schichten, jeden Alters und verschiedenster Bildungshintergründe befragt. Ausgangs- und Zielpunkt der vielstimmigen Recherche: eine Wunschliste für "Weltwissen", die lebenspraktische, soziale, motorische Fähigkeiten und Erfahrungen ebenso umgreift wie kognitive und ästhetische Angebote. Nicht um einen Lernzielkatalog, eine Checkliste abzuprüfender Fähigkeiten geht es hier,…mehr

Produktbeschreibung
Was sollte ein Kind in seinen ersten sieben Lebensjahren erfahren haben, können, wissen? Womit sollte es zumindest in Berührung gekommen sein? Donata Elschenbroich hat über Jahre in einer großangelegten Studie Menschen aller Schichten, jeden Alters und verschiedenster Bildungshintergründe befragt. Ausgangs- und Zielpunkt der vielstimmigen Recherche: eine Wunschliste für "Weltwissen", die lebenspraktische, soziale, motorische Fähigkeiten und Erfahrungen ebenso umgreift wie kognitive und ästhetische Angebote. Nicht um einen Lernzielkatalog, eine Checkliste abzuprüfender Fähigkeiten geht es hier, wohl aber um ein Panorama von Bildungserlebnissen, die wir Erwachsenen - Eltern, Erzieher, Nachbarn, Politiker - Kindern in den frühen Jahren schulden. Donata Elschenbroich bietet eine Fülle von Anregungen, wie sich Weltwissen im Alltag für und mit unseren Kindern entwickeln lässt - ein Spiel mit offenem Ende, dessen Gewinner wir alle sind.
Autorenporträt
Donata Elschenbroich, Kulturwissenschaftlerin und Expertin für Bildung in frühen Jahren, arbeitet am Deutschen Jugendinstitut auf dem Gebiet der international vergleichenden Kindheitsforschung. Publikationen, insbesondere zur Kulturgeschichte der Kindheit und zu Kindheit und Erziehung in Japan. Daneben produzierte sie zusammen mit dem Dokumentarfilmer Otto Schweizer mehrere Filme zum Thema "Weltwissen der Siebenjährigen". Donata Elschenbroich hat drei erwachsene Kinder und lebt in Frankfurt am Main.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.08.2001

Pädagogik, um einmal alleine woanders zu übernachten
Oder um wenigstens ein Geheimnis bewahren zu können: Donata Elschenbroich feiert das Weltwissen der Siebenjährigen

Es wird zwar immer das Gegenteil behauptet, wenn sie aufgeregt mit ihren Zuckertüten in der Aula sitzen, aber mit dem Eintritt in die Schule schließen sich vielen Kindern mehr Türen, als ihnen geöffnet werden. Das liegt schon allein an der Zeit, die ab sofort für eigene Forschungen fehlt, aber auch an dem gleichförmigen, im Stundenplan festgezurrten Wissensstoff, der nun vor ihnen aufgehäuft wird - da fällt es schwerer, sich die Sensationen des Alltags auf eigene, schöpferische Weise anzueignen. "Erst war ich der liebe Gott, aber dann haben sie mich in die Schule geschickt, und von da an konnte ich mich nicht mehr um alles kümmern", beschreibt es Peter Kurzeck. Wie er haben viele Schriftsteller den Eintritt in die Schule als eine Lebensphase beschrieben, in der ihnen die Kreativität abhanden kam.

Was ist das für eine Zeit, in der man der liebe Gott ist und sich um alles kümmern kann? Es ist eine Zeit des Expertentums - sei es für Zaubertränke aus allerlei Ingredienzen, die die Küche in Mutters Abwesenheit bietet, sei es für Wolkenformationen, für Dinosaurier oder die unvermeidlichen Pokémon-Figuren. Erwachsene haben einen Beruf, nach dem man sie fragen kann, mit Siebenjährigen kann man sich immer über ihr derzeitiges Fachgebiet unterhalten, sofern man genug davon versteht. In diesem Alter sind Kinder lernbegierig und -fähig wie kaum je noch einmal im Leben, behauptet die Kindheitsexpertin Donata Elschenbroich, die sich in einem anregenden Buch mit diesen jungen Forschern und ihrer Welterkundung beschäftigt.

Sie betritt damit ein von der Wissenschaft erstaunlich vernachlässigtes Feld. Zumindest in Deutschland ist die Pädagogik der frühen Jahre selten ein Thema für Tagungen oder ausführliche Studien. Das gibt der Autorin die Freiheit, an den Punkten mit der Beackerung des Feldes anzufangen, die ihr markant und einträglich erscheinen. Insofern ist "Das Weltwissen der Siebenjährigen" ein recht persönliches Buch, für die Autorin wie für den Leser. Denn jeder wird sich bei der Lektüre an die Zeit erinnern, als er selber der liebe Gott war.

Was ließe sich mit dieser schöpferischen Zeit, in der man vor Selbstvertrauen fast platzt, alles anfangen? Was sollte man mit sieben Jahren wissen und können? Ein Hauptteil des Buches beschäftigt sich mit dieser Frage. Elschenbroich und ihre Mitarbeiter haben sie in 150 Gesprächen mit mehr oder weniger betroffenen Erwachsenen (darunter Eltern, Pädagogen, ein Bischof, ein Unternehmer, ein Arbeitsloser, eine Analphabetin) erörtert. So ist eine lange Liste der unterschiedlichsten Fertigkeiten und Erfahrungen zusammengekommen. Etwa: Schimpfwörter in zwei Sprachen kennen, in einen Bach gefallen sein, ein Geheimnis bewahren können, einen Besuch auf dem Friedhof gemacht, alleine woanders übernachtet, etwas repariert haben. Es empfiehlt sich, vor der Lektüre selbst eine Liste aufzustellen. Im Vergleich erkennt man die eigenen Schwerpunkte, das persönliche Konzept des Zugangs zur Welt, den man einem Kind eröffnen möchte. Denn natürlich geht es hier um Wunschlisten der Erwachsenen, in denen sich die Sehnsucht nach etwas ausdrückt, das sie vermissen und das sie selber beschäftigt.

Über einen ganzheitlich konzipierten Bildungskanon für die Vorschulkinder unserer Zeit nachzudenken, ist mutig. Donata Elschenbroich geht es dabei nicht um eine allgemeingültige Checkliste. Lieber stellt sie Fragen und denkt über die Antworten ihrer Gesprächspartner und Vordenker nach. Ein Kapitel ist Johann Amos Comenius gewidmet, der schon im siebzehnten Jahrhundert einen Wissenskanon für kleine Kinder erstellt hat. Sein Bilderbuch "Orbis Pictus Sensualis" ist von dem Wunsch beseelt, der kindlichen Neugierde auf möglichst vielen Ebenen entgegenzukommen: "Omnia omnes omnina" - alles für alle, auf alle erdenkliche Weise - so lautet das Motto seines großen Welt-Sachbuches von 1658, das die Realien und Lebensformen der Welt, Vertrautes und Fremdes, Dinge, Pflanzen und Tiere versammelt. Elschenbroich möchte ihren Vorschlag einer neuen Kanonbildung im Geiste Comenius' verstanden wissen, der den Kindern viel zutraute. Es wäre interessant, wenn ein Kinderbuchverleger sich von diesen Gedanken anstecken ließe und einen großen "Orbis Pictus" unserer Zeit in Angriff nähme.

Ein solches Projekt setzte voraus, daß die Erwachsenen in der Lage wären, Kindern zugleich einfache und richtige Erklärungen zu geben. Hier tun sich viele Eltern und Pädagogen schwer. Gerade auf dem Gebiet der Naturwissenschaften - wo die Neugierde der Kinder am größten ist - kennen sich viele Erwachsene nicht aus und drücken sich entsprechend. Dabei kann man gar nicht früh genug mit der Sachkunde anfangen, um der Sehnsucht der Kinder nach Welterklärung zu begegnen. Die Autorin läßt hier glaubwürdige Gewährsleute zu Wort kommen; etwa den unermüdlichen Erfinder Arthur Fischer, der weiß, wie wichtig unvergeßliche Erlebnisse für das Lernen sind. Gabriele König, die Leiterin der Fuldaer Kinder-Akademie, versucht, ihren Besuchern genau das zu ermöglichen. Etwas richtig erleben aber kann man nur mit den eigenen fünf Sinnen. Erst wenn beide Hände mitmachen, erfaßt man etwas im eigentlichen Wortsinn.

Es geht Elschenbroich nicht darum, die Schule vorzuverlegen, um die Lernbereitschaft der Kleinen schon früher auszunutzen und ihnen noch mehr Stoff einzutrichtern. Im Gegenteil: Ihr Buch ist ein Plädoyer, die Weltentdeckungsbereitschaft der Vorschulkinder weiter in die Schulzeit und darüber hinaus auszudehnen, sie offen zu halten für alle Gelegenheiten. "Aus verschiedenen Quellen leben lernen" ist denn auch ein Fazit, das sie aus ihrer Recherche für eine Wissens-Liste zieht.

Was das bedeuten kann, erfährt der Leser bei der Lektüre. Denn die Autorin ahmt die Herangehensweise der Siebenjährigen nach, wenn sie sich ihrem Thema mit einer Neugierde nähert, die nach allen Seiten hin offen ist. Neben den Überlegungen zur Liste gibt es ein Kapitel, in dem wir drei Kinder vor und nach ihrem Schuleintritt erleben. Ein Blick in die Frühpädagogik anderer Länder zeigt neue Möglichkeiten und alte Mißstände. "Bildungsminiaturen" machen Vorschläge für einen Alltag mit Kindern, in dem man ihre Sehnsucht nach Wissen wertschätzt und nutzt - nicht zuletzt auch, um selbst intensiver zu leben. Zwar mag man sich hin und wieder ob der Fülle der Vorschläge leicht überfordert fühlen, aber da das Buch nie den besserwisserischen Ton eines Ratgebers anschlägt, läßt man sich weiter anregen und auch ein wenig wachrütteln.

Erörterungen über das Leben von Kindern in unserer Gesellschaft kommen oft wie ein Kapitel aus dem Buch Hiob daher. Als langjährige Mitarbeiterin des Deutschen Jugendinstitutes in München wird auch Donata Elschenbroich um die Probleme wissen, mit denen der Nachwuchs zu kämpfen hat. Für sie ist aber jedes Kind ein Weltverbesserer, dem man diese Eigenschaft nicht austreiben sollte. Statt zu jammern, weckt sie Lust auf das Leben mit Kindern, ja geradezu Neid auf ihr Dasein. Anstelle einer Kritik an der pädagogischen Praxis sagt sie gelegentlich: "Das sollte uns zu denken geben." Und das tut es auch.

MONIKA OSBERGHAUS

Donata Elschenbroich: "Weltwissen der Siebenjährigen". Wie Kinder die Welt entdecken können. Antje Kunstmann Verlag, München 2001. 261 S., geb., 32,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Von der Pädagogik der frühen Jahre, vom kindlichen Wissensdurst, von vergessenen Fähigkeiten, vom Unwissen der Erwachsenen, von der Unfähigkeit der Schule und dergleichen handelt die vorliegende Neuerscheinung: ein Plädoyer fürs kindgerechte Lernen, das nach Meinung der Rezensentin Monika Osberghaus ohne Besserwisserei, wenn auch mit einer fast zu großen Materialfülle daherkommt. Vorbild für die Autorin sei der Wissenskanon eines Johann Amos Comenius, der im 17. Jahrhundert den "Orbis Pictus Sensualis" schrieb, ein universales Weltsachbuch des kindlichen bzw. kindgerechten Wissens. Die Autorin beobachte Kinder vor und nach ihrem Schuleintritt, befrage Erwachsene nach ihren Kindheitserinnerungen und lasse auch Fachleute des Lernens, so den Erfinder Arthur Fischer und die Leiterin der Fuldaer Kinder-Akademie, Gabriele König, zu Worte kommen. Das kindliche Lernprinzip: Lernen durch Begreifen und Erfahren, habe sich die Autorin in ihrem Buch selbst zu eigen gemacht. Fazit: Von Kindern lernen.

© Perlentaucher Medien GmbH
Die Kinder sind unsere Zukunft...
... so heißt es immer wieder. Aber welche Zukunft haben unsere Kinder, wenn sie, wie die PISA-Studie belegt, zu wenig lernen, zu spät mit dem Lernen beginnen? Die Bildungsforscherin Donata Elschenbroich hat von 1996-1999 mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung das Projekt Weltwissen durchgeführt, dessen Ergebnisse jetzt in dem gleichnamigen Buch vorliegen.
Lernen heißt Erfahrungen machen
Was sollen Kinder wissen, wie und womit sollen sie Erfahrungen gemacht haben, bevor sie in die Schule, d.h. in geregelten "Lernbetrieb" eingegliedert werden, fragt Donata Elschenbroich. Und sie hat diese Frage weitergegeben. Rund 150 Menschen jeden Alters, aller Schichten und Bildungshintergründe wurden befragt, dazu haben Pädagogik-Studenten Interviews beigesteuert. Ein Teil dieser Interviews spiegelt die Bildungs-Erwartungen anderer Länder und Kulturen wieder, da auch ausländische Studenten und ihre Verwandten an der Befragung teilnahmen. Donata Elschenbroich hat für ihr Buch eine Auswahl getroffen und kenntnisreich kommentiert. Ergänzt werden die Interviews durch eine historische Einführung in die Geschichte der Vorschul- und Schul-Bildung sowie durch einen Ausblick auf Bildungsstandards und beispielhafte Initiativen in England, Japan, Ungarn und den USA.
Weltwissen der Siebenjährigen ist ein überaus lesenswertes Buch mit zahlreichen Anregungen, die sich im Kindergarten und der Familie leicht umsetzen lassen. Es ist weniger als ein Bildungskanon, sondern eher als ein Beitrag zur Bildungsdebatte zu verstehen und richtet sich an alle, die Verantwortung für unsere Kinder übernommen haben - Eltern, Erzieher, Lehrer und nicht zuletzt die Politiker!
(Birgit Kuhn)

Kindliche Entdeckerfreude nutzen
Zu keiner Zeit seines Lebens lernt der Mensch mehr und leichter als während seiner Kindheit. Die frühe Experimentierlust und die schier unerschöpfliche Neugierde lassen ein Kind der Welt spontan und unbedarft begegnen. Seine Begeisterung für alles, was zu erleben und zu entdecken ist, scheint grenzenlos. Diese Begeisterung gelte es zu nutzen und zu fördern, so Donata Elschenbroichs Aufforderung an alle Eltern.
Was wissen Siebenjährige?
In ihrer langjährigen und breit angelegten Studie stellt sie die Frage, was Siebenjährige wissen können. Und man wundert sich bisweilen über die Ergebnisse: So sollten die Kleinen etwa ein Lied in einer fremden Sprache kennen, vier Vogelstimmen unterscheiden können, etwas repariert oder ein Selbstportrait gemalt haben. Kritiker werfen Elschenbroich vor, einen Bildungskanon für Kinder geschaffen zu haben, der diese zu früh festlege, nach dem Motto : "Das muss ein siebenjähriges Kind wissen." Doch dieser Vorwurf trifft nicht. Elschenbroich geht es vielmehr darum, ein Bewusstsein für die Möglichkeiten der Kinder zu schaffen. Das wird insbesondere durch den Vergleich mit anderen Ländern deutlich. So zeigt sich, dass Kinder in Japan, Italien und Ungarn sehr viel mehr von musikalischen oder künstlerischen Angeboten auf hohem Niveau profitieren. Ein Kind kann Vieles lernen und bereits mit sieben Jahren Vieles wissen, aber man muss es an die Hand nehmen und ihm Anregungen geben, so das Fazit und zugleich die Aufforderung Donata Elschenbroichs. (Henrik Flor, literaturtest.de)

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"In ihrem anregenden, klugen, gefühlvollen Buch geht es nicht um vorschulische Rechenübungen, sondern eher darum, wie Lernen funktioniert - und wie man Lernen zulässt. Nicht als Leistungsanforderung an die Kleinen möchte Donata Elschenbroich denn auch ihr Weltwissen-Buch verstanden haben, sondern als Herausforderung an die Erwachsenen: Was müssen wir unseren Kindern mitgeben auf ihrem ungewissen Weg in die Zukunft?" (U. Frenke, Hannoversche Allgemeine Zeitung)

"Man überlegt, wie man die Endbindungsstationen der Krankenhäusser überreden könnte, jeweils ein Exemplar dieses Buchs in die obligate Tüte mit den Penaten-Pröbchen zu stecken, als Pflegeartikel zur guten Elternschaft." (Susanne Mayer, Die Zeit)