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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.05.2006

Der Ball ist bunt
Eine Auswahl der besten Fußballbücher für junge Leser

Den Kindern selbst macht es ja nichts aus. Im Gegenteil: Jungen tragen die schwarzen Bücher wie Statussymbole unterm Arm, wenn sie zum Bolzen in den Park gehen. Hat einer nur seine Mutter zum Spielen zur Verfügung, fragt er sie beim Anstoß: "Mama, wer willst du sein: Markus der Unbezwingbare oder Max, der Mann mit dem härtesten Schuß der Welt?" Und Mama, die keine Ahnung hat, wovon er spricht, entscheidet sich seufzend für Max, den Mann mit dem härtesten Schuß der Welt.

"Die wilden Fußballkerle" von Joachim Masannek haben die fußballspielende Jugend klar erobert, mögen die Erwachsenen darüber auch die Nase rümpfen (F.A.Z. vom 16. März). Und sie werden die gewaltig angeschwollenen Kinderbuchtische zum Thema Fußball weiterhin dominieren. Vor allem bei den Titeln für Leser zwischen acht und zwölf Jahren ist keine ernsthafte Konkurrenz zu entdecken. Was an neuen Reihen gegen die "Wilden Fußballkerle" antritt, kann sie weder in puncto Action noch in der Darstellung männlich-markanter Rotzigkeit und - erstaunlicherweise - leider auch nicht literarisch übertrumpfen. Wer also im besten Kickeralter ist und intelligente, witzige Unterhaltung zu diesem Thema sucht, wird nach wie vor die Bücher des verstorbenen Christian Bieniek mögen, etwa die lebhafte, schöne Geschichte "Ein Stürmer zuviel" aus dem Fischer Schatzinsel-Programm oder seine im Arena Verlag erschienenen "Kickerteam"-Bände.

Warum sollte es auch bei den Fußballbüchern anders aussehen als beim Rest der Kinderliteratur? Auch dort ist im Mittelfeld weniger Gutes zu finden als an den Rändern Bilderbuch und Jugendbuch. Verlassen wir also diese mit vielen bemühten oder hohlen Worten gefüllte Lücke und wenden wir uns den Büchern zu, deren Lektüre sich wirklich lohnt, nicht nur zur WM-Begleitung. Da in diesem Sommer alle, wirklich alle Kinder Fußball spielen müssen, ist auch Karlchen mit Begeisterung dabei, der Kaninchenjunge von Rotraut Susanne Berner. Viele kleine Kinder kennen und lieben ihn schon, und sie werden sich freuen, das gesamte Personal aus den bisherigen Büchern in "Karlchen vor, noch ein Tor!" wiederzutreffen.

Am Anfang sind es nur Karlchen und seine Eltern, die auf der Wiese herumkicken, aber dann werden es immer mehr, die Seiten füllen sich immer bunter zu einem echten Bilderbuch-Fußballspiel inklusive Siegesfeier. Rotraut Susanne Berner hat nicht nur ein paar nette running gags eingebaut, sie erklärt auch in einem kurzen Anhang die wichtigsten Fußballregeln so gut, daß Kindergartenkinder sie verstehen und danach tatsächlich mitreden können.

Denn darum geht es ja. Kinder genießen Fußball auch deshalb, weil sie dabei ebenso aufgeregt, kenntnisreich und leidenschaftlich sein können wie die Großen. Hier verschwimmen die Grenzen zwischen Alt und Jung. Zoran Drvenkar und Gregor Tessnow haben diese Tatsache in ihrem rasanten Roman "Wenn die Kugel zur Sonne wird" zu einem fantastischen Motiv verwandelt. Der zehn Jahre alte Kai ist einer alten Nostradamus-Prophezeiung zufolge dazu ausersehen, im Laufe der demnächst beginnenden Weltmeisterschaft ein Unglück zu verhindern. Überdies soll er die luxemburgische Nationalmannschaft mit seinem Opa als "Geheimwaffe" zum Sieg führen, indem er als heimlicher Co-Trainer fungiert. Das klingt kompliziert, und das ist es auch. Aber die Art, wie die beiden jungen Berliner Autoren den Helden und Ich-Erzähler Kai auf sein Ziel zutreiben - selbstironisch, schlagfertig, mal grimmig entschlossen, mal maulend, immer extrem sympathisch -, läßt einen die dreihundert Seiten einfach nur kichernd herunterlesen.

Drvenkar und Tessnow zeigen, daß "Die wilden Fußballkerle" die Männlichkeit im Kinderbuch nicht für sich gepachtet haben. Es geht auch weniger dröhnend, dafür wunderschön albern und in einer direkten, knackigen Sprache. Und wenn statt hohler Sprüche zwischendurch witzige Fußballreportagen die Krimihandlung unterfüttern - um so besser. Allerdings wird dieser höhere Spaß wohl erst geübte Leser richtig begeistern.

Genau wie der packende Torwartroman "Keeper" von Mal Peet, der sich an Jugendliche und junge Erwachsene wendet: Ein Buch der Unruhe über einen Jungen aus den brasilianischen Regenwäldern, der dort, mitten im Dschungel, lernt, daß er ein Keeper ist - und nicht wie alle anderen dazu verdammt, den Urwald weiter zu vernichten. Eine gute Portion magischen Realismus, ganz in der Tradition der südamerikanischen Literatur, hat der Engländer Mal Peet der Geschichte beigegeben, indem er einen legendären, im Wald verschollenen Torwart zu geisterhaftem Leben wiedererweckt und den Jungen trainieren läßt. Dieser verschwommene Torwart-Geist gibt seinem Schüler - und damit dem Leser - eine Menge diesseitige und handfeste, aber auch psychologische Impulse zur Arbeit zwischen den Pfosten. Wer den Werdegang dieses fiktiven Keepers verfolgt hat, wird all die echten in den nächsten Wochen mit anderen Augen ansehen.

Im Leben eines jeden erwachsenen Fußballfans kommt irgendwann der schmerzliche Moment, in dem er feststellt, daß die Profis nun jünger sind als er selbst. Philip Waechters kleiner Fußballheld ist noch weit von diesem Moment entfernt. Trotzdem zeigen uns die Alltagsszenen aus dem Leben dieses hoffnungsvollen jungen Fußballers die Distanz zwischen Traum und Wirklichkeit. Das Lachen liegt hier genau auf dem Treffpunkt von Text und Bild. "Sehr berühmt" will dieser Junge werden. Glücklich ist er schon.

MONIKA OSBERGHAUS

Rotraut Susanne Berner: "Karlchen vor, noch ein Tor!" Hanser Verlag, München 2006. 32 S., geb., 12,90 [Euro]. Ab 4 J.

Zoran Drvenkar / Gregor Tessnow: "Wenn die Kugel zur Sonne wird". Altberliner Verlag, München 2006. 303 S., geb., 14,90 [Euro]. Ab 10 J.

Mal Peet: "Keeper". Aus dem Englischen übersetzt von Eike Schönfeld. Carlsen Verlag, Hamburg 2006. 221 S., 14,- [Euro]. Ab 12 J.

Philip Waechter: "Sehr berühmt". Verlag Beltz & Gelberg, Weinheim 2006. 64 S., geb., 9,90 [Euro]. Für jedes Alter.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Einfach nur kichernd" hat Rezensentin Monika Osberghaus nach eigenem Bekunden die 300 Seiten dieses Buchs gelesen, in dem Zoran Drvenkar und Gregor Tessnow eine etwas komplizierte Geschichte erzählen - es geht um Nostradamus, die luxemburgische Nationalmannschaft und einen Opa als Geheimwaffe. Aber dies, versichert Osberghaus, tun die Autoren so geschickt und sympathisch, dass zumindest sie nie die Lust verlor, dem Geschehen zu folgen. Dankbar nimmt sie auch auf, dass die Autoren Drvenkar und Tessnow beweisen, dass man durchaus das Bedürfnis nach Markanz und Männlichkeit im Kinderbuch erfüllen kann, ohne so laut wie die "Wilden Fußballkerle" daherzukommen. Nämlich "knackig" und "wunderschön albern".

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