"Wenn der Eisenvogel fliegt und die Reitpferde auf Rädern rollen, wird der Mann aus dem Schneeland seine Heimat verlassen müssen und die buddhistische Lehre wird die Länder des rotwangigen Mannes erreichen."Diese Vision Padmasambhavas, der im späten 8. Jahrhundert den Buddhismus nach Tibet brachte, erfüllte sich 1958, als der Dalai Lama Tibet verlasssen musste und ihm 120.000 seiner Landsleute ins Exil gefolgt sind.Der große Volksaufstand gegen die Chinesen in Lhasa, im Zuge dessen der Dalai Lama nach Indien flüchtete, jährt sich im März 2009 zum fünfzigsten Mal. Wie leben die Tibeter im Exil? Wie hat sich ihre Gesellschaft in Freiheit entwickelt? Der Tibet-Kenner Klemens Ludwig beschreibt den Werdegang der Exilgemeinde anhand beispielhafter Schicksale aus Indien, Nepal und Europa. U. a. mit Tempa Tsering, langjähriger Außenminister und Schwager des Dalai Lama, Kelsang Gyaltsen, Vertreter des Dalai Lama bei der EU; Wangpo Tethong, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees vonTibet.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.04.2009Tibetische Lebensläufe
Klemens Ludwig beschreibt die spirituelle Buntheit des tibetischen Lebens im Exil vor der Folie dessen, was in Tibet seit 1959 geschehen ist. Damals wurde der Dalai Lama von der Invasionsarmee der Chinesen vertrieben. Er sagt zu Beginn des Buches: „Mir liegen der Ausgleich und die Harmonie zwischen den Religionen viel mehr am Herzen als der Übertritt von Nichtbuddhisten zum Buddhismus.” Welcher Religionsführer kann so großzügig sein?
Der Dalai Lama hat neben der theologischen Öffnung des Buddhismus zweifellos noch das Verdienst, erste Spurenelemente von Demokratie in eine fest gemauerte hierarchische Welt einzuführen. In Dharamsala in Nordindien hat seinerzeit der weise Pandit Nehru den Tibetern Asyl gegeben. Zunächst war Nehru noch der Meinung, er könne sich als Führer der Blockfreien Bewegung auf die friedliche Koexistenz mit China verlassen. Als aber die chinesische Armee 1962 Indien überfiel, war diese Illusion geplatzt. Nehru setzte sich für die Flüchtlinge aus Tibet ein, und keine Regierung Indiens hat bis heute in diesem Punkt gewackelt.
Der Autor lässt die Exilanten selbst sprechen. Etwa Tenzin Wangmo Drongshar Frapolli. Eine Tochter aus adeligem Hause, die von der Exilregierung ausersehen war, sich für künftige administrative Aufgaben des autonomen Tibet durch Bildung fitzumachen. Sie kam im August 1962 mit ihren Eltern nach Deutschland. Die Tibeterin erwähnt, wie ihr Leben in zwei Kulturen von der Waldorf-Pädagogik sehr gefördert wurde. Und sie macht die Gefährdung deutlich, der Tibeter und hübsche Tibeterinnen unterliegen, die gerne als Exoten vorgeführt werden.
Interessant auch, wie der Historiker Wangpo Tethong die Sache der Tibeter beschreibt, die in der Schweiz Aufnahme fanden. Was Indien für Asien, ist die Schweiz für Europa, was die positive Grundstimmung dort für Tibeter im Exil angeht. Neben seinem Kampf für ein freies Tibet ist Tethong auch Umweltaktivist und arbeitete einst im Büro der grünen Abgeordneten Petra Kelly und Gert Bastian.
Leider fehlt in dem Buch ein Glossar mit der Erklärung der geistlichen
Titel, der spirituellen und mönchischen Schulen, der buddhistischen Traditionsstränge. RUPERT NEUDECK
KLEMENS LUDWIG: Wenn der Eisenvogel fliegt. Tibeter im Exil. Nymphenburger-Herbig Verlag, München 2008. 208 Seiten, 19,95 Euro.
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Klemens Ludwig beschreibt die spirituelle Buntheit des tibetischen Lebens im Exil vor der Folie dessen, was in Tibet seit 1959 geschehen ist. Damals wurde der Dalai Lama von der Invasionsarmee der Chinesen vertrieben. Er sagt zu Beginn des Buches: „Mir liegen der Ausgleich und die Harmonie zwischen den Religionen viel mehr am Herzen als der Übertritt von Nichtbuddhisten zum Buddhismus.” Welcher Religionsführer kann so großzügig sein?
Der Dalai Lama hat neben der theologischen Öffnung des Buddhismus zweifellos noch das Verdienst, erste Spurenelemente von Demokratie in eine fest gemauerte hierarchische Welt einzuführen. In Dharamsala in Nordindien hat seinerzeit der weise Pandit Nehru den Tibetern Asyl gegeben. Zunächst war Nehru noch der Meinung, er könne sich als Führer der Blockfreien Bewegung auf die friedliche Koexistenz mit China verlassen. Als aber die chinesische Armee 1962 Indien überfiel, war diese Illusion geplatzt. Nehru setzte sich für die Flüchtlinge aus Tibet ein, und keine Regierung Indiens hat bis heute in diesem Punkt gewackelt.
Der Autor lässt die Exilanten selbst sprechen. Etwa Tenzin Wangmo Drongshar Frapolli. Eine Tochter aus adeligem Hause, die von der Exilregierung ausersehen war, sich für künftige administrative Aufgaben des autonomen Tibet durch Bildung fitzumachen. Sie kam im August 1962 mit ihren Eltern nach Deutschland. Die Tibeterin erwähnt, wie ihr Leben in zwei Kulturen von der Waldorf-Pädagogik sehr gefördert wurde. Und sie macht die Gefährdung deutlich, der Tibeter und hübsche Tibeterinnen unterliegen, die gerne als Exoten vorgeführt werden.
Interessant auch, wie der Historiker Wangpo Tethong die Sache der Tibeter beschreibt, die in der Schweiz Aufnahme fanden. Was Indien für Asien, ist die Schweiz für Europa, was die positive Grundstimmung dort für Tibeter im Exil angeht. Neben seinem Kampf für ein freies Tibet ist Tethong auch Umweltaktivist und arbeitete einst im Büro der grünen Abgeordneten Petra Kelly und Gert Bastian.
Leider fehlt in dem Buch ein Glossar mit der Erklärung der geistlichen
Titel, der spirituellen und mönchischen Schulen, der buddhistischen Traditionsstränge. RUPERT NEUDECK
KLEMENS LUDWIG: Wenn der Eisenvogel fliegt. Tibeter im Exil. Nymphenburger-Herbig Verlag, München 2008. 208 Seiten, 19,95 Euro.
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