Produktdetails
- Verlag: Edition Epoca
- Seitenzahl: 206
- Deutsch
- Abmessung: 195mm
- Gewicht: 310g
- ISBN-13: 9783905513196
- ISBN-10: 3905513196
- Artikelnr.: 25619174
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.10.2000 Lesetipp zum Wochenende
Tote tanzen lustig
Gilbert Adair und die Postmoderne
Schwarze Schafe oder eineiige Zwillinge sind verdächtig. Nicht als solche, aber als strategische Signale, wie sie zum Beispiel Agatha Christie in ihren Romanen setzt: „Jedenfalls unterzieht der Leser, mag der vorliegende literarische Gehalt auch noch so trivial sein, den Roman unzweifelhaft einer antiillusionistischen und somit kritischen Lektüre . . . Wie gewisse Romane der literarischen Moderne, mit denen sie sonst keinerlei Ähnlichkeit haben, strotzen Christies Krimis von auktorialen Andeutungen, die dem Leser zu bedenken geben, dass das vorliegende Buch ein reines Kunstprodukt ist. ” (Ähnliche augenzwinkernde Komplotte zwischen Autor und Leser kennen auch alte Karl-May- und junge Mankell-Süchtige. )
Gilbert Adair ist ein Ketzer. Es bereitet ihm ein ansteckendes Vergnügen, im Schmöker das Kalkül, im Prätentiösen das Platte, im Einfachen das Komplexe aufzudecken: so vergleicht er die erste Viertelstunde eines Shakespeare-Dramas mit dem konfusen Smalltalk einer steifen Abendgesellschaft oder das „Guinness Buch der Rekorde” mit der Bibel. Und glückliche Menschen in Disneyland, das sei „ein recht ergreifendes Schauspiel, über das ich einfach nicht spotten kann”.
„Wenn die Postmoderne zweimal klingelt” – die kalauernde Anspielung auf James Mallahan Cains Thriller, dessen E-Vorbilder und U-Nachfolger sowie dessen Verfilmung und deren Remake, ist bereits Programm. Ebenso wie das Motto aus der Hochliteratur, das der Autor dem Titelessay voranstellt: Gilbert Adair liefert eine belesene und belustigte Kritik der „Moderne post mortem”, wie er „the Zeitgeist” lautspielerisch definiert: „Als die Moderne in einer Reihe zusehends marginalisierter avantgardistischer Zuckungen langsam zum Erliegen kam . . ., bedurfte es eines Notausgangs aus der Sackgasse. Und dieser fand sich in der wissenden Rekonstruktion der Vergangenheit durch jene Künstler, die . . . Strategien einer früheren Generation sowohl parodierten als auch wiederbelebten und ein zweites Mal fruchtbar machten (und so die Postmoderne, wenn man so will, zweimal klingeln ließen), indem sie die Strategien in ironische, aber nicht ausschließlich ironische Anführungszeichen setzten. ” Ein Zitat, dessen Begrifflichkeit verdecken mag, dass Adair auch in seinen Essays ein frappierender Erzähler ist.
Doch man kann den Titelessay auch als Abspann lesen. Wenn Adair methodisch „einen Schritt nach vorn, zwei zur Seite, zwei Schritte nach vorn, einen zur Seite” macht, vom Bild zum Begriff tanzt, von der Analyse zur Anekdote springt, dann darf der Leser das auch. Mit Entschlossenheit liefert Adair Beiträge zu einer „vergleichenden Geschichte des Banausentums”, aber er holt die Kunstbetriebswirte wie -gäste, die Benetton-Katholiken, die Event-Fanatiker, die wir sind, ohne Häme da ab, wo sie stehen und gähnen: „Immer weniger Hindernisse versperren uns den Weg, und so bewegen wir uns allesamt als Touristen und nicht mehr als Reisende oder gar Forscher durch die Weiten der zeitgenössischen Kulturlandschaft. Kultur ist im Kern etwas, was wir annehmen, nicht länger etwas, von dem wir glauben, wir müssten uns ihm hingeben. Doch in der Kultur gilt dasselbe wie in der Moral: Geben ist seliger denn nehmen. ”
Beispiele für ein solches Geben finden sich da, wo er seiner Übersetzung von Perecs Roman ohne E nachsinnt, wo er den Unterschied zwischen Live und Leben, Autoren und auteurs, Kultur und Natur, Relevanz und Arroganz reklamiert. Wo er der Langeweile ein Lob singt: „In der Kunst (ist) gewöhnlich geringe Nachsicht gegenüber der Langeweile das erste Zeichen von Banausentum. ” Und dem Schweigen das Wort redet: „Ich empfehle Ohrpfropfen . . . auch zur Bewältigung des Tages – Ohrpfropfen als beruhigender Walkman des Schweigens. ”
HERMANN WALLMANN
GILBERT ADAIR: Wenn die Postmoderne zweimal klingelt. Variationen ohne Thema. Aus dem Englischen von Thomas Schlachter. Edition Epoca, Zürich 2000. 207 Seiten, 39,50 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Tote tanzen lustig
Gilbert Adair und die Postmoderne
Schwarze Schafe oder eineiige Zwillinge sind verdächtig. Nicht als solche, aber als strategische Signale, wie sie zum Beispiel Agatha Christie in ihren Romanen setzt: „Jedenfalls unterzieht der Leser, mag der vorliegende literarische Gehalt auch noch so trivial sein, den Roman unzweifelhaft einer antiillusionistischen und somit kritischen Lektüre . . . Wie gewisse Romane der literarischen Moderne, mit denen sie sonst keinerlei Ähnlichkeit haben, strotzen Christies Krimis von auktorialen Andeutungen, die dem Leser zu bedenken geben, dass das vorliegende Buch ein reines Kunstprodukt ist. ” (Ähnliche augenzwinkernde Komplotte zwischen Autor und Leser kennen auch alte Karl-May- und junge Mankell-Süchtige. )
Gilbert Adair ist ein Ketzer. Es bereitet ihm ein ansteckendes Vergnügen, im Schmöker das Kalkül, im Prätentiösen das Platte, im Einfachen das Komplexe aufzudecken: so vergleicht er die erste Viertelstunde eines Shakespeare-Dramas mit dem konfusen Smalltalk einer steifen Abendgesellschaft oder das „Guinness Buch der Rekorde” mit der Bibel. Und glückliche Menschen in Disneyland, das sei „ein recht ergreifendes Schauspiel, über das ich einfach nicht spotten kann”.
„Wenn die Postmoderne zweimal klingelt” – die kalauernde Anspielung auf James Mallahan Cains Thriller, dessen E-Vorbilder und U-Nachfolger sowie dessen Verfilmung und deren Remake, ist bereits Programm. Ebenso wie das Motto aus der Hochliteratur, das der Autor dem Titelessay voranstellt: Gilbert Adair liefert eine belesene und belustigte Kritik der „Moderne post mortem”, wie er „the Zeitgeist” lautspielerisch definiert: „Als die Moderne in einer Reihe zusehends marginalisierter avantgardistischer Zuckungen langsam zum Erliegen kam . . ., bedurfte es eines Notausgangs aus der Sackgasse. Und dieser fand sich in der wissenden Rekonstruktion der Vergangenheit durch jene Künstler, die . . . Strategien einer früheren Generation sowohl parodierten als auch wiederbelebten und ein zweites Mal fruchtbar machten (und so die Postmoderne, wenn man so will, zweimal klingeln ließen), indem sie die Strategien in ironische, aber nicht ausschließlich ironische Anführungszeichen setzten. ” Ein Zitat, dessen Begrifflichkeit verdecken mag, dass Adair auch in seinen Essays ein frappierender Erzähler ist.
Doch man kann den Titelessay auch als Abspann lesen. Wenn Adair methodisch „einen Schritt nach vorn, zwei zur Seite, zwei Schritte nach vorn, einen zur Seite” macht, vom Bild zum Begriff tanzt, von der Analyse zur Anekdote springt, dann darf der Leser das auch. Mit Entschlossenheit liefert Adair Beiträge zu einer „vergleichenden Geschichte des Banausentums”, aber er holt die Kunstbetriebswirte wie -gäste, die Benetton-Katholiken, die Event-Fanatiker, die wir sind, ohne Häme da ab, wo sie stehen und gähnen: „Immer weniger Hindernisse versperren uns den Weg, und so bewegen wir uns allesamt als Touristen und nicht mehr als Reisende oder gar Forscher durch die Weiten der zeitgenössischen Kulturlandschaft. Kultur ist im Kern etwas, was wir annehmen, nicht länger etwas, von dem wir glauben, wir müssten uns ihm hingeben. Doch in der Kultur gilt dasselbe wie in der Moral: Geben ist seliger denn nehmen. ”
Beispiele für ein solches Geben finden sich da, wo er seiner Übersetzung von Perecs Roman ohne E nachsinnt, wo er den Unterschied zwischen Live und Leben, Autoren und auteurs, Kultur und Natur, Relevanz und Arroganz reklamiert. Wo er der Langeweile ein Lob singt: „In der Kunst (ist) gewöhnlich geringe Nachsicht gegenüber der Langeweile das erste Zeichen von Banausentum. ” Und dem Schweigen das Wort redet: „Ich empfehle Ohrpfropfen . . . auch zur Bewältigung des Tages – Ohrpfropfen als beruhigender Walkman des Schweigens. ”
HERMANN WALLMANN
GILBERT ADAIR: Wenn die Postmoderne zweimal klingelt. Variationen ohne Thema. Aus dem Englischen von Thomas Schlachter. Edition Epoca, Zürich 2000. 207 Seiten, 39,50 Mark.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.02.2001Im Reich der seligen Rekorde
Gilbert Adairs Variationen über die Postmoderne
Was die Bibel mit dem Guinness-Buch der Rekorde verbindet, ist eine durchaus interessante Frage, denn sie gibt nicht nur Aufschluß über das Erfolgsrezept der wirklich großen Welt-Bestseller, sondern regt zugleich zum Nachdenken über zeitgemäße Wunder an. Ganz wie die Bücher der Heiligen Schrift erzählt nämlich auch das Guinness-Buch von Katastrophen unvorstellbaren Ausmaßes: Es berichtet von Erdbeben und Überschwemmungen, kündet von duldsam Leidenden (wie jenem amerikanischen Parkaufseher, der nicht weniger als siebenmal vom Blitz getroffen wurde) und selig Triumphierenden (wie den Rekordhaltern im Dauerduschen, Pfahlsitzen, Massenküssen, Golfballbalancieren und was dergleichen Prüfungen mehr sind). So bietet es modernen Lesern eine wahre Chronik der Welt und all des Wunderbaren, das sich in ihr ereignet hat.
Wie Gilbert Adair schlüssig nachweist, gehört es zum Wesen des Übernatürlichen, daß es am wirkungsvollsten dann ist, wenn es vom Natürlichen sanktioniert wird. Guinness-Buch und Bibel stimmen darin überein, daß sie uns in dieser Weise Wege aus dem grauen Alltag weisen: Das Reich der seligen Rekorde ist auf Erden zu erlangen.
Diese Einsicht gehört zu den interessanteren, die wir Adairs neuem Buch entnehmen können. "Wenn die Postmoderne zweimal klingelt" bietet eine Auswahl an Kurzprosa, zumeist Glossen und Kolumnen der Jahre 1986 bis 1997, die der Londoner Autor und Journalist aus seiner umfangreichen Produktion für eine deutschsprachige Ausgabe zusammengestellt hat. In bunter Folge lesen wir hier über Agatha Christie, Ellis Island, den Tod des Autors, Konzeptkunst, transtextuelle Texte, Derrida, den Untergang der Titanic, die Lust des Rauchens, postmoderne Theorie und was sich sonst noch alles auf drei bis fünf Seiten zu einer pointierten Plauderei gebrauchen läßt. Das gemeinsame Programm dieser vermischten Betrachtungen erklärt eingangs der Titelessay, der einzig längere Text der Sammlung: Es gelte, der zeitgenössischen Kultur, ob sie nun erhaben oder schlicht sei, Sinn und Bedeutung abzugewinnen.
Dieser Vorsatz folgt aus Adairs zeitkritischer Diagnose. "Unsere Zeit", so verkündet er in etwas angestrengtem Tonfall, sei "eine Zeit der Verschanzung anstatt des Experiments, der ebenso konsumtiven wie kreativen Besitzstandwahrung" und neige dazu, "all ihre verfügbaren Ressourcen, ihre bereits festgelegten Koordinaten praktisch bis zum Bersten zu dehnen, anstatt neue formale Maßstäbe zu setzen, durch die sich unser Blick auf die Welt möglicherweise neu bestimmen und beleben ließe". Wer jetzt noch Fragen hat, mag weiterlesen und seinen Blick in der beschriebenen Weise erweitern und beleben lassen. Doch bei aller Emphase, mit der Adair hier gegen kulturelle Stagnation und Saturiertheiten zu Felde zieht, bei der Lektüre seiner Essays zeigt sich bald, daß diese ihrerseits oftmals veraltet sind. Wen interessiert heute noch Londoner Kolumnenklatsch gegen postmoderne Kunst der achtziger Jahre, und wer will Glossen über den Titanic-Mythos lesen, ohne dabei über Camerons Filmepos nachzudenken?
So wirkt Adairs zeitkritischer Affekt zuweilen unfreiwillig komisch, während den gezielten Pointen durch Fußnoten nachgeholfen werden muß. Keine Frage, Gilbert Adair ist ein belesener Kultur-Connaisseur und dazu ein Autor, der sein Handwerk beherrscht. Seine erfolgreichen Romane, wie zuletzt "Blindband", vor zwei Jahren auf deutsch erschienen, sind perfekt inszenierte Verwirrspiele und Vexierbilder, die allen Lesern höchst spannende und intelligente Unterhaltung bieten. Sein kleiner Essayband hingegen zeigt nur, was vom Schreiben übrigblieb. Darunter findet sich wohl manches Lesenswerte, doch oft kann auch eins seiner allfälligen Barthes-, Benjamin-, Eco- oder Baudrillard-Zitate die schlichteren Einfälle kaum für die Nachwelt retten. Und somit kommen wir am Schluß zur Einsicht: Wenn die Postmoderne hier zum dritten Male klingelt, dürfen wir sie getrost draußen stehenlassen.
TOBIAS DÖRING
Gilbert Adair: "Wenn die Postmoderne zweimal klingelt". Variationen ohne Thema. Aus dem Englischen übersetzt von Thomas Schlachter. Edition Epoca, Zürich 2000. 207 S., geb., 39,50 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gilbert Adairs Variationen über die Postmoderne
Was die Bibel mit dem Guinness-Buch der Rekorde verbindet, ist eine durchaus interessante Frage, denn sie gibt nicht nur Aufschluß über das Erfolgsrezept der wirklich großen Welt-Bestseller, sondern regt zugleich zum Nachdenken über zeitgemäße Wunder an. Ganz wie die Bücher der Heiligen Schrift erzählt nämlich auch das Guinness-Buch von Katastrophen unvorstellbaren Ausmaßes: Es berichtet von Erdbeben und Überschwemmungen, kündet von duldsam Leidenden (wie jenem amerikanischen Parkaufseher, der nicht weniger als siebenmal vom Blitz getroffen wurde) und selig Triumphierenden (wie den Rekordhaltern im Dauerduschen, Pfahlsitzen, Massenküssen, Golfballbalancieren und was dergleichen Prüfungen mehr sind). So bietet es modernen Lesern eine wahre Chronik der Welt und all des Wunderbaren, das sich in ihr ereignet hat.
Wie Gilbert Adair schlüssig nachweist, gehört es zum Wesen des Übernatürlichen, daß es am wirkungsvollsten dann ist, wenn es vom Natürlichen sanktioniert wird. Guinness-Buch und Bibel stimmen darin überein, daß sie uns in dieser Weise Wege aus dem grauen Alltag weisen: Das Reich der seligen Rekorde ist auf Erden zu erlangen.
Diese Einsicht gehört zu den interessanteren, die wir Adairs neuem Buch entnehmen können. "Wenn die Postmoderne zweimal klingelt" bietet eine Auswahl an Kurzprosa, zumeist Glossen und Kolumnen der Jahre 1986 bis 1997, die der Londoner Autor und Journalist aus seiner umfangreichen Produktion für eine deutschsprachige Ausgabe zusammengestellt hat. In bunter Folge lesen wir hier über Agatha Christie, Ellis Island, den Tod des Autors, Konzeptkunst, transtextuelle Texte, Derrida, den Untergang der Titanic, die Lust des Rauchens, postmoderne Theorie und was sich sonst noch alles auf drei bis fünf Seiten zu einer pointierten Plauderei gebrauchen läßt. Das gemeinsame Programm dieser vermischten Betrachtungen erklärt eingangs der Titelessay, der einzig längere Text der Sammlung: Es gelte, der zeitgenössischen Kultur, ob sie nun erhaben oder schlicht sei, Sinn und Bedeutung abzugewinnen.
Dieser Vorsatz folgt aus Adairs zeitkritischer Diagnose. "Unsere Zeit", so verkündet er in etwas angestrengtem Tonfall, sei "eine Zeit der Verschanzung anstatt des Experiments, der ebenso konsumtiven wie kreativen Besitzstandwahrung" und neige dazu, "all ihre verfügbaren Ressourcen, ihre bereits festgelegten Koordinaten praktisch bis zum Bersten zu dehnen, anstatt neue formale Maßstäbe zu setzen, durch die sich unser Blick auf die Welt möglicherweise neu bestimmen und beleben ließe". Wer jetzt noch Fragen hat, mag weiterlesen und seinen Blick in der beschriebenen Weise erweitern und beleben lassen. Doch bei aller Emphase, mit der Adair hier gegen kulturelle Stagnation und Saturiertheiten zu Felde zieht, bei der Lektüre seiner Essays zeigt sich bald, daß diese ihrerseits oftmals veraltet sind. Wen interessiert heute noch Londoner Kolumnenklatsch gegen postmoderne Kunst der achtziger Jahre, und wer will Glossen über den Titanic-Mythos lesen, ohne dabei über Camerons Filmepos nachzudenken?
So wirkt Adairs zeitkritischer Affekt zuweilen unfreiwillig komisch, während den gezielten Pointen durch Fußnoten nachgeholfen werden muß. Keine Frage, Gilbert Adair ist ein belesener Kultur-Connaisseur und dazu ein Autor, der sein Handwerk beherrscht. Seine erfolgreichen Romane, wie zuletzt "Blindband", vor zwei Jahren auf deutsch erschienen, sind perfekt inszenierte Verwirrspiele und Vexierbilder, die allen Lesern höchst spannende und intelligente Unterhaltung bieten. Sein kleiner Essayband hingegen zeigt nur, was vom Schreiben übrigblieb. Darunter findet sich wohl manches Lesenswerte, doch oft kann auch eins seiner allfälligen Barthes-, Benjamin-, Eco- oder Baudrillard-Zitate die schlichteren Einfälle kaum für die Nachwelt retten. Und somit kommen wir am Schluß zur Einsicht: Wenn die Postmoderne hier zum dritten Male klingelt, dürfen wir sie getrost draußen stehenlassen.
TOBIAS DÖRING
Gilbert Adair: "Wenn die Postmoderne zweimal klingelt". Variationen ohne Thema. Aus dem Englischen übersetzt von Thomas Schlachter. Edition Epoca, Zürich 2000. 207 S., geb., 39,50 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Adairs Essaysammlung zu den kulturellen Blüten der Postmoderne hat es dem Rezensenten angetan. Zwar gibt Hermann Wallmann ganz offen zu: "Adair ist ein Ketzer". Aber von dem Vergnügen, das es dem Autor etwa bereitet, das Guinessbuch mit der Bibel zu vergleichen oder Shakespeare mit Smalltalk, lässt er sich gerne anstecken. Gilbert Adair liefere eine "belesene und belustigte Kritik" des Zeitgeistes, so Wallmann, und hole uns dort ab, wo wir "stehen und gähnen". Und indem er mit uns "vom Bild zum Begriff tanzt, von der Analyse zur Anekdote springt", illustriert er eine Haltung des Gebens - ein Ketzer in der Event-Kultur.
© Perlentaucher Medien GmbH
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