Mahmud Darwisch, die „poetische Stimme des palästinensischen Volkes“, war einer der herausragenden zeitgenössischen Dichter in der arabischen Welt. In Europa werden seine Arbeiten besonders in Frankreich gewürdigt, leider gilt er in Deutschland nach wie vor als Geheimtipp. In seinen Gedichten,
übersetzt in mehr als 20 Sprachen und veröffentlicht u.a. unter den Titeln „Vögel ohne Flügel“,…mehrMahmud Darwisch, die „poetische Stimme des palästinensischen Volkes“, war einer der herausragenden zeitgenössischen Dichter in der arabischen Welt. In Europa werden seine Arbeiten besonders in Frankreich gewürdigt, leider gilt er in Deutschland nach wie vor als Geheimtipp. In seinen Gedichten, übersetzt in mehr als 20 Sprachen und veröffentlicht u.a. unter den Titeln „Vögel ohne Flügel“, „Ölbaumblätter“, „Weniger Rosen“, „Wir haben ein Land aus Worten“ sowie „Belagerungszustand“ setzte sich Mahmud Darwisch immer wieder für eine friedliche Koexistenz palästinensischer Araber und jüdischer Israelis ein.
Zu den internationalen Auszeichnungen, die er für seine Arbeiten erhielt, zählen u.a. der Lenin-Friedenspreis (1983), der Lannan Cultural Freedom Award (2001), der Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis der Stadt Osnabrück (2003 zusammen mit dem jüdisch-israelischen Schriftsteller und Psychologen Dan Bar-On) sowie der Goldene Kranz (2007).
Mahmud Darwisch wurde 1941 in Barwa in der Nähe von Akko (damaliges Britisch-Palästina) geboren. Er starb am 09. August 2008 nach seiner dritten Herzoperation in Houston, USA.
Als Siebenjähriger musste Darwisch mit seiner Familie während des israelischen Unabhängigkeitskrieges in den Libanon flüchten. Mit diesem traumatischen Erlebnis endete seine Kindheit über Nacht.
Darwisch kehrte bald heimlich mit seiner Familie in den neu gegründeten Staat Israel zurück und lebte zunächst in Dayru I-Assud, weil es sein Heimatdorf nicht mehr gab. Die Häuser mussten zwei Kibbuzim weichen. Dazu Darwisch: „Als ich aus dem Libanon zurückkehrte, warnte mich meine Familie davor, den Ort zu besuchen, an dem ich geboren war, wo ich meine Kindheit verbrachte. Wenn ich dort verhaftet worden wäre, hätte man mich in den Libanon abgeschoben. So besuchte ich den Ort erst 1963. Mein Besuch war geheim, weil es verboten war, dieses Gebiet zu betreten. Von dem ganzen Dorf fand ich nur die Moschee wieder, die in einen Stall verwandelt worden war“.
In der Schule lernte Darwisch Hebräisch und las in dieser Sprache die Bibel und die wichtigsten Klassiker der Weltliteratur. 1955 wurde er nach einer Protestaktion gegen israelisches Militär vorübergehend in einem israelischen Gefängnis festgehalten. Nach Beendigung der Oberschule in Nazareth folgten Aufenthalte in Haifa, Moskau, Kairo, Beirut, Tunis, Paris, Amman und schließlich seit 1996 wieder teilweise in Ramallah, wo er 2008 unter großer internationaler Anteilnahme bestattet wurde.
In den letzten Jahren vor seinem Tod wurde es immer stiller um Mahmud Darwisch, der im Khali-Sakakini-Kulturzentrum in Ramallah ein Büro unterhielt. Nach Aussagen von Freunden soll er besonders unter dem Kleinkrieg zwischen Hamas und Fatah gelitten haben. Von außen betrachtet haben Mahmud Darwischs Gedichte nichts bewirkt, die politische Entwicklung im Nahen Osten blieb weit hinter dem zurück, was er sich für sein Volk gewünscht hatte. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb: Darwisch hat die arabische Dichtung vollends revolutioniert, in dem er sich Alltagsbetrachtungen öffnete und dafür eine neue Sprache fand, die es bislang in dieser Form im arabischen Raum nicht gab: politische Aktualität, in biblische Motive und Metaphern gekleidet.
„Nahe der Mauer“
Nahe der Mauer, der Stadtmauer, verbiete ich mir, zuzugeben,
dass ich die gesehen habe, die bald kommen, die bald kommen
um ihre Mauern um eine alte Mauer rings um eine alte Mauer zu bauen.
Und dass ich die gesehen habe, die von hier fortgegangen, von hier fortgegangen sind, nachdem sie ihre Mauern um eine alte Mauer rings um eine alte Mauer gebaut haben.
Nahe der Mauer zeichne ich eine Sternenkette und einen Sternenkreis,
und ich suche nach einer vergangenen Gegenwart oder einer kommenden Gegenwart:
Dürfen wir hier sein ... jetzt? Dürfen wir sein?
Und hier unsere Mauern bauen, hier selbst ... hier um eine alte Mauer?
Ich habe das Gedicht befragt und ihm stiegen Wolken in die Augen.