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Zwei Fraktionen von Umweltschützern liefern sich einen erbitterten Kampf. Schauplatz sind die Channel Islands vor der Südküste von Kalifornien, wo die Umwelt vom Menschen empfindlich gestört wurde. Soll man das Gleichgewicht des Ökosystems mit viel Steuergeldern wiederherstellen - was zwangsläufig die Ausrottung mancher Tierarten bedeutet -, oder soll man um jeden Preis das Töten verhindern? T. C. Boyles furioser, apokalyptischer Roman handelt von der Ausbeutung der Natur durch den Menschen und den katastrophalen Folgen. Boyle hat eines seiner ältesten Themen weiterentwickelt, nie war er so bitter und böse, nie war es ihm so ernst.…mehr

Produktbeschreibung
Zwei Fraktionen von Umweltschützern liefern sich einen erbitterten Kampf. Schauplatz sind die Channel Islands vor der Südküste von Kalifornien, wo die Umwelt vom Menschen empfindlich gestört wurde. Soll man das Gleichgewicht des Ökosystems mit viel Steuergeldern wiederherstellen - was zwangsläufig die Ausrottung mancher Tierarten bedeutet -, oder soll man um jeden Preis das Töten verhindern? T. C. Boyles furioser, apokalyptischer Roman handelt von der Ausbeutung der Natur durch den Menschen und den katastrophalen Folgen. Boyle hat eines seiner ältesten Themen weiterentwickelt, nie war er so bitter und böse, nie war es ihm so ernst.
Autorenporträt
T. Coraghessan Boyle, 1948 in Peekskill, N.Y., geboren, ist der Autor von zahlreichen Romanen und Erzählungen, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Bis 2012 lehrte er Creative Writing an der University of Southern California in Los Angeles. Bei Hanser erschienen zuletzt Das wilde Kind (Erzählung, 2010), Wenn das Schlachten vorbei ist (Roman, 2012), San Miguel (Roman, 2013), die Neuübersetzung von Wassermusik (Roman, 2014), Hart auf hart (Roman, 2015), die Neuübersetzung von Grün ist die Hoffnung (Roman, 2016), Die Terranauten (Roman, 2017), Good Home (Stories, 2018), Das Licht (Roman, 2019), Sind wir nicht Menschen (Stories, 2020), Sprich mit mir (Roman, 2021) sowie Blue Skies (Roman, 2023).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Längst hat sich T. C. Boyle von der Groteske verabschiedet und ist vom "schrillen" Satiriker zum alternativen Großromancier avanciert, meint Rezensent Hans Peter Kunisch. Und so muss er auch in Boyles neuem Roman "Wenn das Schlachten vorbei ist" feststellen, dass den Texten des engagierten Umweltschützers inzwischen der sprühende Witz fehle. Dafür, so Kunisch, überzeuge Boyle nun umso mehr durch die einfühlende Schilderung der psychischen Entwicklungen seiner Figuren, was er in seinem neuen Roman insbesondere am Charakter des eigenwilligen und neurotischen Dave LaJoy beobachtet, einem älteren Pseudo-Hippie, der sich auf fanatische Weise dem Tierschutz auf der Kanalinsel Anacapa verschrieben hat. Jener kämpft hier nämlich gegen die Naturschützerin Alma Boyd Takesu, der er faschistisches Denken vorwirft, da sie Anacapa von der Rattenseuche befreien will und wieder in das einstige Vogelparadies verwandeln möchte und die Tiere somit in "bessere und schlechtere" einteile. Der Kritiker lässt sich von Boyles kuriosen Figuren gern in den Bann ziehen und lobt den Autor als "Chronisten moderner Individualität".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.2012

Ewige Idee im Kampf gegen neues Wissen

Wer nicht töten will, muss auch die Ratten leben lassen: T. C. Boyle hat mit "Wenn das Schlachten vorbei ist" ein hellsichtiges Werk über den Schutz der Umwelt und der Arten geschrieben.

Lang leben die Ratten, stimmt's?" Als diese Worte fallen, sind die Begegnungen und Kämpfe und die daraus folgenden Siege und Niederlagen in T. C. Boyles Roman "Wenn das Schlachten vorbei ist" bereits in einem fortgeschrittenen Stadium angelangt. Wilson Gutierrez, der diese Worte spricht, ist ein Mitarbeiter und Helfer des radikalen Tierschützers Dave LaJoy. Die beiden befinden sich auf Anacapa, einer der nördlichen Santa-Barbara-Inseln in Kalifornien, und sind Teil eines Krieges. Eines Krieges, der um Ratten und - weil er in Amerika spielt - auch mit Vitaminen geführt wird. Dave und Wilson verstreuen wie säende Siedler im rauhen Klima der Insel Vitamintabletten, die die Ratten gegen das Gift, mit dem sie vernichtet werden sollen, immun machen.

Die Ratten haben, seit sie sich als Überlebende eines Schiffbruchs im Santa-Barbara-Kanal Mitte des neunzehnten Jahrhunderts auf Anacapa gerettet hatten, die dort ansässige, ursprüngliche Tierwelt so dezimiert, dass manche seltene Mäuse, Vögel und Eidechsen dem Aussterben nahekamen. Unter der Leitung der für die nationale Naturschutzbehörde arbeitenden Biologin Alma Boyd Takesue sind die Zusammenhänge zwischen dem Rückgang der Vögel und Eidechsen mit der Anwesenheit der Ratten wissenschaftlich eindeutig dokumentiert worden. Deshalb haben sich Alma und die Behörde entschieden, die Ratten mit einer einmaligen, endgültigen Giftaktion auf der Insel auszurotten. Diese Aktion trieb die radikalen Tierschützer um LaJoy auf die Barrikaden und führte zu illegalen Aktionen wie dem Auswerfen von Vitamintabletten.

Man könnte Boyles Roman auf den Kampf des Tierschützers gegen die Biologin verkürzen, aber das wäre ein großer Fehler und zu europäisch-dialektisch gedacht. Boyle hat, wie die besten amerikanischen Schriftsteller immer schon, seine Schwierigkeiten mit der Dialektik. Seine Romane und Stories brechen das Geschehen in der Welt nie auf einen Kampf wie zwischen Herr und Knecht herunter, und sie erzählen auch nie von einer synthetischen Vereinigung. Dazu ist die Welt viel zu heterogen und dazu sind seine Figuren - seien es Menschen oder Klapperschlangen - viel zu eigen, als dass man sie unter einem Gattungs- oder Artnamen totalisieren könnte.

Der Tierschützer LaJoy macht das einmal klar, als er die feingliederigen Finger einer Ratte beschreibt, die er verletzt am Straßenrand gefunden hat. Wer diese Glieder und die hellwachen Augen des Tiers gesehen habe, könne es nicht mehr für gut halten, solche Tiere mit blutverdünnendem Gift innerlich qualvoll verbluten zu lassen. Gegen diese Erfahrung sei jedes wissenschaftliche Kalkül, das Gleichgewichte in Ökosystemen berechnet, um dann das vermeintlich Störende auszurotten, reine Hybris, der Versuch eines Menschen, Gott zu spielen.

Mit der Wissenschaft, die Gott spielt, ist eines der vielen Kraftfelder, die in Boyles Roman zur Entfaltung kommen, benannt. Polarisierte Kommunikationen sind seine Spezialität. Im aktuellen Werk fächert er diese Kommunikationen in unterschiedlichste Richtungen auf und hat keine Angst, sich in den Details zu verlieren. In dem Sinn, in dem Herman Melvilles "Moby Dick" der erste Roman ist, der eine wissenschaftlich exakte Cetologie, eine Wissenschaft der Meeressäuger, entwirft, ist "Wenn das Schlachten vorbei ist" der erste Roman, der eine Biogeographie der Inseln erzählt.

Alma ist eine Spezialistin für die Auswirkungen eingewanderter oder eingeschleppter Arten auf die Populationen nur auf bestimmten Inseln vorkommender Formen. Sie hat auf Guam gearbeitet, einer Insel, die durch die Einführung der Braunen Nachtbaumnatter (Boiga Irregularis) fast vogelleer und damit still geworden ist. In dem "Boiga Irregularis" überschriebenen Kapitel erzählt Boyle die Geschichte dieses Desasters mit erfrischend ironiefreier Genauigkeit. Dabei gelingen ihm Bilder von surrealistischer Schönheit, die die Dichotomie von Kultur und Natur aufheben, ohne sie zu versöhnen. Almas Job auf Guam war es, den Mageninhalt der Baumnattern zu untersuchen. Dabei "stieß sie beim Öffnen der Bauchhöhle einer Schlange auf blasse, zerdrückte Reste von Plastikfolien, in denen rohe Hamburger verpackt waren". Ein andermal "entdeckte sie den blutgetränkten Zylinder eines gebrauchten Tampons". Gegen die Schlangen von Guam ist kein Kraut gewachsen, man wird mit ihnen leben müssen - auch weil sie mit der menschlichen Zivilisation absolut keine Schwierigkeiten haben.

Auf Anacapa, glaubt Alma, ist das anders, dort leben keine Menschen, so dass sich ein ursprünglicher Zustand durch die Vernichtung der Ratten wiederherstellen ließe. Das nun aber bezweifeln die Tierschützer, weil sie an einen solchen ursprünglichen Zustand nicht glauben. Der Ursprung ist für sie so zufällig wie die Ansiedlung der Ratten, und was zufällig entstanden ist, ist weder starr noch determiniert. Es handelt sich bei allem, was existiert, um nicht mehr als eine momentane Stabilität instabiler Kombinationen. Wer vom Ursprung rede, könne auch gleich die Dinosaurier wieder aufleben lassen.

Boyles Kunstgriff besteht darin, dass er die dem Zufall zustimmenden Tierschützer unter einer bestimmten Idee gegen die rechnende und vorhersagende Wissenschaft antreten lässt. Und diese Idee, mit der auch LaJoy seine Taten rechtfertigt, ist einfach: Du sollst nicht töten. Und wer nicht töten soll, muss auch die Ratten leben lassen. Damit wären wir auch an einem der Kerne von Boyles Schreiben überhaupt angekommen. In einer Welt der heterogenen Ansammlungen gibt es nur einen statischen Punkt: Nur Ideen sind endgültig, einzigartig und ewig. "Du sollst nicht töten" ist so eine Idee. Die Wissenschaft hat sie entweder vergessen oder arbeitet ohnehin grundsätzlich ohne Ideen. Das Beweismaterial, das Boyle aufführt, von Tierversuchen bis zur Rattenvernichtung, ist erdrückend, aber natürlich kein totalisierbares Argument gegen die Wissenschaft oder gegen die Natur.

Denn die Natur selbst hält sich ja auch nicht an das Nicht-Tötungsgebot. Der erste Kampf, dem jedes Lebewesen ausgesetzt ist, ist schließlich jener mit den Elementen. Und in diesem Kampf gibt es keine Fairness, und dort wirken auch keine Ideen. Nirgends ist das besser geschildert worden als in den großen Meereserzählungen amerikanischer Schriftsteller wie Richard Henry Dana und Herman Melville. Im Kampf mit den Elementen geht es nicht um das Subjekt oder den Menschen, es geht einzig darum, wie ein Individuum mit dem Element des Wassers zurechtkommt, ob es überlebt - und wenn es überlebt hat, was die Elemente in ihm bewirken. Wie Boyle gleich zu Beginn seines Romans den Kampf einer jungen Frau gegen das Ertrinken schildert, muss den Vergleich mit großen Vorgängern wie Dana und Melville nicht scheuen. Der Kampf mit den Elementen steht für alle Lebewesen immer wieder neu an. Wie er ausgeht, hat nicht nur mit Fitness, sondern ebenso mit Zufall und Glück zu tun. Wobei das Glück in diesem Roman in der Einsicht besteht, dass man der Natur lieber ihren Lauf lassen sollte, als ein ums andere Mal Tötungs- und Berichtigungsmaschinen anzuwerfen.

Es ist schlicht umwerfend, wie Boyle es schafft, diese ewige gute Idee in einem so unsympathischen Charakter daherkommen zu lassen wie dem dreadlocktragenden LaJoy, der sich ausgerechnet als erfolgreicher Geschäftsmann auf die Seite der Idee stellt. Auf der gegenüberliegenden Seite schreitet die wunderbare Alma von einer Ausrottung zur nächsten. Nach den Ratten kommen die Wildschweine auf einer Nachbarinsel dran, Steinadler werden eingefangen und andere Tiere gezüchtet und wieder ausgesetzt. Dennoch scheint der Ursprung doch nie wieder in seinem Gleichgewicht herstellbar zu sein. Aber darauf kommt es wohl selbst für Alma nicht an. Was einst war, hat keinen Sinn und auch kein Sein mehr. Es ist lange vorbei. Antworten sind von dort nicht mehr zu erwarten. Genauer und zugleich literarischer als T. C. Boyle hat das lange keiner mehr beschrieben.

CORD RIECHELMANN

T. C. Boyle: "Wenn das Schlachten vorbei ist". Roman.

Aus dem Amerikanischen von Dirk van Gunsteren. Hanser Verlag, München 2012. 464 S., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"In seinem Roman ,Wenn das Schlachten vorbei ist' entfesselt T.C. Boyle die Dämonen des Naturschutzes. ... Boyle zeigt sich wieder einmal als Meister der psychologischen Detailzeichnung eigenwilliger Charaktere. Überhaupt ist sein jüngster Roman ein Meisterstück des amerikanischen Realismus, der seinen Gehalt so leichthändig in Handlung aufzulösen vermag, das man ihn leicht unterschätzt." Ulrich Baron, Süddeutsche Zeitung, 29.02.2012

"Wer nicht töten will, muss auch die Ratten leben lassen: T.C. Boyle hat mit ,Wenn das Schlachten vorbei ist' ein hellsichtiges Werk über den Schutz der Umwelt und der Arten geschrieben." Cord Riechelmann, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.03.2012

"Auf jeder Seite lesenswerte Satire." Matthias Matussek, Der Spiegel, 05.03.2012

"Boyle schlägt auch diesmal satirische Funken aus seinem Stoff und überzeugt mit Situationskomik und scharfer Personenzeichnung. Und nicht zum ersten Mal keimt der Verdacht: Der größte Schädling auf derErde ist der Mensch." Claus-Ulrich-Bielefeld, Die Welt