Eine Kiste gefüllt mit einem Sammelsurium von alten Postkarten, die alle nur einen Satz tragen „Bitte verzeiht mir“, ist der Fund, den die 30-jährige Schneiderin Cara freilegt auf dem Dachboden ihres Elternhauses, in dem sie lebt und sich um ihren kranken Vater kümmert. Ihre Mutter Annie hat Cara
kaum gekannt, denn die verstarb angeblich schon sehr früh, deshalb weiß Cara auch nicht viel über sie.…mehrEine Kiste gefüllt mit einem Sammelsurium von alten Postkarten, die alle nur einen Satz tragen „Bitte verzeiht mir“, ist der Fund, den die 30-jährige Schneiderin Cara freilegt auf dem Dachboden ihres Elternhauses, in dem sie lebt und sich um ihren kranken Vater kümmert. Ihre Mutter Annie hat Cara kaum gekannt, denn die verstarb angeblich schon sehr früh, deshalb weiß Cara auch nicht viel über sie. Ob die Karten wohl von ihrer Mutter sind, wen kann Cara fragen? Ihr Vater wird ihr nichts mehr sagen können, denn aufgrund von fortgeschrittener Alzheimer lebt er in einer anderen Welt. Doch Cara gibt nicht auf und setzt alle Hebel in Bewegung, mehr über ihre Familie und vor allem über ihre Mutter zu erfahren, und natürlich über die Postkarten, die die so verzweifelte Bitte um Vergebung enthalten…
Imogen Clark hat mit „Wenn deine Zeilen mich berühren“ einen anrührenden Roman vorgelegt, der den Leser mit einem flüssigen und einfühlsamen Erzählstil schnell an sich bindet und ihn die Geschichte hineinleitet. Durch unterschiedliche Handlungsstränge sowie diverse Zeitsprünge über mehrere Jahrzehnte bekommt der Leser einen vielseitigen Eindruck und Einsicht sowohl in die Gedanken- und Gefühlswelt von Cara sowie in das ihrer Mutter Annie und deckt mit Cara gemeinsam Stück für Stück Geheimnisse auf, die lange im Verborgenen ruhten und nun an der Oberfläche sehr schmerzlich sind. Gleichzeitig spiegelt die Autorin das Leben mit Alzheimer wieder und welche Ausmaße diese Krankheit auf alle Beteiligten hat, sei es der Betroffene, der immer mehr in seiner eigenen Welt gefangen ist und seine Erinnerungen vergisst, sei es der Pflegende, der mit der Tatsache zurechtkommen muss, dass ein geliebter Mensch vor seinen Augen zu einem unmündigen Wesen mutiert.
Die Charaktere sind lebendig und vor allem glaubwürdig ausgestaltet und lassen mit ihren individuellen Ecken und Kanten dem Leser genügend Raum, sich in sie hineinzuversetzen und mit ihnen zu fiebern und zu fühlen. Cara ist eine offene und liebevolle Frau, die sich allein aufopfernd um ihren kranken Vater kümmert. Sie ist hilfsbereit und besitzt eine gesunde Neugier, etwas über ihre eigene Familie zu erfahren, bevor ihr Vater gänzlich in seiner eigenen Welt verschwunden ist. Annie ist Caras Mutter, die schon früh von ihrem eigenen Vater körperlich und geistig misshandelt wurde und jahrelang darunter gelitten hat. Ihre Ehe war eine Flucht vor dem Vater, doch am Ende hat auch diese sie nicht glücklich gemacht. Der Leser erlebt bei der Lektüre so manches Wechselbad der Gefühle und leidet regelrecht mit.
„Wenn deine Zeilen mich berühren“ ist ein gefühlvoller Roman um alte Familiengeheimnisse und menschliche Tragödien, das zwar zum Nachdenken anregt, aber nicht viele Überraschungen parat hält. Eingeschränkte Leseempfehlung!